Ein weiterer Schuss im Scharmützel zwischen Verteidigungs- und Außenministerium über die Formulierung der deutschen Abzugsperspektive aus Afghanistan: Die Verteidiger sehen noch keinen Abzug dieses Jahr. In einem Begleittext des BMVg zu dem sogenannten Fortschrittsbericht der Bundesregierung heißt es:
„Ziel der Bundesregierung ist es, 2011 auch im deutschen Verantwortungsbereich im Norden den Übergabeprozess einzuleiten. Dies wird nicht sofort zu einem Abzug von Soldaten führen, dafür aber eine klare Perspektive ab 2012 eröffnen.“
Das lädt ein zu Kreml-Astrologie: Der Bericht stammt aus dem Dezember. Federführend war das AA, aber der Bericht ist einer der gesamten Regierung. Warum stellt ihn das BMVg jetzt (Freitag, 7.1.) mit dieser Zusammenfassung auf der eigenen Homepage ein? Ist das eine Reaktion auf die jüngste Aussage des Außenministers als FDP-Vorsitzender in Stuttgart?
Wir erinnern uns: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte im Dezember im Bundestag die Zuversicht bekundet, schon Ende dieses Jahres mit einer Reduzierung des deutschen Kontingentes beginnen zu können. Das war in der Regierungserklärung zu dem Fortschrittsbericht. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sprach damals nicht. Aber im Fernsehen hat er das dann fast unumwunden kritisiert und vor einem Abzug „Hals über Kopf“ gewarnt: „Ich kann für mich oder die Bundesregierung nicht verantworten, verbleibende Soldaten zu gefährden, bloß weil man einer gewissen Sache nachkommen will, die man behauptet hat.“ Kanzlerin Angela Merkel lavierte. Wir haben das an anderer Stelle einmal zusammengefasst. Gestern hat dann Westerwelle in seiner Dreikönigsansprache gesagt: „Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können, und wird dabei jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden.“ Wohlgemerkt: „Die Bundesregierung“ – nicht wie noch in der Regierungserklärung „ich“ (obwohl er doch damals als zuständiger Minister gesprochen hatte und jetzt als Parteipolitiker, was eigentlich eine umgekehrte Verteilung der Personalpronomina nahegelegt hätte).
Für die Lage „am Boden“ ist dieses unwürdige Gezerre kaum von Bedeutung. Ganz gewiss könnte man im Dezember 2011 ebensogut oder ebensoschlecht wie im Februar 2012 fünfzig oder hundert Mann aus Mazar herauslösen. Entscheidend sind die Frühjahrskampagnen. Unsere astrologische Vorhersage: In diesem Jahr wird die bislang virtuelle Reserve von 350 Mann aktiviert und zum Jahresende dann – Exit! Exit! – wieder gestrichen.
Man beachte jedenfalls die Sätze, die die zitierte Passage auf der Verteidigungs-Homepage rahmen:
„Die internationale Präsenz in Afghanistan wird sich in den Jahren 2011 bis 2014 also entscheidend verändern. … Afghanistan bleibt für die Staatengemeinschaft aber auch nach dem Abzug ihrer Kampftruppen eine langfristige Aufgabe.“