Von den Leuten, die in Berlin in den Angelegenheiten deutscher Rüstungsfirmen „unterwegs“ sind, ist dieser Tage oft der verwunderte Hinweis oder auch die Klage zu hören, es sei doch ungewöhnlich, dass der Verteidigungsminister so ganz und gar unzugänglich für sie sei. Minister zu Guttenberg wird diese Nachrede gar nicht unrecht sein: Distanz zur Rüstungsindustrie ist zweifellos eher populär. Nach außen hin augenfällig hat er diese Distanz gemacht, als er im Sommer die Luftfahrtausstellung ILA mied. Jetzt hat Guttenberg sich auf der Konferenz „Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie“ des Handelsblatts, auf der er bis letzte Woche mit einer Rede angekündigt war, durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär Christian Schmidt vertreten lassen.
Doch die eigentliche Ansprache an die besagte Verteidigungsindustrie kam vom Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker. Die Tirade des GI ist notierenswert. Aus dem Notizblock:
Vor allem die Großprojekte, so Wieker, „fallen aus dem Kostenrahmen, fallen aus dem Zeitrahmen und sind bei Einführung häufig nicht bedrohungsgerecht“. Der General wollte das nicht als Generalanklage gegen die Rüstungsindustrie verstanden wissen – schließlich gehöre er selbst „zum System“ und trage Verantwortung für frühere Fehlentscheidungen. Auch funktioniere es bei vielen kleinen oder mittleren Aufträgen vorbildlich. „Insgesamt ist es aber als Ergebnis inakzeptabel. Hierfür tragen wir als Bundeswehr, aber auch Sie als Auftragnehmer in der Wirtschaft anteilig gleichermaßen die Verantwortung.“ Gründe für den Misstand sieht der General in undurchsichtigen Prozessen, Partikularinteressen, „hohen Bindungsständen“.
Was ist also zu tun? „Wir brauchen Verfahren und Strategien, die den Einsatzbedarf rascher und zielgerichteter decken und finanziellen Spielraum, um sie auch realisieren zu können.“ Das richtete sich nach innen, an die Strukturen der Bundeswehr und in dem zweiten Halbsatz vor allem an die Politik – wir interpretieren: an den Haushaltssouverän.
Aber das Folgende ging direkt an die Industrie: „Zeitlich und finanziell aufwendige Entwicklungen sind nur zu rechtfertigen, wenn es keine marktverfügbaren Produkte gibt. Natürlich ist die Bundeswehr am Erhalt einer wehrtechnischen Industrie interessiert, wenn sie relevante Rüstungsgüter erzeugt. Die Güter, die wir benötigen, müssen durch Modularität, standardisierte Schnittstellen und Aufwuchspotential gekennzeichnet sein, um Kompatibilität zu gewährleisten. Hier bauen wir auch in Zukunft auf eine belastbare Partnerschaft. Das bedeutet aber auch die Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Rüstungsgütern zu akzeptablen Preisen und zum vereinbarten Zeitpunkt sowie die zeitgerechte Reaktion auf veränderten Bedarf und die Bereitschaft, sich auch auf kleinere Anpassungsentwicklungen einzulassen. Ich bin überzeugt, dass wir hier gemeinsam besser, schneller und insgesamt effizienter werden können und müssen, und das trotz begrenzter Mittel, wenn es gelingt, die Schwerpunkte richtig zu setzen.“ Als der ehemalige General und Landesminister Jörg Schönbohm später anmerkte, es gebe Länder, die machten einen „Dreisprung“ statt eines „Weitsprungs“, erläuterte Wieker dann noch mit Zahlen, wie er das mit der Modularität meine (70 bis 80 Prozent des Fähigkeitsprofils der Anforderung – aber mit Potential) und mit einer architektonisch-zoologischen Metapher (stufenweises Vorgehen statt eierlegender Wollmilchsau).