Gestern hatten wir Gelegenheit, die Informationslehrübung („ILÜ“) des Heeres zu besichtigen. Da eine ausführliche Schau in festem Bild und (sehr) bewegtem Bild beim Kollegen Thomas Wiegold in seinem erfreulicherweise wiedererweckten Blog „Augen geradeaus“ schon zu Wochenbeginn erschienen ist, wollen wir es hier bei sechs Beobachtungen und Notizen belassen.
Für Nicht-Bundeswehrangehörige: Die ILÜ ist eine Art Leistungsschau. Sie richtet sich in erster Linie an den Führungsnachwuchs, dem einmal truppengattungsübergreifend gezeigt werden soll, was das Heer insgesamt an Waffensystemen, Gerät und Einsatzgrundsätzen hat. Vor einer Tribüne mit rund 900 (beim Gefechtsschießen am Nachmittag 600) Besuchern wurde das in einer fiktiven Einsatzlage skizziert und sozusagen in bewegten Bildern dargestellt. Das Ganze hat selbstverständlich etwas Künstliches. Wir erinnern uns, selbst vor gut zwanzig Jahren einmal bei so etwas eine Komparsenrolle eingenommen zu haben: Rauchend hinterm Busch sitzen, dann auf Zeichen im Höchstgalopp und ohne den Schlagschatten der Waldkante zu nutzen über den Acker, in Stellung gehen und lange Feuerstöße mit Platzpatronen abgeben. Aber nun von der Tribüne aus gesehen ergibt das doch ein etwas aussagefähigeres Bild als eine statische Waffenschau oder eine Parade. Und die Art, wie etwas präsentiert wird, enthält ja manchmal auch eine inhaltliche Aussage. Und schließlich das Gefechtschießen war wirklich beeindruckend – dazu unten mehr.
1. Einen rauschenden Abgang hat der Flugabwehrpanzer „Gepard“ bekommen. Erst durfte er mit einem kräftigen Feuerstoß sozusagen den Dirigenten geben, der mit dem Taktstock aufs Pult klopft. Dann wird noch einmal dargestellt, wie er im Gefecht unter Panzerschutz feindliche Hubschrauber bekämpft. Aus dem Off wird das Publikum belehrt, dass das Waffensystem bis Jahresende aus Kostengründen vorzeitig stillgelegt wird. „Das Heer gibt damit die Fähigkeit zur Abwehr von Bedrohungen aus der Luft im Einsatzverbund gepanzerter Fahrzeuge bis auf Weiteres auf.“ Das klingt doch ungeschminkter als beispielsweise die Powerpointschau der Luftwaffe, als Guttenberg zu Jahresbeginn dort seinen Antrittsbesuch machte. Da wurde ohne erkennbar mit der Wimper zu zucken unter den Fähigkeiten der Luftwaffe Combat Search and Rescue genannt (gemeint war, vor der Türe dann zu besichtigen, die betagte Bell UH1-D mit angeflanschtem Maschinengewehr).
2. Es flog nicht nur ein Kampfhubschrauber Tiger zackige Manöver, sondern auch der bisherige Panzerabwehrhubschrauber Bo-105. Dazu der Kommentar über Lautsprecher, der Bo-105 werde künftig nach Umrüstung als Unterstützung in Zusammenarbeit mit den Spezialkräften eingesetzt. Komisch: Die Umrüstung scheint Jahre zu dauern, dabei war uns einmal erklärt worden, es gehe nur darum, außen über den Kufen ein Sitzbänkchen anzuschweißen. Woran hängt’s? Fehlt noch der TÜV?
3. Der Tiger folg nicht nur, er schoss (diesmal) auch. Ob er mit den beiden Schuss HOT (Lenkrakete) auch getroffen hat, konnten wir nicht erkennen. Aber was uns aufgefallen ist: Der Hubschrauber bließ beim Schießen ziemlich lang (wir haben aber leider nicht gestoppt) unbeweglich in der Luft. Aufgrund der Beschreibungen in den Hochglanzblättchen dachten wir, der Kniff bei diesem Fluggerät mit Mastvisier sei, dass es hinter einer Deckung „stehen“ könne und zum Schuss nur kurz hochkommen müsse, um dann schnell wieder abzutauchen. Aber offensichtlich muss er – mindestens beim Übungsschießen – oben stehenbleiben.
(Bildquelle: Heer)
4. Kommentar am Vormittag, als der Kampfpanzer Leopard-2 eingeführt wird: Dieses Gefechtsfahrzeug werde sehr erfolgreich von den kanadischen und dänischen Verbündeten in Afghanistan eingesetzt. Und nachmittags beim Gefechtsschießen: Ausdrücklicher Hinweis auf eine Lehmmauer (dargestellt durch einen Sandsackwall mit übergeworfener Plane), wie sie auch in Afghanistan vorkomme. Für die angreifenden Panzergrenadiere schieße jetzt der Leopard eine Bresche. Wer es nicht genau gesehen hat, kann das Video am Bildschirm noch einmal anschauen. Was soll dem Zuschauer (also in erster Linie dem eigenen Offiziernachwuchs) dieses Bild sagen? Jedenfalls nicht, dass nun der Leo nach Afghanistan kommt oder kommen müsse, versicherte der Inspeteur des Heeres, Generalleutnant Freers, beim Pressegespräch: „Es kommt darauf an, die richtige Waffenmischung herzustellen. Ich glaube, in Afghanistan haben wir die richtige Waffenmischung erreicht.“
5. Gezeigt wurden auch der Pionierpanzer „Dachs“ und der Brückenlegepanzer „Biber“ – mit dem Kommentar, beide seien auch in Afghanistan eingesetzt. Das war uns neu. Wir wussten nur vom Bergepanzer (für die Marder).
6. Das Gefechtsschießen belegt – neben dem selbstbewussten Willen, das Gefecht der verbundenen Waffen darzustellen, worauf Wiegold zu Recht hinweist – recht eindrucksvoll das Umdenken bei der Schießausbildung infolge der Einsatzerfahrungen. Da gilt auch für die normale Infanterie nicht mehr der Grundsatz, vor der fertiggeladenen Waffe dürfe im 180-Grad-Winkel keiner mehr sein, und keine Bewegung bei roter Flagge. Klar: Wenn man Grenadiere und Jäger in Gefechte wie im Krieg schickt, muss man ihnen auch in der Schießausbildung zutrauen, diszipliniert die linke und rechte Grenze einzuhalten. Die Umstellung ist nicht vollkommen neu. Uns würde aber interessieren, inwieweit sie tatsächlich schon „unten“ angekommen und vollzogen ist.