Wie sich die Dinge in Afghanistan entwickeln, entscheidet sich bei aller gewachsenen Bedeutung der Nordregion weder in Kundus, noch an der deutschen Heimatfront, sondern im Süden und in den Vereinigten Staaten.
Was von diesen beiden Schauplätzen derzeit zu hören ist, nährt allerdings nicht unbedingt Optimismus.
Die Operationen in Marjah scheinen ziemlich zäh zu verlaufen, vor allem auch wegen des geringen Vertrauens, das die Afghanen den dort eingesetzten Regierungsautoritäten (falls das das zutreffende Wort ist) entgegenbringen. Isaf-Kommandeur McChrystal soll Marjah als „blutendes Geschwür“ ansehen , wie es auf einem amerikanischen Militärportal heißt: „This is a bleeding ulcer right now,“ McChrystal told a group of Afghan officials, international commanders in southern Afghanistan and civilian strategists who are leading the effort to oust the Taliban fighters from Helmand. „You don’t feel it here,“ he said during a 10-hour front-line strategy review, „but I’ll tell you, it’s a bleeding ulcer outside.“ Throughout the day, McChrystal expressed impatience with the pace of operations, echoing the mounting pressure he’s under from his civilian bosses in Washington and Europe to start showing progress.“
Und mit dem Blutzoll steigt die Ablehnung des Einsatzes auch in den Vereinigten Staaten. Die AP meldet jetzt den tausendsten gefallenen amerikanischen Soldaten.
Von Robert H. Reid = Kabul (apn) Im Afghanistan-Krieg ist am Freitag nach Zählung der
Nachrichtenagentur AP der tausendste US-Soldat getötet worden. Der
Soldat kam nach Angaben eines Militärsprechers bei der Explosion
eines an einer Straße versteckten Sprengsatzes im Süden des Landes
ums Leben. Die Liste der im Afghanistan-Krieg getöteten
amerikanischen Soldaten beginnt mit Oberfeldwebel Nathan Ross
Chapman, der am 4. Januar 2002 nach einem Treffen mit
Stammesführern in der Provinz Chost überfallen wurde.
Die AP-Statistik bezieht sich auf alle in Afghanistan, Pakistan
und Usbekistan eingesetzten Einheiten der US-Streitkräfte und
beruht auf Angaben aus dem Verteidigungsministerium in Washington.
Der Zählung zufolge wurden allein seit dem Amtsantritt von
US-Präsident Barack Obama im Januar vergangenen Jahres mehr als 430
amerikanische Soldaten am Hindukusch getötet. Im Irak-Krieg kamen
fast 4.400 US-Soldaten ums Leben.
Mit der steigenden Zahl getöteter Soldaten dürfte die Ablehnung
des Afghanistan-Kriegs in der Bevölkerung weiter zunehmen. Laut
einer Umfrage der Zeitung „Washington Post“ und des Fernsehsenders
ABC sind mehr als die Hälfte der US-Bürger (52 Prozent) inzwischen
der Meinung, dass der Krieg in Afghanistan die Opfer nicht wert
ist. In einer GfK-Erhebung im Auftrag der Nachrichtenagentur AP im
März erklärte jeder zweite, er lehne den Krieg ab. 46 Prozent waren
für den Militäreinsatz.
Aus der Aufstellung des...
Aus der Aufstellung des früheren MdB Nachtwei, die von Stephan Löwenstein am 23. Februar (Zur Sicherheit in Afghanistan: Fakten) hier zugänglich gemacht wurde:
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„Am 12./13.2. in Helmand Beginn der bisher größten Operation „Muschtarak“ („Gemeinsam“) im Raum Marja/Mardschah westlich von Lashkar Gah. Hier werden 400 bis 1.000 Taliban Kämpfer sowie mehr als 100 internationale Kämpfer vermutet. Die Kleinstadt Marja (80.000 Einohner) war über Jahre d i e Taliban Hochburg, hier hatte ihre Führung ihren Sitz. Die Großoffensive soll die letzte Phase in einer Operationsfolge sein, die im Juli 2009 mit Unterstützung der US-Marines in den Distrikten Nawa, Garmser und Reg begann und im Dezember in Now Zad nördlich Marja fortgesetzt wurde. 15.000 afg. und alliierte Soldaten und Polizisten sind beteiligt, darunter 5 Brigaden ANSF. Im Unterschied zu vorherigen Operationen soll jetzt Vorsorge getroffen sein, nach dem „clear“ sofort mit dem „hold“ und „build“ beginnen zu können. Im Mittelpunkt soll nicht die Talibanjagd, sondern der Schutz der Bevölkerung stehen.“
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Das liegt jetzt über ein Vierteljahr zurück…
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An Meldungen von der Front dieses Partisanenkrieges resp. Bandenkampfes mangelt es.
Am 6. März wurde gemeldet: Nach U.S.-Generalstabschef Mullen hatten sich amerikanische Truppen darüber beklagt, daß einige afghanische Einheiten zurückgeblieben seien und sich nicht nur geweigert hätten, an der Offensive teilzunehmen, sondern auch die eigenen Truppen mit Nachschub zu versorgen (https://www.saarbreaker.com/2010/03/mullen-in-marjah-geht-es-zwar-langsam-aber-stetig-voran/).
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Zum euphemistischen angelsächsichen Begriff des „Partnering“ (gemeinsames Üben, Zusammenleben und Operieren mit den Afghanen): Sehr erhellend und ernüchternd der realistische Bericht Stephan Löwensteins vom 21. April (https://www.faz.net/s/Rub0CCA23BC3D3C4C78914F85BED3B53F3C/Doc~E15F7F026D3DD42C6B593BF9780D21050~ATpl~Ecommon~Scontent.html), nach dem der afghanische „Partner“ zu plündern pflegt usw. usf. (wobei sich sofort die Frage stellt, warum der deutsche „Partner“ diese Kriegsverbrechen nicht auf der Stelle unterbindet.)
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Ob das deutsche Volk weiß, was es bedeutet, wenn die Bundeswehr wie geplant in absehbarer Zeit ausrückt und den Gegner angreift, dann aber nicht ihre gesicherten Festungen zurückkehrt, sondern Seit‘ an Seit‘ mit den Afghanen im eroberten Gelände/Raum verbleibt, sich dort eingräbt und zur Verteidigung einrichtet? Ob das Volk die mit Sicherheit zu erwartenden Verluste hinzunehmen bereit ist – die die bisherigen signifikant übertreffen werden?
Woher soll das deutsche Volk...
Woher soll das deutsche Volk denn wissen, was in Afghanistan passiert? Aus diesem Grund habe ich vor drei Wochen die nachfolgende Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht:
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die Bundesregierung zu verpflichten, Parlament und Öffentlichkeit vierteljährlich sowohl in öffentlicher Sitzung des Bundestages als auch schriftlich in Form eines Afghanistan-Reports über die Ziele, Erfolge und Misserfolge des deutschen Engagements in Afghanistan zu informieren.
Diese steht nun auf der Webseite des Bundestages online und kann bis zum 8.7.2010 mitgezeichnet werden:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=11678
Wie sich die Dinge in...
Wie sich die Dinge in Afghanistan entwickeln, entscheidet sich wegen der gewachsenen Bedeutung der Nordregion im Laufe der Jahre 2010/11 zu großen Teilen in Kundus und damit auch an der deutschen Heimatfront.
Die Lage im Süden lässt zurzeit nicht erkennen, dass die Strukturen der Taliban durch die laufenden Offensiven hinreichend zerschlagen werden können. Deswegen wird ohne die Zerschlagung der massiv verstärkten Talibanstrukturen in ihrem Rückzugs-, Konsolidierungs- und Operationsraum Nordregion die Sicherheit der Bevölkerung Afghanistans nicht dauerhaft gewährleistet werden können.
Die USA haben die Bedeutung der Nordregion erkannt und verstärken dort massiv mit Kampftruppen und den dringend benötigten Hubschraubern. Die USA nehmen dabei Deutschland und die Bundeswehr in die Pflicht und Deutschland wird diesen Zwängen trotz der immer wieder kolportierten Mehrheitsmeinung der deutschen Bevölkerung nicht ausweichen können, wenn es seiner politischen Bedeutung in der Welt gerecht bleiben oder werden will.
Es führt kein Weg daran vorbei, dass Deutschland die „Übergabe in Verantwortung“ auch verantwortlich gewährleistet. Das erfordert Bereitschaft zur hinreichenden sicherheitspolitischen Investition und zum Risiko.
Darauf zu bauen, dass der tausendste US-Soldat die Beendigung des US-Engagements in Afghanistan einläutet, ist politisch naiv. Afghanistan ist noch lange nicht Vietnam und die USA machen keine Sicherheitspolitik nach Kassen- oder Gefühlslage sondern orientiert an ihren vitalen Interessen.
Solche vitalen Interessen hat Deutschland nicht formuliert, das macht die Sache nicht einfacher.
Sehr geehrter Herr Dieter,
Sie...
Sehr geehrter Herr Dieter,
Sie sehen ja nun, was daraus werden kann, wenn einmal jemand die „vitalen Interessen“ des Landes benennt.
Moralisierende Heuchler und bigotte Antiimperialisten bestimmen dann die öffentliche Diskussion darüber, während die Verantwortlichen feige in Deckung abwarten. Und nun wird so getan, als sei der Rücktritt aus belanglosen Gründen erfolgt. Auch das Gefühl für Anstand und Würde scheint abzunehmen.