Auf seinem kurzen Ausflug in die Ostsee auf der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern hat die Marine vergangene Woche ihrem IBuK (Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt) allerlei Künste und Technik vorgeführt – darunter eines ihrer U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb. Von dem sah man zunächst nur das Sehrohr. Was man vom Sehrohr aus sehen konnte, zeigt (etwas unscharf) dieses Bild. Die Mütze unter den Mikro-Angeln gehört Minister zu Guttenberg. Im Fadenkreuz sähe ihn diese Woche vermutlich auch gern die Opposition. Am Donnerstag werden die von Guttenberg geschassten Peter Wichert und Wolfgang Schneiderhan im Kundus-Ausschuss vernommen. Am Montag wird die Anhörung der Generäle Rainer Glatz und Jörg Vollmer nachgeholt, die vor zwei Wochen abgeblasen worden war. Während der Sitzung des Ausschusses waren bei „Spiegel Online“ geheime Dokumente zitiert und der Vorwurf erhoben worden, die beiden hätten die Folgen des Luftangriffs vom 4. September bei Kundus vertuschen wollen. Beide Termine haben in der Berichterstattung – allen voran der „Spiegel“ – schon den Spin erhalten, sie könnten Guttenberg in Bedrängnis bringen.
(Foto Marine)
Nachtrag: Ein Vorbericht in der F.A.Z. vom 15.3., als langfassung sozusagen.
BERLIN, 14. März. Der Verteidigungsminister am Dienstag im blauben Marine-Anorak auf der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern, am Mittwoch im Flecktarnparka, einen Sprengstoffspürhund hinter den Ohren kraulend: Karl-Theodor zu Guttenberg konnte in der vergangenen Woche sein Amt an der Spitze der deutschen Streitkräfte von seiner schönen Seite kennenlernen. Er machte seine Antrittsbesuche bei der Marine und bei der Streitkräftebasis, gleichsam der Dienstleistungsorganisation der Bundeswehr. Der Umgang mit der „Truppe“, das Gespräch mit Soldaten, ist etwas, was dem Reserve-Unteroffizier Freude bereitet, wie er am Sonntag im „Deutschlandfunk“ bekundete.
Diese Woche wird weniger ersprießlich. Es ist Haushaltswoche im Bundestag, und Guttenberg wird zu den Einschnitten von insgesamt 450 Millionen Euro Stellung nehmen müssen, die ihm die eigenen Koalitions-Haushälter zugemessen haben. Und Parlamentswochen sind zugleich auch Sitzungswochen des Kundus-Untersuchungsausschusses – der diesmal sogar zwei Sitzungen haben wird.
Zunächst sollen an diesem Montag die beiden Generäle Rainer Glatz und Jörg Vollmer befragt werden. Sie sollen darüber Auskunft geben, wie die Meldewege verlaufen sind, nachdem am 4. September 2009 auf den Befehl eines deutschen Oberst bei Kundus zwei von Taliban-Kämpfern entführte Tanklastwagen bombardiert worden waren, wobei nach einem Bericht der Nato-geführten Afghanistantruppe Isaf zwischen 17 und 142 Menschen verletzt oder getötet wurden. Generalleutnant Glatz ist Befehlshaber des Einsatzführungskommandos bei Potsdam, Brigadegeneral Vollmer war damals Isaf-Regionalkommandeur Nord in Mazar-i-Scharif und damit Vorgesetzter des Oberst in Kundus.
Eigentlich sollten die beiden schon vor zwei Wochen vernommen werden, doch mitten in die Sitzung platzte ein Medienbericht, der aus geheimen Dokumenten zitierte, die kurz zuvor dem Ausschuss übermittelt worden waren. Nach diesen Meldungen sollen die beiden Generäle dafür gesorgt haben, dass eine kritische Meldung über den Vorfall aus dem Isaf-internen Datennetz schnell wieder herausgenommen wurde. Der SPD-Obmann im Ausschuss, Rainer Arnold, sprach damals, noch ehe die meisten den Medienbericht überhaupt kannten, schon davon, dass auch Militärs „vernebelt“ hätten. Wenn freilich diese damalige Meldung, verfasst und ins Netz gestellt von einem Oberleutnant in Kundus ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten, tatsächlich nicht zwischen sicher bekannten Tatsachen und Vermutungen unterschieden hat, wie Glatz anmerkte, dann wäre es in einer so erkennbar heiklen Angelegenheit nach Darstellung mehrerer Kenner der Materie unüblich gewesen, sie unkommentiert stehenzulassen.
In jedem Fall verdeutlicht dieser Vorgang aber das gewaltige Durcheinander, das vor nun mehr als einem halben Jahr in Kundus, zwischen Kundus und Mazar-i-Scharif, zwischen dem Einsatzland und Potsdam und Berlin geherrscht hat. Die Militärs pochten noch auf „valider“ Überprüfung der Fakten – in Kundus dauerte es aber einen halben Tag, bis überhaupt jemand am Ort des Geschehens etwas überprüfte. Gleichzeitig verbreitete das Ministerium in Berlin schon – beiwohlgemerkt noch nicht „valider“ Faktenlage – die Gewissheit, bei dem Luftschlag seien 56 Talibankämpfer und keine Unbeteiligten zu Tode gekommen. Dabei war die Zahl von offensichtlich von den nächtlichen Operateuren über den Damen gepeilt worden: Man hatte ungefähr 70 Gestalten auf den Luftaufnahmen gezählt, durch Luftangriffe werden erfahrungsgemäß 80 Prozent ausgeschaltet – macht 56. Eine Isaf-Kommission konnte auch nach zweiMonaten Untersuchung keine präzisere Feststellung treffen, sondern nur divergiere Berichte zusammenfassen, die zwischen 17 und 142 „Casualties“ – also Verwundete und Tote – zählten. Ungeachtet dessen hat sich inzwischen vielfach die Behauptung festgesetzt, bei dem Luftschlag seien 142 Menschen getötet worden.Letztlich war es diese anfängliche Informationspolitik, es seien ausschließlich „terroristische Taliban“ getötet worden, wegen derer der damalige Minister Franz Josef Jung schließlich doch zurücktreten musste.
Größeres Interesse als dieses komplizierte Geflecht wird allerdings voraussichtlich die Ausschusssitzung am Donnerstag finden – schon weil sie nicht mehr auf irgendwelchen Geheimetagen des Bundestages abgehalten wird. Dann werden Peter Wichert und Wolfgang Schneiderhan befragt, die beiden Spitzenbeamten, die von Guttenberg in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden sind: Wichert war Staatssekretär, Schneiderhan Generalinspekteur. Die Opposition möchte hier nicht mehr die Zeit um den 4. September in den Fokus rücken, sondern die Umstände der Entlassung. Denn dazu gibt es unterschiedliche Darstellungen.
Guttenberg trennte sich Ende November von den beiden, nachdem er durch die „Bild“-Zeitung mit einem von einem Feldjägeroffizier verfassten Bericht über den 4. September konfrontiert wurde, den er nach eigener Aussage nicht kannte. Im Bundestag sagte er dazu, es seien „Konsequenzen gezogen“ worden an „maßgeblicher Stelle“. Später sprach er davon, der Feldjägerbericht und andere Dokumente seien ihm „vorenthalten“ worden, einmal formulierte er im Fernsehen: „unterschlagen beziehungsweise vorenthalten“. Dagegen setzten sich die beiden zur Wehr, Wichert schrieb einen Brief, Schneiderhan sprach auch mit einer Wochenzeitung, die ihn damit zitierte, der Vorwurf einer bewussten Unterschlagung sei unwahr. Erst in der vergangenen Woche hat Guttenberg diese Front begradigt, indem er in einem Interview sagte, er sei nie davon ausgegangen, dass die beiden ihm böswillig die Dokumente vorenthalten hätten. Noch im Raum stehen unterschiedliche Darstellungen des letzten Gesprächs des Ministers mit Wichert und Schneiderhan, ehe er sich von ihnen trennte. Die beiden versichern, sie hätten auf Guttenbergs Frage ohne Leugnen bestätigt, dass es noch weitere Berichte gebe. Mehrere Medienberichte beriefen sich hingegen auf Guttenbergs Umgebung mit der Darstellung, sie hätten dies erst nach mehrfacher Nachfrage, und zwar konkret nach dem Feldjägerbericht, getan. Diese Darstellung hat Guttenberg letzte Woche nicht korrigiert.
Noch einem General hat die Angelegenheit eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand eingetragen, dem Brigadegeneral Henning Hars. Er hat Guttenberg – schon Ende vergangenen Jahres – geschrieben, warum er die Entlassung Wicherts und Schneiderhans für falsch halte, und dem Minister den Rücktritt nahegelegt. Warum er diesen Ton anschlug, wurde der Ministeriumsspitze auch nach Gespräch des Disziplinarvorgesetzten und dann des Staatssekretärs Wolf mit dem einstigen miliärischen Berater Gerhard Schröders (SPD) im Kanzleramt nicht klar. Guttenberg zögerte. Doch seine Führungsleute – von Staatssekretär Wolf bis zu Generalinspekteur Wieker – machten ihm schließlich offenbar deutlich, dass er darauf nicht anders als mit einem „Rauswurf“ reagieren könne. Wahrscheinlich hatte Guttenberg geahnt, dass die Angelegenheit den öffentlichen „Dreh“ erhalten würde, den prompt der SPD-Mann Arnold artikulierte: Das Vertrauen der Generalität in Guttenberg schwinde.