Zur Sicherheit

Zur Sicherheit

Von den Alpen bis zum Hindukusch, von der Kieler Förde bis in den Golf von Aden: Die Kräfte der Bundeswehr sind längst über den halben Globus

Zwei Panzergrenadiere

| 4 Lesermeinungen

Wer will, kann in diesen Tagen in Berlin von einer Podiumsveranstaltung zu Afghanistan zur nächsten laufen. Die am Dienstag abend in der...

Wer will, kann in diesen Tagen in Berlin von einer Podiumsveranstaltung zu Afghanistan zur nächsten laufen. Die am Dienstag abend in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik gehörte zu den lohnenden. Es trugen die beiden einsatzerfahrenen Offiziere Jörg Vollmer und Mart de Kruif vor. Brigadegeneral Vollmer war bis Ende Oktober 2009 Isaf-Regionalkommandeur Nord, der niederländische Generalmajor de Kruif war bis November Regionalkommandeur im Süden Afghanistans.

Aus unserem Notizbuch:

De Kruif skizziert die Entwicklung im Süden seit Beginn der Nato-Ausweitung auf ganz Afghanistan 2006. Man solle bedenken, dass das erst drei bis vier Jahre hersei, wenn man fehlende Fortschritte beklage. Auch in Bosnien sei man nach drei Jahren noch nicht weiter gewesen. Die Taliban hätten auf die neue Nato-Präsenz mit einem „logischen Schritt“ reagiert, der „Flucht ins Asymmetrische“: Massive Einschränkungen gegenüber der Bevölkerung, IED-Kampf gegen die Soldaten. Allerdings seien auch 70 Prozent der IED-Opfer Afghanen. Die IED-Zellen zu bekämpfen sei eine schwierige Herausforderung, sie seien sehr klein und agierten autark. Doch könnten die Taliban auch nicht ohne weiteres wieder zu konventionellen Operationen zurückkehren. „Auf operativer Ebene haben nicht die Taliban die Initiative (im Süden), sondern wir, Isaf, entscheiden, wo wir hingehen.“ Aber auf taktischer Ebene stellten die IED eine Bedrohung dar, die strategische Auswirkungen haben könne, wenn die Isaf sie nicht in den Griff bekommen werde. Entscheidend für den eigenen Erfolg seien gute Regierungsführung und ziviler Wiederaufbau. „Wenn man ein Gebiet sichert, muss man unverzüglich mit Zivilisten rein.“ Die Erfolge beim Aufbau der afghanischen Armee seien auch deshalb zu würdigen, weil er so vonstattengehe, als müsse man „während des Fluges ein Flugzeug bauen“.

Vollmer, inzwischen wieder als Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 37 in Frankenberg, über den Norden: die Entwicklung sei „insgesamt eine Erfolgsgeschichte“. In den vergangenen sechs Jahren seien neun Milliarden Euro investiert worden. „Das steht noch.“ Beispielsweise die Hauptverkehrsstraße, die sogenannte Ring Road. Die Provinzen im Norden seien durchzogen von Stromleitungen; dabei würden 80 Prozent des Stroms aus den nördlichen Nachbarländern Usbekistan und Turkmenistan importiert. Auch die Wahlen im vergangenen Jahr seien von der Bevölkerung als „unsere Wahlen“ akzeptiert worden, viele seien trotz der Drohungen der Taliban hingegangen, sie seien insgesamt gut verlaufen; nur an drei Stellen habe es Zwischenfälle gegeben, darunter Kundus (Raketenbeschuss auf die Stadt) und Ghowrmach. Das seien auch sonst die beiden Problemregionen seien: Zwei von neun im Norden. Weil die Kräfte der afghanischen Armee anfangs vor allem im Süden des Landes konzentriert worden seien, habe es anfangs nur ein Bataillon im Norden gegeben. „Der Wille ist da. Es fehlen in gewissem Maße die Ressourcen.“

Vollmer bekräftigt, dass eine Verstärkung der afghanischen Polizei vorrangig sei. Als Regionalkommandeur hatte er im vergangenen Jahr einen Vorstoß unternommen, 2500 Polizisten kurzfristig mit deutschen Mitteln einzustellen und über den Winter auszubilden, damit sie vom Frühjahr an einsetzbar sind. Er verweist jetzt darauf, dass genau dieses Modell in Ghowrmach mit Mitteln der Asian Devellopement Bank angewendet worden sei, wo 500 Polizisten neu eingestellt worden seien. Nach dem traurigen Versanden seines eigenen Vorstoßes in Berlin im vergangenen Herbst gefragt, artikuliert  Vollmer vorsichtigen Optimismus, hält sich aber bedeckt. Das gilt sowieso für alle Fragen, die in Richtung Kundus und 4. September zielen.

De Kruif wählt in der Diskussion einen etwas anderen Zungenschlag: „Für mich ist der Süden Afghanistans nicht eine Erfolgsgeschichte. Aber das Konzept ist richtig und kann die Voraussetzung für einen Erfolg schaffen.“ Angesprochen auf die deutsche semantische „Krieg“-Diskussion: „Ich bin kein Jurist. Ich bin Panzergrenadier. Aber für mich ist kein Krieg in Afghanistan. Krieg ist für mich, mit militärischen Mitteln militärische Mittel des Gegners vernichten.“ Aber um diesen Aspekt gehe es nur zum geringsten Teil. „90 Prozent, wenn wir schießen, ist Selbstverteidigung.“


4 Lesermeinungen

  1. adolar sagt:

    Sicherlich kann man dort auch...
    Sicherlich kann man dort auch noch mehr „Krieg“ führen oder „Selbstverteidigung“ üben als jetzt schon – aus Sicht der Militärs.
    Richtig ist, daß nur mit besseren Lebensbedingungen, Arbeit und Bildung allgemein die Radikalisierung bekämpft werden kann („Entwicklungshilfe“), das gilt nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Deutschland („Linke“, „Rechte“).
    Auch in der Hoffnung, daß die Leute am Hindukusch die sog. Taliban und „Rechtsgläubigen“ irgendwann selbst fortjagen bzw. die Kraft dazu haben.
    Bis dahin wird man noch eine Weile schießen müssen. Wie man das nennt, ist egal.

  2. Bunkenstedt sagt:

    @ adolar, Sie glauben, es...
    @ adolar, Sie glauben, es ginge allen immer nur um ihre Wohllebe. Die Talibans aber hungern nicht.

  3. Ephemeride sagt:

    Was für ein Witz: Da deutelt...
    Was für ein Witz: Da deutelt sich das Militär und jeder, dem es gerade in den Kram passt, den Wahlbetrug (mit dem Karzai sich im Amt bestätigte) in einen Erfolg der Demokratie um. Auf Dauer lässt sich soviel Lug und Unterdrückung und Opportunismus niemand – auch nicht in Afghanistan – gefallen. Dass die Reaktion der Menschen dort immer ablehnender wird gegenüber den westlichen Besatzern (so werden sie empfunden), weil sie effektiv viel zu wenig gebracht haben für eine stabile Zivilgesellschaft, ist nur allzu leicht nachvollziehbar. Wenn dann auch noch Hochzeitsgesellschaften und zivile Benzindiebe in Grund und Boden gebombt werden, wäre auch bei uns das Fass voll.
    .
    Schäbig und ziemlich trostlos aber ist darüber hinaus noch, dass auch unsere Journalisten mehrheitlich schon längst aufgegeben haben, einmal nicht die offizielle Meinung nachzuplappern, sondern hinter die Kulissen zu schauen und vernünftig über die wahren Zustände ‚am Hindukusch‘ aufzuklären.

  4. Causa Klein sagt:

    Soldaten, die an der von der...
    Soldaten, die an der von der Exekutive (Bundessicherheitsrat) ´geförderten Einrichtung Bundesakademie für Sicherheitspolitik, die wohl nichts mehr mit dem Gründergedanken von Admiral a. D. Wellershof am Hut zu haben scheint, werdem so vortragen, wie es exekutive Einrichtungen zulassen. Das ist weiters nicht schlimm, man sollte es eher einfach nur wissen.
    Bedauerlich ist eher, dass die genannte Veranstaltung, die der Autor als würdiig mit Blick auf seine Berichterstatttung schätzt, zwar die richtigen Fragen gestellt hat aber wohl vergessen hat die ander Anmoderation des Präsidenten dieser exekutiven Einrichtung der Bundesregierung darauf hinzuweisen, dass der Gradmesser eines Erfolges nicht der Bericht der vortragenden Pantergrenadiere sein kann, sondern der Antrag der Bundesregierung vom 21.12.2001, dessen Wortlaut mit Blick auf die Ziele (und damit des Erfolg) unverändert auf alle weiteren Anträge der jeweiligen Bundesregierungen sich nicht unterscheidet.
    Von Ring Strassen oder anderen genannten Beispielen der Ziele und damit des Erfolges war nie die Rede. Die Rede war in allen Anträgen der wechselnden Bundesregierung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Dem wurde nie widersprochen. Auch nicht dem BMVg obwohl es erahnen konnte, dass Streitkräfte damit wenig „am Hut haben dürfen“. Ihr Auftrag ist ein anderer.
    Aber, nachdem in Nachkriegsdeutschland eine Akzeptanz jenseits des Deutschen Bundestags nur zu erreichen ist, wenn ein Streikräfteeinsatz außerhalb der büdnisbezogenen Landesverteidigung mit eben dieses eingangs genannten ehrenwerten Zielen zu gewinnen ist, gilt es scih die Frage zu stellen; für wen wurde der Antrag ISAF geschrieben;
    a) für den die Vertrauensfrage stellenenden Bundeskanzler Schröder?
    b) zur die Öffentlichkeit jenseits des Deustchen Bundestages?
    c) für Bündnis 90 / Die Grünen?
    Viele Fragen sind offene. Mein Eindruck verdichtet sich:Deutsche Streikräfte sind mit Blick auf ihren Einstatz pazifiziert worden, denn ansonsten gäbe es keine Akzeptanz jenseits des Deutschen Bundestag.
    So mal als These. Es darf ja jeder und jeder daraufhin bloggen.

Kommentare sind deaktiviert.