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Von den Alpen bis zum Hindukusch, von der Kieler Förde bis in den Golf von Aden: Die Kräfte der Bundeswehr sind längst über den halben Globus

Kreml-Astrologie

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Wer der Aschermittwochsreden überdrüssig ist, kann die durch Abschalten von Phoenix gewonnene Zeit nutzen, um nach der Strausberger Umfrage noch einen...

Wer der Aschermittwochsreden überdrüssig ist, kann die durch Abschalten von Phoenix gewonnene Zeit nutzen, um nach der Strausberger Umfrage noch einen Aufsatz des Nato Defense College zu lesen. Der Autor, Keir Giles, analysiert die neue russische Militärdoktrin aus Nato-Sicht (wenn auch ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich nur um die Auffassung des Autors handle).

Was wir interessant fanden: Die angebliche Verschärfung, was den Einsatz von Nuklearwaffen betrifft, wird gegenüber der verbreiteten Berichterstattung deutlich heruntergespielt. Unterschieden wird zwischen der Begleitmusik durch den Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Patruschew, die nach lautem Säbelrasseln klingt, und dem Wortlaut im Text, zumindest in dessen veröffentlichten Teil:

„Despite widespread reporting that the new Doctrine would display increased readiness for first use of nuclear weapons, this provision is if anything subtly rolled back from the 2000 version of the Military Doctrine – instead of first use in situations critical to the national security of the Russian Federation, the criterion is now when the very existence of the State is under threat. (Section III.22) The related provision promising no use of nuclear weapons against non-nuclear states acting alone has been dropped. But Russia’s precise stance on nuclear use is detailed in a classified addendum to the Doctrine, so remains unclear.“ Spekuliert wird, dass der Wortlaut in letzter Minute mit Blick auf die Start-Verhandlungen abgeschwächt worden sei.

Außerdem relativiert der Autor die Priorisierung der Nato als Feindbild in der Doktrin: Die Nato stehe zwar weit oben, aber als „militärische Gefahr“, nicht als „Bedrohung“. Diese feine Unterscheidung wird so interpretiert, dass die Russen zwar öffentlich über die Nato maulen wollten, aber nicht durch den gesetzlichen Charakter der Doktrin gezwungen sein wollten, tatsächliche Maßnahmen treffen zu müssen, etwa das Militär gegen eine erkannte „Bedrohung“ auszurichten. Klingt nach der guten alten Kreml-Astrologie.


24 Lesermeinungen

  1. Quidde sagt:

    Leider habe ich nicht ganz...
    Leider habe ich nicht ganz verstanden, worauf der Autor mit „Kreml-Astrologie“ genau anspielen will.
    Auf die Unfähigkeit unserer Geheimdienste, Datum und Uhrzeit des nächsten russischen Angriffs genau vorherzusagen?
    Auf die Undurchschaubarkeit der Slawen, die uns einfach nicht genau sagen wollen, ob sie uns denn nun überfallen wollen oder nicht?
    .
    Abgesehen davon, daß böse Regimes ihre eigene Doktrin ja sowieso nach Belieben mißachten könnten, möchte ich trotzdem mal die Frage aufgreifen:
    .
    Hat Russland überhaupt eine Atomare Erstschlagsdoktrin? Und seit wann? Und wann hat Russland zum letzten Mal ein anderes Land angegriffen?

  2. Jan S. sagt:

    Leider scheint der Link zum...
    Leider scheint der Link zum Aufsatz nicht zu funktionieren.

  3. 30. November 1939 Finnland...
    30. November 1939 Finnland (Winterkrieg)
    08. August 1945 Japan

  4. Erwin sagt:

    @ Quidde
    Russland (UdSSR) hat...

    @ Quidde
    Russland (UdSSR) hat doch noch nie ein anderes Land angegriffen.
    Das war doch nur sozialistische Bruderhilfe in Ungarn, Tschechoslowakei, Polen und Afghanistan.

  5. Quidde sagt:

    @Erwin
    Und wann haben...

    @Erwin
    Und wann haben Deutschland und die NATO-Verbündeten zum letzten Mal Bruderhilfe geleistet?
    Und wie oft in den letzten 10 Jahren?

  6. Wenn mit Bruderhilfe die...
    Wenn mit Bruderhilfe die Erklärung des Bündnisfalls gemeint ist…dann 2001. Die läuft noch.
    Man könnte den Georgienkrieg 2008 noch erwähnen. Da haben die Russen zurückgeschossen… und dann etwas übers Ziel hinaus.
    pi

  7. Quidde sagt:

    Und wer hat den Georgiern 2008...
    Und wer hat den Georgiern 2008 Bruderhilfe geleistet, militärisch, geheimdienstlich, diplomatisch, finanziell?
    .
    Und wer bestimmt denn nun, wo das Ziel ist, über welches man nicht hinausschießen darf? Immerhin haben die Russen 2008 darauf verzichtet, die Innenstadt von Tiflis mit Raketen zu beschiessen und das dann einen „Vergeltungsschlag“ zu nennen.

  8. also ich persönlich halte die...
    also ich persönlich halte die Reaktion der Russen für angemessen. Die Einäscherung von Tiflis wäre wohl zu weit gegangen. Die Weltöffentlichkeit(oder wie immer man es nennt) sah das anders. Eine Armee ohne High-Tech Präzisionswaffen nimmt eben die Brechstange.
    Wer mit den Bären in der Käfig steigt, soll sich nicht über die Kratzer beschweren.
    Ich halte die Politik der Amis gegenüber Georgien für eine Sauerei. Waren halt nützliche Idioten im Irak. Zum Glück ist das Thema NATO-Beitritt vom Tisch. Dafür gewähren die Russen die nördliche Versorgungsroute für AFG.
    Ich sehe das ganze als einen großen Erfolg russischer Politik.
    Zum Thema angegriffen… Estland kann jedenfalls etwas über Cyberwar erzählen.
    pi

  9. Von Helsinki nach...
    Von Helsinki nach Tiflis…
    Wie war es vor 70 Jahren?
    Am 26.11. 1939 Grenzzwischenfall von Mainila: Sowjetische Artillerie beschießt den Grenzposten und die eigenen Grenztruppen. Das ist der Vorwand, um am 28. November den Nichtangriffspakt zu kündigen.
    Am 30.11. 1939 greift die sowjetische Armee ohne Kriegserklärung Finnland an. Helsinki wird aus der Luft bombardiert.
    Am 1. Dezember wird eine Marionettenregierung unter O. Kuusinen gebilden.
    Was „Kreml-Astrologie“ bedeutet ist sogar bei Wikipedia nachlesenbar…

  10. Quidde sagt:

    Steht bei Wikipedia auch, was...
    Steht bei Wikipedia auch, was Herr Löwenstein damit meint?
    Im übrigen wollte ich keinesfalls sagen, dass Russland oder die UdSSR in ihrer Geschichte ausschliesslich Verteidigungskriege geführt hätte. Ich wollte nur ein bißchen dazu anregen, die Vergleichsmaßstäbe nicht ganz aus den Augen zu verlieren.
    Die letzten Angriffskriege mit deutscher Beteiligung fanden 1999 in Jugoslawien und 2001 in Afghanistan statt, wenn man die Hilfeleistungen für die Amerikaner beim Überfall auf den Irak von 2003 nicht mitrechnet.
    Wann der nächste deutsche Angriffskrieg kommt, ist nur eine Frage der Zeit.

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