Ein ausführliches F.A.Z.-Gespräch mit dem Verteidigungsminister hatte zeitgemäß einen starken afghanischen Schwerpunkt. Wir – Eckart Lohse und Stephan Löwenstein – haben, soweit es die Zeit erlaubte, auch noch etwas darüber hinaus geblickt und nach Dingen wie Struktur und Wehrpflicht gefragt. Beachtenswert erscheinen uns vor allem die Aussagen zum Thema verkürzte Wehrpflicht. Die – so autorisierten – Antworten von Karl-Theodor zu Guttenberg seien an dieser Stelle dokumentiert:
Frage: Wäre es angesichts der kritischen öffentlichen Diskussion über Afghanistan derzeit überhaupt möglich, die Bundeswehr in einen weiteren Auslandseinsatz zu schicken?
Antwort: Die Stimmung in der Öffentlichkeit kann nicht das alleinige Kriterium für eine Entscheidung sein. Wenn wir zu der Überzeugung kommen, ein Einsatz ist geboten, dann ist es die verdammte Pflicht der Politik, das zu erklären. Diesbezüglich ist übrigens in der Vergangenheit nicht immer die allerbeste Arbeit geleistet worden.
F: Könnte die Bundeswehr überhaupt noch mehr leisten, als sie es tut?
A: Wir sind gegenwärtig in zehn Ländern engagiert. Trotzdem: Wenn man die maximal darstellbare Zahl der Soldaten im Einsatz ins Verhältnis setzt zur Gesamtgröße der Bundeswehr, eröffnen sich viele Fragestellungen. Wir wollen weder Weltpolizei noch Interventionsarmee sein, aber die Realität einer Armee im Einsatz ist in den Strukturen noch nicht vollständig verwirklicht.
F: Was heißt das?
A: Sollten wir etwa plötzlich einen zusätzlichen humanitären Einsatz leisten müssen, könnte es sein, dass uns die Kräfte dazu fehlten. Wir müssen die Strukturen der Bundeswehr noch mehr den Bedingungen einer Armee im Einsatz anpassen.
F: Welche Rolle spielen Bündnis- und Landesverteidigung noch?
A: Die Verteidigung des Bündnisses ist nach wie vor von zentraler Bedeutung für die Bundeswehr. Das Bündnis muss sich aber auf neue Herausforderungen und Bedrohungen einstellen. Dass Landesverteidigung ein Auftrag der Bundeswehr ist, steht außer Frage. Aber sie ist natürlich angesichts der geänderten weltpolitischen Lage im Moment nicht mehr Mit der Situation von 1989/90 zu vergleichen.
F: Sie haben nicht nur mit erheblichem finanziellen Druck auch auf dem Verteidigungsetat zu tun, sondern mit einer auf sechs Monate verkürzten Wehrpflicht. Können Sie da einen Gesamtumfang der Bundeswehr von knapp 250.000 Soldaten aufrecht erhalten?
A: Auch da muss man realistisch prüfen, welche Möglichkeiten vorhanden sind. Die Anpassung der Wehrpflicht löst schon einige substanzielle Folgefragen aus: Wie viele Rekruten können wir noch einziehen? Wie können wir die Attraktivität der Bundeswehr steigern? Können wir in der Wehrpflichtzeit noch die Ausbildung gewährleisten, die für das heutige Szenario erforderlich ist? Diese Fragen müssen wir noch vor der Sommerpause angehen.
F: Wäre es Ihnen lieber gewesen, diese Baustelle wäre Ihnen erspart geblieben?
A: Überhaupt nicht. Jede Baustelle ist doch dazu da, etwas Neues, Kreatives entstehen zu lassen.
Von "Captain" Liddle Hart...
Von „Captain“ Liddle Hart stammt der schöne Satz – ich zitiere nach dem Gedächtnis: „No creative idea has ever come from an officer above the grade of major“. Deswegen hat mich die Antwort unseres Verteidigungsministers auf ihre letzte Frage fasziniert – weil ich als langjähriger Referatsleiter Ausbildung in der Luftwaffe eine 6-monatige Wehrpflicht aus der Sicht des Ausbilders für im Wortsinne „indiskutabel“ hielt. Aber jetzt haben wir einen Minister, der jedenfalls im Alter zu den kreativen und dynamischen Majoren paßt, die Liddle Hart im Auge hatte. Wer sollte den Mut haben, neue Wege zu gehen, wenn nicht ein Mann wie er? Vielleicht sollte er sich zusätzlich vom Beispiel der Schweiz inspirieren lassen.
In einem anderen Punkt kann man Minister zu Guttenberg ohne Einschränkung zustimmen: zwischen einem Bundeswehrumfang von 250 000 und einer Gesamtstärke von 10 000 im Einsatz befindlicher Soldaten besteht ein offensichtliches Mißverhältnis, auch unter Berücksichtigung des Rotationsprinzipes.
Allerdings wird es auch hier schwierig werden, den status quo zu ändern. Guttenberg kämpft gegen die drei heiligen Grundsätze der Bürokratie:
– Das haben wir schon immer so gemacht!
– Das haben wir noch nie so gemacht!
– Da könnte ja jeder kommen!
Eben.
PS. Manches wird leichter werden, wenn man der Truppe Gelegenheit gibt, sich auch wieder an Vorbildern der Vergangenheit zu orientieren.
Mich fasziniert eher die...
Mich fasziniert eher die eingeschränkte Ehrlichkeit der Antwort auf die letzte Frage, denn nach allem was ich weiß, war Herr zu Guttenberg nicht für die Verkürzung des Grundwehrdienstes.
Außerdem ist festzustellen, dass schon die heutige Grundwehrdienstdauer Ausbildung für „das heutige Szenario“ ausschließt. Und der Versuch der Quadratur des Kreises hat schon immer Kreativität vergeudet.
Da kann man nur hoffen, dass auf der Baustelle kein Musterhaus ohne Wert entsteht.
Die Quadratur des Kreises...
Die Quadratur des Kreises besteht darin die Seitenlänge eines Quadrats zu finden, das denselben Inhalt hat wie ein Kreis. Die ist, und das solten wir alles gelernt haben: Wurzel aus d*pi. Dies geht nur nicht mit Lineal und Zirkel.
Heutzutage entstehen auf allen möglichen Baustellen ohne Zirkel und Lineal passable Musterhäuser von Wert.
aus der Fläche wollen wir...
aus der Fläche wollen wir auch noch: da nehmen wir dann Wurzel aus r*r*pi.
Aber wenden doch beim Argumentieren mehr Kreativität auf und weniger Floskeln, möglichst auch auf den bestehenden Baustellen.
Das Stichwort von der Baustelle ist so schlecht nicht: es lässt sich wohl kaum vermeiden, dass nur Hoch- und Tiefbauer global unterwegs sind.