Was lange währt … Gut zwei Monate nach Beginn des Awacs-Einsatzes der Nato über Afghanistan hat jetzt die Bundesregierung den Bundestagsfraktionen einen Mandatsentwurf für eine deutsche Beteiligung zugeleitet. Hatte man anfangs noch mit bis zu 100 Personen geplant, beläuft sich die Obergrenze jetzt auf bis zu 300 Mann.
Unten dokumentieren wir den Mandatstext, wie er heute den Fraktionen zugegangen ist. Morgen soll das Kabinett den entsprechenden Beschluss fassen, dann geht es gleich in den Bundestag, und am Freitag ist schon die Beschlussfassung nach zweiter und dritter Lesung geplant.
Eine Anmerkung dazu: Da das Ganze so umgesetzt werden soll, dass die Obergrenze des eigentlichen Isaf-Mandates, das im Januar beschlossen worden ist, nicht überschritten werden soll (5000 Soldaten plus 350 Reserve), gibt es eigentlich keinen Grund, warum die Awacs überhaupt gesondert mandatiert werden. Sowohl bei den Aufgaben des Isaf-Mandats (Unterstützung der Regierung, Sicherung des Arbeitsumfelds, Mitwirkung an der Führung) als auch bei den Kräften (Aufklärung und Überwachung, Führung, Führungsunterstützung) wären Anknüpfungspunkte zu finden. Überhaupt ist nicht einzusehen, warum im Mandat dermaßen detailliert aufgeführt werden sollte, welche Waffen beziehungsweise Systeme eingesetzt werden. Das ist ein Ausfluss überbordender Interpretation der Parlamentsbeteiligung – und, schlimmer noch, ein Schutzschild einer zaudernden Regierung, die im Januar sich gegenüber den Alliierten hinter die fadenscheinige Begründung zurückgezogen hat, sie könne bei Awacs nicht mitmachen, weil ja kein Bundestagsmandat dafür existiere. Wenigstens dafür, diesen Zustand zu beseitigen, war das neuerliche Hickhack um Libyen gut (siehe unseren vorherigen Eintrag).
(Entwurf der Bundesregierung:)
Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) vom 13. Oktober 2010 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
- 1. Der Deutsche Bundestag stimmt der von der Bundesregierung am 23. März 2011 beschlossenen Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der NATO-geführten Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) zu.
- 2. Der Einsatz erfolgt im Rahmen der Implementierung des Beschlusses des Nordatlantikrats vom 12. Juni 2009,
- 3. sowie auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006, 1776 (2007) vom 19. September 2007, 1833 (2008) vom 22. September 2008, 1890 (2009) vom 8. Oktober 2009 sowie 1943 (2010) vom 13. Oktober 2010 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 des Grundgesetzes.
- 4. Regelungen und Zusagen
Es gelten für diesen Einsatz neben den in diesem Antrag aufgeführten Regelungen die des ISAF Mandates des Deutschen Bundestages (BT-Drucksache 17/4402 vom
13. Januar 2011).
- 5. Auftrag
Die Bundeswehr wirkt an der luftgestützten Koordinierung im afghanischen Luftraum mit. Dazu gehören:
- – Erstellung eines Luftlagebildes, einschließlich dessen Bereitstellung für zivile und militärische Luftraumnutzer;
- – Unterstützung bei der Durchführung von Operationen ISAF-geführter Bodenkräfte;
- – Entflechtung von Luftverkehrsbewegungen, einschließlich der Koordinierung des militärischen Luftverkehrs unter Berücksichtigung ziviler Nutzer im afghanischen Luftraum;
- – Koordinierung von Luftbetankung für militärische Luftraumnutzer;
- – Relaisfunktion für Kommunikations- und Datenaustausch für militärische Nutzer.
- 6. Dauer
Das Mandat läuft bis zum 31. Januar 2012 und gilt nur, solange eine Ermächtigung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vorliegt.
- 7. Einzusetzende Kräfte und Fähigkeiten
Die Bundeswehr stellt ihren Anteil an den Fähigkeiten des NATO-AWACS Verbandes zur luftgestützten Luftraumüberwachung und -koordinierung bereit.
- 8. Einsatzgebiet
In Ergänzung zu BT-Drucksache 17/4402 können die deutschen Soldatinnen und Soldaten bei NATO-AWACS im gesamten Verantwortungsbereich von ISAF eingesetzt werden. Die Stationierung der Luftfahrzeuge erfolgt zunächst außerhalb des ISAF Verantwortungsbereichs, dabei werden zur Sicherstellung des Einsatzes auch Zwischenlandungen im Einsatzgebiet durchgeführt. Zur Durchführung und Unterstützung des NATO-AWACS Einsatzes kann auch außerhalb des ISAF Einsatzgebietes deutsches Personal eingesetzt werden.
- 9. Personaleinsatz
In Ergänzung zu BT-Drucksache 17/4402 können zur Durchführung und Unterstützung des NATO-AWACS Einsatzes bis zu 300 deutsche Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden.
Daneben werden deutsche Soldatinnen und Soldaten, die der Führung und Unterstützung des NATO-AWACS Einsatz dienen, im NAEW Verband Geilenkirchen und im NAEW Force Command in Mons (BEL), eingesetzt.
- 10. Kosten
Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen von ISAF bis zum 31. Januar 2012 mit bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten werden sich auf insgesamt rund 8,8 Mio. € belaufen. Hiervon entfallen auf das Haushaltsjahr 2011 rund 7,9 Mio. € sowie auf das Haushaltsjahr 2012 rund 0,9 Mio. €. Die Finanzierung der einsatzbedingten Zusatzausgaben im Einzelplan 14 wird im Haushaltsjahr 2011 im Haushaltsvollzug sichergestellt. Für das Jahr 2012 wird im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2012 entsprechend Vorsorge getroffen.
Begründung:
Auf der Grundlage des Beschlusses des Nordatlantikrats vom 12. Juni 2009 hat der Einsatz von NATO-AWACS zur Unterstützung ISAF am 15. Januar 2011 begonnen. Dies erfolgte angesichts des steigenden Aufkommens von Luftraumnutzern über Afghanistan und zur Unterstützung der neuen ISAF Strategie unter Berücksichtigung der derzeit noch unzureichenden Möglichkeiten zur Luftraumüberwachung und -koordinierung.
NATO-AWACS Flugzeuge sollen die Koordinierung des militärischen Flugverkehrs unter Berücksichtigung ziviler Nutzer sowie Aufgaben zur Unterstützung von ISAF geführten Bodenkräften übernehmen.
Dazu erfassen sie Flugbewegungen im afghanischen Luftraum, stellen diese dar und identifizieren Luftfahrzeuge. Die Nutzung der NATO-AWACS als Kommunikations- und Datenaustauschplattform unterstützt die ISAF Operationsführung und dient auch der Koordinierung des gesamten Luftverkehrs. Soweit dabei auch OEF-Einheiten einbezogen werden, liegt dies im Rahmen der zulässigen und vom Sicherheitsrat wiederholt eingeforderten Kooperation der beiden Operationen. Diese Kooperation nützt in erster Linie ISAF. Die NATO-AWACS verfügen weder über die Fähigkeit zur Bodenaufklärung, noch haben sie eine Feuerleitfähigkeit für Luft-Bodeneinsätze. Die NATO-AWACS haben nicht die Aufgabe, geplante OEF Luftoperationen zu koordinieren oder zu führen. Die wechselseitige Nothilfe zwischen Einheiten der beiden Operationen bleibt zulässig.
Durch den Einsatz von NATO-AWACS wird die Implementierung der neuen ISAF-Strategie, die aufbauend auf den Konzepten des Partnering und Mentoring eine stärkere Präsenz in der Fläche vorsieht, unterstützt. Vor dem Hintergrund einer andauernd hohen Operationsdichte wird durch den Einsatz von NATO-AWACS das Lagebild für die Operationsführung der ISAF und der afghanischen Sicherheitskräfte verdichtet und die Reaktionszeit zur Unterstützung von Truppen, auch in Gefechtssituationen, durch Luftunterstützungsoperationen sowie Luftrettungsoperationen (MedEvac) erheblich verkürzt sowie die Sicherheit ziviler und militärischer Flugbewegungen rund um die Uhr gewährleistet. Damit unterstützt der Einsatz der NATO-AWACS wirksam den Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte, ermöglicht diesen, ihre Verantwortung in diesem Prozess wahrzunehmen und dient insbesondere auch dem Schutz unserer eigenen Soldatinnen und Soldaten sowie dem Schutz der afghanischen Bevölkerung. Darüber hinaus trägt er durch die Koordinierung des militärischen Luftverkehrs unter Berücksichtigung der zivilen Luftraumnutzer insgesamt zur Erhöhung der Flugsicherheit über Afghanistan bei.
Es ist beabsichtigt, die NATO-AWACS zunächst weiterhin von Konya (Türkei) aus einzusetzen, dabei werden zur Sicherstellung des Einsatzes auch Zwischenlandungen im Einsatzgebiet durchgeführt. In Abhängigkeit von den Ergebnissen weiterer Stationierungsüberlegungen durch die NATO ist nach Abschluss eines entsprechenden Stationierungsabkommens die Verlegung an einen anderen Stationierungsort möglich.
Die Wahrnehmung der Aufgaben durch NATO-AWACS ist auf das Einsatzgebiet Afghanistan begrenzt.
Die Bundesregierung setzt sich parallel für einen Aufbau afghanischer Kapazitäten in der zivilen Luftverkehrskontrolle ein, um die strukturellen Mängel langfristig zu beheben und die Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft zu verringern. Die Bundesregierung fördert den Aufbau eines satellitengestützten zivilen Überwachungssystems für den afghanischen Luftraum (Projektlaufzeit 2009-2011) und hat ein Expertenteam damit beauftragt, Afghanistan bei der Umsetzung des International Civil Aviation Organization (ICAO)-Regelwerks zu unterstützen. Die Bundesregierung engagiert sich darüber hinaus im Bereich der Ausbildung von Fluglotsen, Sicherheitskräften und Managementpersonal. In der zweiten Jahreshälfte 2011 wird mit der Errichtung einer Akademie für Zivilluftfahrt begonnen. Der 2009 in Kooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten begonnene Aus- und Umbau des zivilen Flughafens Mazar-e-Sharif soll 2011 abgeschlossen werden. Die Rehabilitierung des Flughafens Uruzgan, die gemeinsam mit den Niederlanden erfolgt, steht kurz vor dem Beginn.
Die Obergrenze für die insgesamt im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes einzusetzenden Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bleibt dabei unverändert bei 5.350. Die Bundesregierung wird deshalb auf die im Antrag der Bundesregierung vom 13.01.2011 (Bundestags-Drucksache 17/4402) zur Fortsetzung des deutschen Beitrags zum ISAF-Einsatz genannte flexible Reserve in einem Umfang nicht mehr zurückgreifen, der dem tatsächlichen Umfang des Personaleinsatzes für NATO-AWACS entspricht. Das vorliegende Mandat soll bis zum 31. Januar 2012 befristet sein, um über eine mögliche Fortsetzung im Zusammenhang mit einer Fortschreibung des Bundestagsmandats für die Beteiligung an ISAF zu entscheiden.
Die maximal grössten,...
Die maximal grössten, schwebenden und bemannten Feigenblätter der neueren Weltgeschichte, diese German-AWACS-Wings. Dienend zur Kaschierung von andernorts dringend benötigter, aber nicht gewollten, nicht stattgehabten, außenpolitischen Dezisionen.
Da kann man mal sehen, wie...
Da kann man mal sehen, wie sich in Afghanistan die Lage seit Januar offenbar entscheidend verändert hat. Das Auftreten der Bundesregierung ist gegenwärtig nur noch als peinlich zu bezeichnen.
Mit Blick auf die anstehende Bundeswehrreform wird angestrebt, sich stärker als bisher um eine militärische Aufgabenteilung im Bündnis und in der EU zu bemühen. Das kann in der Tat kostensparend sein, denn wer wird sich angesichts einschlägiger Erfahrungen mit deutschen Positionen noch auf Fähigkeiten der Bundeswehr verlassen wollen.
Im Nachgang zum...
Im Nachgang zum Abstimmungsverhalten Deutschlands im UN-Sicherheitsrat und in der Folge zu der mehr als fadenscheinige Begründung des AWACS-Einsatzes in Afghanistan sei noch auf einen, nachstehend näher ausgeführten, Blickpunkt hingewiesen. Ergänzend auch in Erinnerung gerufen in Zusammenhang mit dem letzten Blogthema „Libyen“ die Ausführungen von Herrn Prof. Reinhardt Merkel zur Legitimität des Aufstandes gegen Col. M.Gaddafi und des Eingreifens der agierenden Mächte im Rahmen der letzten UN-Sicherheits-Resolution.
Ein anderer Völkerrechtler, der Bonner Professor Matthias Herdegen, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Universität Bonn, äussert eine vernichtenden Kritik an der Entscheidung der deutschen Regierung, diese geführt von Frau Dr. A. Merkel und dem Außenminister, Herrn Dr. G. Westerwelle, in einem Interview des heutigen Bonner General Anzeiger. Er führt aus, daß das moderne Völkerrecht durchaus unter bestimmten Kautelen ein Interventionsrecht in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten zulässt. Unter gleichzeitiger Revision der Kant´schen Ächtung des Interventionsverbotes.
Es wären ausserdem zwei unterschiedlich zu beurteilende Sphären unzulässiger-weise vermischt worden, nämlich die Abstimmung zur UN-Resolution mit der eines möglichen Militäreinsatzes.
@Plindos: also bitte, Sie...
@Plindos: also bitte, Sie halten Merkel und Westerwelle doch wohl nicht für so doof (oder auch nur für mit soviel Muße behaftet), daß die erst noch völkerrechtliche Gutachten in Auftrag geben, bevor sie handeln. Sie müssen sich grob auf ihr Bauchgefühl zum Völkerrecht der letzten 100 Jahre verlassen. Die Situation ist da, man muß mit ihr umgehen – mit den divergierenden Einschätzungen und Handlungsoptionen.
colorcraze@. Meine Beste! So...
colorcraze@. Meine Beste! So schnell halte ich niemanden für „doof“, schon garnicht in der Öffentlichkeit. Aber natürlich sollten die beiden Akteure genau das tun, nämlch die Rechtslage von allen Seiten untersuchen lassen auch, wenn es um eine eminent politische Frage geht, die militärisches Handeln auslösen kann. Wofür halten die sich eigentlich sonst die vielen und so teuer bezahlten und beamteten Regierungsstäbe? Ausserdem ist der gesamte Sachverhalt noch wesentlich kompetenteren Menschen als mir aufgestoßen. S. Link zur heutigen FAZ.
Dem sog. Bauchgefühl stehe ich in solchen Fragen sehr mißtrauisch gegenüber, es geht immerhin um Leben und Tod innerhalb von Nationen, da sollte so rational wie es nur irgend geht vorgegangen werden. https://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF840F23C9CBCBED2C/Doc~EA77B42E906554EFA85768A0737C3A9F1~ATpl~Ecommon~Scontent.html
@Plindos: mit Rationalität...
@Plindos: mit Rationalität kann man nicht entscheiden, wenn man 2 rationale Möglichkeiten hat.
colorcraze@: Da ich mich seit...
colorcraze@: Da ich mich seit etwa 6 Wochen in Eigennachhilfe mit mathematischen zu betrachtenden Wahrscheinlichkeiten beschäftige, führt dies nolens volens auch zu unserem Dissens. Es „geht wahrscheinlich“ unter Umständen zur Entscheidungs-findung auch ohne Einschaltung des Bauches, dafür aber mit der etwas höher angesiedelten Etage. Wobei ich jetzt nicht die, seit den 60igern, so berühmt-berüchtigten think tanks meine. Eine andere Sache war das berühmte „Küchenkabinett“ von Golda Meir. Die Dame war m. E. sehr rational vorgegangen und konnte die Optionen (politischer und militärischer Art) durchaus gekonnt gegeneinander abwägen. Instinktentscheidungen allerdings haben oft etwas
mit Einübung zu tun, die in Automatismen übergeben. Ausserdem: In all dem bin ich blutiger Laie.
MfG.
https://de.wikipedia.org/wiki/Entscheidungstheorie
@Plindos: "dafür aber mit der...
@Plindos: „dafür aber mit der etwas höher angesiedelten Etage“ – genau, genau, das meinte ich. Ich denke, Rationalität ist so eine Art Nadelöhr, wo die Entscheidung durchpassen muß (z.B. wenn kein Holz da ist und keins besorgt werden kann, darf man Holz nicht brauchen wollen), aber bloße Vernunft ist zuwenig.