Zur Sicherheit

Zur Sicherheit

Von den Alpen bis zum Hindukusch, von der Kieler Förde bis in den Golf von Aden: Die Kräfte der Bundeswehr sind längst über den halben Globus

Papiere (IV)

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Jetzt hat die Union ihren schwierigen Meinungsbildungsprozess abgeschlossen und auch ein Papier zur anstehenden Bundeswehrreform verabschiedet. Die "gemeinsame...

Jetzt hat die Union ihren schwierigen Meinungsbildungsprozess abgeschlossen und auch ein Papier zur anstehenden Bundeswehrreform verabschiedet. Die „gemeinsame Erklärung der Präsidien von CDU und CSU“ ist heute morgen beschlossen worden. Sie wird voraussichtlich auch die Grundlage für die Leitanträge bilden, mit denen die Parteivorstände in die Parteitage von CSU (am 30./31. Oktober) und CDU (14. bis 16. November) gehen.

Dazu drei Anmerkungen:

Politisch am wichtigsten sind die Aussagen zur Wehrpflicht („Aussetzung unter den gegebenen sicherheitspolitischen Herausforderungen“) und zum Umfang der Streitkräfte („Die künftige Truppenstärke der Bundeswehr ist so zu wählen, dass sie allen Aspekten der sicherheitspolitischen Aufgabenbeschreibung gerecht wird. CDU und CSU gehen davon aus, dass für die Bewältigung der gestellten Aufgaben eine wesentlich größere Truppenstärke erforderlich sein wird, als die bislang genannte absolute Untergrenze.“) Es ist dann aber doch etwas schwächlich, dass hier keine Konkretisierung folgt, und sei es, dass ein Korridor genannt würde.

Das Papier atmet das Bemühen, die Reformschritte als Folgerung aus der sicherheitspolitischen Lage erscheinen zu lassen und keinesfalls aus der Haushaltslage. Daher die Rede von der „Sicherheitsanalyse“. Das ändert aber nichts daran, dass diese Analyse auf dem „Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr zum Prüfauftrag aus der Kabinettsklausur von 7. Juni 2010“ fußt, vulgo „Sparklausur“ genannt. Entscheidender Satz der Kanzlerin auf der Pressekonferenz nach der Unions-Sitzung: „Das mittelfristige Finanztableau, das mit dem Verteidigungsminister ausgehandelt wurde, gilt.“ Das gelte unabhängig vom Streitkräfteumfang, der jetzt festzulegen ist.

Interessant ist die Passage zur inneren Sicherheit. Die Bundeswehrsoldaten sollen weiterhin bei Hochwasser Sandsäcke schleppen können – das passt zu der Forderung nach mehr Soldaten (oder vielmehr etwas weniger weniger Soldaten). Aber es geht nicht nur um Sandsäcke, sondern es heißt dort: „Sei es zur Hilfe bei Schnee- und Hochwasserkatastrophen oder nach Großschadens­ereignissen, sei es zum Schutz lebenswichtiger Infrastruktur vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen in Unterstützung der Kräfte der inneren Sicherheit oder sei es, wenn Bürgerinnen und Bürger sonst in Not geraten sind: Die Bundeswehr bleibt – nicht vorrangig, aber ergänzend – auch ein Instrument der inneren Sicherheit.“ Das bedeutet, die Frage einer Verfassungsänderung bleibt für die CDU/CSU auf dem Tisch, wird aber nicht ausdrücklich in diesem Papier aufgeworfen. Man wollte offensichtlich den Koalitionspartner nicht provozieren. Aber spätestens wenn es darum geht, ein neues Weißbuch vorzulegen, was angesichts dieser gewaltigen Reformvorhaben geboten wäre, spätestens dann wird die Union um diesen Konflikt nicht mehr herumkommen.

Eine vierte Anmerkung sei nachgetragen, weil sich der von den Parteipräsidien am Montag verabschiedete Text ein wenig von dem ursprünglich in diesem Blogeintrag wiedergegebenen Entwurf (die Beschlussfassung steht inzwischen auf den Internetseiten von CDU und CSU) unterscheidet. Die Unterschiede sind weitgehend redaktionell: Statt „mehr als“ 300.000 Soldaten, die bisher im Auslandseinsatz waren, sind nun zutreffender „nahezu“ 300.000 geworden. Bei den Attraktionen, mit denen der Dienst den künftigen Freiwilligen schmackhaft gemacht werden soll, ist der Erwerb des Führerscheins von der ersten Stelle der Aufzählung an die letzte Stelle gerückt – warum eigentlich?

Substantiell ist die Änderung nur an einer Stelle, wo es um die künftigen zivilen Freiwilligendienste geht. Und das hat seine Gründe. Hier hat nämlich die CSU, namentlich die frühere Generalsekretärin und heutige bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer Front gegen die Pläne von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) gemacht. Die CSU-Frau befürchtet eine Zentralisierung (in Bayern immer noch ein schwerer Vorwurf) und ein Verdrängen der bisherigen Dienste freiwilliges soziales/ökologisches Jahr durch einen (womöglich besser ausgestatteten und dotierten) neuen Bundes-Dienst. Also lohnt sich hier ein Vorher-Nachher-Vergleich:

Entwurf:

Der bisherige Zivildienst ist nicht vollständig ersetzbar. Deshalb benötigen wir ein Gesamtkonzept für freiwillige Dienste in unserer Gesellschaft. Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich künftig möglichst viele jüngere wie ältere Menschen in attraktiven Freiwilligendiensten engagieren können. Wir begrüßen daher Bestrebungen der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für einen Freiwilligen Zivildienst. Wir setzen uns nicht nur für ein neues Angebot sozialen Engagements als teilweisen Ersatz für den bisherigen Zivildienst ein, sondern wollen auch die bestehenden Freiwilligendienste der Länder stärken. Für den Aufbau tragfähiger und attraktiver Strukturen ist dabei ist eine enge Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern erforderlich.  

 Beschluss:

 Der bisherige Zivildienst ist nicht vollständig ersetzbar. Wir benötigen ein Gesamtkonzept für freiwillige Dienste in unserer Gesellschaft. Wir begrüßen, dass die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Voraussetzungen dafür schaffen will, dass sich künftig möglichst viele jüngere wie ältere Menschen in attraktiven Freiwilligendiensten engagieren können. Auch hierfür müssen attraktive Anreize geschaffen werden. Wir setzen darauf, dass die Wirtschaft dieses freiwillige Engagement und die darin erworbenen Fähigkeiten Wert schätzt. Wir setzen uns nicht nur für ein neues Angebot sozialen Engagements als teilweisen Ersatz für den bisherigen Zivildienst ein, sondern wollen auch die bestehenden Freiwilligendienste der Länder stärken. Für den Aufbau tragfähiger und attraktiver Strukturen ist dabei eine enge Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern erforderlich.

 


4 Lesermeinungen

  1. Matt sagt:

    Mir klingt noch im Ohr:

    "Für...
    Mir klingt noch im Ohr:
    „Für zwei Milliarden werde ich die Sicherheit der Bundeswehr nicht scheitern lassen“.
    Die kommende Unterfinanzierung der Truppe von 180.000 würde damit zementiert! Zum Heulen…

  2. <p>"CDU und CSU sind die...
    „CDU und CSU sind die Parteien der Bundeswehr, weil (nur?) wir davon überzeugt und bereit dazu sind, unsere freiheitliche und demokratische Ordnung zu verteidigen.“ So ähnlich hätte es auch das Neue Deutschland vor 1989 formulieren können: „Die SED ist die Partei der Nationalen Volksarmee, weil nur sie bereit ist, die Deutsche Demokratische Republik und ihre sozialistischen Errungenschaften zu verteidigen“.
    Das ständige Beschwören der „Parlamentsarmee“ also nur Makulatur? Sind die anderen vier im Parlament vertretenen Parteien also nicht mehr bereit, unsere freiheitliche und demokratische (Grund)ordnung am Hindukusch und anderswo in der Welt zu verteidigen? Um nicht politisch falsch verortet zu werden: Als ich 1970 ins Ministerium kam, wurde ich per Presseerklärung der SPD-Fraktion mit Unterschrift eines gewissen Major a.D. und MdB Alfons Pawelczyk (lief in verschlossener Gittermappe durch die Referate) darüber belehrt, daß künftig nur noch die Offiziere gefördert werden sollten, „die von der Richtigkeit der sozialdemokratischen Verteidigungspolitik überzeugt seien“. Für Andersdenken-kende hatte der Kamerad Major Trost bereit: sie könnten sich darauf verlassen, daß sie nicht in Verwendungen gelangten (oder verblieben!), die sie in Konflikt mit ihren politischen Überzeugungen brächten.
    Zugegeben: soweit geht die CDU/CSU in ihrer Erklärung nicht. Aber mir scheint, sie sendet – vielleicht in bester Absicht – die falschen Signale. Wehret den Anfängen – wußte schon Ovid.
    Ich möchte jedenfalls nicht in der Haut des Oberst iG Dr. Vad stecken, der im Bundeskanzleramt Frau Merkel in Sicherheitsfragen berät, dessen Befugnisse aber offensichtlich nicht soweit reichen, daß er derartige Entgleisungen in Präsidiumspapieren von CDU und CSU vorher Korrektur liest.
    Aber wenn die CDU und die CSU sich in besonderer Weise für die Bundeswehr verantwortlich fühlt, sollte die Kanzlerin den Mut haben, den ehemaligen Namensgeber des Jagdgeschwader 74, den Jagdflieger Werner Mölders zu rehabilitieren oder wenigstens das MGFA beauftragen, sein in Teilen grob verunglimpfendes Gutachten zu korrigieren.
    Und schließlich zum sachlichen Kern des Beschlusses: welche allgemeine Wehr“pflicht“ wird jetzt ausgesetzt? Seit man sich per Postkarte von der Wehrpflicht abmelden darf, kann von Wehr“pflicht“ doch im Ernst nicht mehr gesprochen werden. Also nicht so viel Lärm um nichts.

  3. @HerrmannHagena:

    Erich Vad...
    @HerrmannHagena:
    Erich Vad ist seit 01.07. Brigadegeneral. Macht seinen Job aber auch nicht einfacher.

  4. Was mich als langjähriges...
    Was mich als langjähriges CDU-Mitglied besonders anödet, ist, dass es um diese, erneut von nacktem Sparzwang und nicht etwa von sicherheitspolitischen Erwägungen angestossene BW-„Reform“ keine auch irgendwie geartete innerparteiliche Debatte gegeben hat. Der telegene Luftikus-Minister treibt die gesamte Union vor sich her, und weil man ihn ja wegen einer möglichen Merkel-Nachfolge nicht beschädigen darf, wird an dem elenden Beschluss einer Reduzierung und der Aussetzung der Wehrpflicht nicht mehr gerüttelt. Schreibt man deshalb eigene Abgeordnete an, bekommt man entweder keine Antwort oder eine Standard-Wischi-Waschi-Vorlage, vermutlich aus dem Ministerbüro von zu Guttenberg. Fragt man etwa, was sich binnen eines Jahres an der sicherheitspolitischen Lage so grundsätzlich geändert habe (noch am 20. Juli 2009 hatte Frau Merkel vor dem Reichstag eine hübsche Rede zur Notwendigkeit der Wehrpflicht gehalten), bekommt man auch keine Antwort. Nein, die CDU ist nicht mehr die Partei der Soldaten und der Bundeswehr, dieser einleitende Satz in der Entschließung wirkt auf mich wie Heuchelei. Geht die Entschließung auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe durch, endet eine Epoche. PS: Kann mir einer verraten, warum ich Mitte Oktober noch zu einer Wehrübung gehen soll, wenn die Wehrpflicht so total überflüssig ist?

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