Drei bemerkenswerte Meldungen des Tages aus Afghanistan. Zwei deuten an, wie im Idealfall Zug- und Druckkräfte auf die Taliban aussehen könnten. Und zwei illustrieren, wie die „Amerikanisierung des Nordens“, was in vielen Medien als Schreckensbegriff gebraucht worden war, am Boden aussieht.
Erstens: In einer Kommandooperation bei Kundus im Norden Afghanistans sind durch Soldaten der internationalen Truppe Isaf und afghanische Regierungskräfte mehr als zwei Dutzend Aufständische getötet worden. In einer Isaf-Mitteilung heißt es, die Soldaten hätten einen führenden Talibankommandeur verfolgt und seien aus einer Moschee beschossen worden. In dem Gefecht in der Nacht zum Donnerstag – auch durch Luftunterstützung – seien die Kämpfer getötet worden. Zivilisten seien nicht zu Schaden gekommen. Deutsche Soldaten waren nach Bundeswehrangaben nicht beteiligt. Offenbar handelte es sich um eine Operation amerikanischer Spezialkräfte. Man habe erfahren, dass die Taliban einen größeren Angriff geplant hätten, hieß es. Von Seiten der Bundeswehr in Kundus ist die Rede von 28 getöteten Aufständischen. Nach Angaben des Gouverneurs von Kundus, Mohammed Omar, seien 35 Kämpfer getötet worden, darunter drei namentlich bekannte Anführer und einige usbekische und pakistanische Aufständische.
Zweitens: Aus der Umgebung des afghanischen Präsidenten Karsai verlautet, Talibanführer Mullah Omar sei friedenswillig. Nach der Festnahme von Mullah Baradar habe es ernsthafte Friktionen in der Talibanführung gegeben. Nun schmecken diese Angaben eines anonymen „Offiziellen“ aus dem Nationalen Sicherheitsrat in Kabul (die Meldung der afghanischen Nachrichtenagentur PAN unten im Wortlaut) ziemlich deutlich nach Propaganda, zumal im Zusammenhang mit dem USA-Besuch Karsais. Aber das Ganze zeigt zumindest, worauf das präsidiale Versöhnungsprogramm zielt.
Drittens: Erstmals ist das Ehrenkreuz für Tapferkeit auch an Ausländer vergeben worden, nämlich an die vierzehn amerikanischen Soldaten, die am Karfreitag mit ihren Hubschraubern die teils schwerverwundeten Deutschen aus der Kill Zone geholt haben. Bei der Gelegenheit ein Nachtrag zu unserem vorherigen Eintrag: Dass solche Auszeichnungen nicht mehr auf höchster politischer Ebene in Berlin vergeben werden, ist nicht zu kritisieren; da ist den Kommentatoren pi ff. beizupflichten. Es ist nur merkwürdig, dass diese Verleihungen jene Verleihung so plötzlich fast gar nicht mehr aktiv und offensiv kommuniziert wurde werden. Und damit genug zu dieser Marginalie, in der wir uns nicht weiter verheddern wollen (siehe P.S.).
P.S. Autsch! Kommentator Michael hat recht. Also Korrektur: Nicht das Ehrenkreuz für Tapferkeit, wie irrtümlich angegeben, sondern das Ehrenkreuz in Gold mit rotem Rand ist den 14 amerikanischen Soldaten in Kundus verliehen worden. Diese Auszeichnung der Bundeswehr wird für besonders herausragende Leistungen unter Gefahr für Leib und Leben verliehen. Sie wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums erstmals an ausländische Soldaten vergeben. Die Amerikaner hatten in einem Gefecht am Karfreitag unter heftigem feindlichem Feuer verwundete deutsche Soldaten mit Hubschraubern geborgen. Die Tapferkeitsauszeichnung habe deshalb in diesem Fall nicht vergeben werden können, weil sie nur für individuelle Taten, nicht für eine Teamleistung vergeben werde, hieß es weiter. (löw.)
KABUL (PAN): The secretive Taliban leader, Mullah Omar, is in favour of a peace deal with the government, a senior member of the Afghan National Security Council said on Wednesday. Problems within the leadership, a lack of resources and the arrests of senior commanders are forcing the Taliban to seek a deal to end the resistance, the official said on condition of anonymity. He predicted many low-ranking Taliban fighters would join the reconciliation process. The announcement comes hours ahead of President Hamid Karzai’s meeting with his US counterpart, Barack Obama, at the White House, where they are expected discuss in detail Karzai’s plan to reintegrate the Taliban. A purported Taliban spokesman, Zabihullah Mujahid, however, said there would be no talks while foreign troops were still in the country. The official, who was updating a few journalists in the presidential palace, said the dispute over who would replace Mullah Baradar, the Taliban No. 2 who was detained in Pakistan in February, caused serious rifts in the leadership of the Taliban. Mullah Mansoor and Mulla Qayum Zakir, a former Guantanamo detainee, are said to have been appointed Baradar’s successor. Despite the lack of any clear indication from the Taliban that they are interested in talks, Afghan analysts have said Baradar sent some of his people to meet the former UN envoy to Afghanistan, Kai Eide, in Dubai.
Karzai will hold a long-awaited peace jirga later this month to renew his call on the Taliban to renounce violence and rejoin society.
Wenn es in dem von Deutschen...
Wenn es in dem von Deutschen geführten Regionalkommando Nord eine Kommandoaktion gegen Taliban-Kräfte gegeben hat und es in diesem Kommandobereich eine einheitliche Führung gibt, dann sind auch deutsche Soldaten des Kommandostabes beteiligt gewesen.
Sind tatsächlich keine Deutschen beteiligt gewesen, dann gibt es im Regionalkommando Nord keine einheitliche Führung mehr.
Es handelt sich bei den...
Es handelt sich bei den verliehenen Orden keineswegs um das „Ehrenkreuz für Tapferkeit“, sondern um das „Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold mit roter Umrandung (für besonders herausragende Leistungen, insbesondere Einzeltaten unter Gefahr für Leib und Leben, ohne Mindestdienstzeit)“! Ich wundere mich, dass gerade Ihnen dieser Fehler unterläuft. Naja, ISAF hat das Ehrenkreuz in Gold“ gleich mit der „U.S. Medal of Honor“ gleichgesetzt, was noch um Einiges haarsträubender ist…
@ Michael:
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Danke für Ihre...
@ Michael:
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Danke für Ihre Richtigstellung.
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Haarsträubend wäre es in der Tat gewesen, gleich 14 Tapferkeitskreuze an die U.S.-Hubschrauberbesatzungen zu verleihen (trotz unbestritten besonders herausragender Leistungen resp. Einzeltaten besonders unter Gefahr für Leib und Leben dieser verbündeten Kameraden, für die das Ehrenkreuz in Gold mit roter Umrandung sicherlich angemessen ist) – wenn ich richtig im Bilde bin, beläuft sich die Zahl an Bundeswehrsoldaten bisher verliehener Ehrenkreuze für Tapferkeit auf 7!
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Im übrigen verweise ich auf die früheren Feststellungen in diesem Forum:
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„Das Ehrenkreuz für Tapferkeit ist auch kein Victoria Cross oder eine Medal of Honor.“
… ich ergänze: und auch kein Ritterkreuz oder eine seiner höheren Stufen.
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„Es ist eher auf der Ebene Silverstar einzuordnen.“
… und ich ergänze: oder Eisernem Kreuz (E.K.) II, vielleicht sogar I.
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@ hajuem
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Wenn Ihre Vermutung zutritt, stellt sich umso dringlicher die Frage nach Gefangenen, die ich seit April d.J. mehrfach gestellt habe:
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Warum macht die Bundeswehr nie Gefangene?
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Wie ist es zu erklären, daß die Bundeswehr in Afghanistan – seit einiger Zeit regelmäßig in Gefechte verwickelt – nie Gefangene macht?
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Nicht vorstellbar, daß ein verbrecherischer Befehl wie „Gefangene werden nicht gemacht!“ gegeben wurde.
Sehr geehrter Herr...
Sehr geehrter Herr Osmers,
Sie werfen die Frage auf, warum die Bundeswehr bei den zunehmenden Kämpfen „ keine Gefangenen macht“. Der Status Gefangener, im Sinne des ius in bello, setzt Kombattantenstatus voraus. Wenn wir davon ausgehen, dass die Taliban als Kombattanten zu betrachten sind, dann müsste die Bundeswehr Gefangene in Kriegsgefangenenlager bringen und sie dort bis zum Ende des Krieges versorgen. Eine Aburteilung, z.B. als Terroristen, wäre rechtlich nicht folgerichtig.
Verfügt die Bundeswehr über Kriegsgefangenenlager? Es ist ja nicht davon auszugehen, dass die Bundeswehr erst dann solche Kriegsgefangenenlager einrichtet, wenn die ersten Gefangenen auftreten. Ich habe noch von keinen solchen Lagern gehört.
Die Bundesregierung sprach oder spricht auch nicht von Gefangennahme, sondern von einer „Ingewahrsamnahme“( https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/078/1607839.pdf) und hat in der Beantwortung einer kleinen Anfrage der Fraktion „Die Linke“ ausweichend erklärt, dass eine statistische Erfassung sämtlicher Ingewahrsamnahmen nicht erfolgt ist.
Marc Lindemann erklärt in seinem Buch „Unter Beschuss“ im Zusammenhang mit gezielten Tötungen : „Wir sind nur autorisiert, gezielt Gefangennahmen durchzuführen.“ Da die Einsätze des KSK geheim sind, ist es kaum möglich, belastbare Angaben darüber zu finden.
Ich stimme Ihnen zu! Sehr undurchsichtig das Ganze. Ich fürchte, es liegt daran, dass sich die Bundesregierung jetzt zwar dazu durchgerungen hat, vom Krieg zu sprechen, aber in ihren Beschlüssen und Maßnahmen auf dieser Konfliktebene noch nicht vollständig angekommen ist.
@ hajuem
Vielen Dank für...
@ hajuem
Vielen Dank für Ihre ausführliche und erhellende Auskunft!