Anbei ein Agenturbericht über ein Rüstungs-Symposium in Hamburg. Dazu drei Anmerkungen:
„185.000 Soldaten eine Höchstzahl“, sagt der Parlamentarische Staatssekretär Kossendey. Das ist eine hübsche Umschreibung für „es werden weniger“. Wieviel weniger? Das „Handelsblatt“ hat jetzt die Zahl 145.000 ins Spiel gebracht. Das dürfte eine neue Runde in dem Spiel sein, das im letzten Jahr schon der Minister zu Guttenberg gespielt hatte, nämlich das Publikum mit einer Zahl zu erschrecken, um am Ende mehr Geld zu bekommen. Guttenberg war damit nur begrenzt erfolgreich.
Dass die Bundesregierung die Rüstungsindustrie offen auffordert, auf Export zu setzen, weil die Bundeswehr immer weniger Forschung und Entwicklung finanzieren kann, grenzt an eine Bankrotterklärung. Aber im Grunde ist das ja auch genau der Punkt.
Dass die Rüstungsindustrie im Gegenzug verlangt, dass die Regierung den Export auch fördern soll, ist nur konsequent. Vom US-Markt ist die Rede. Aber unausgesprochen dürfte es vor allem um wachsende Rüstungsmärkte in solchen Gegenden gehen, für die eigentlich Rüstungsexportbeschränkungen gelten. Diesen Punkt sollte man ernst nehmen: Ist Aufrüstung in Krisengebieten wirklich in Deutschlands Sicherheitsinteresse?
Rüstungsindustrie besorgt über Bundeswehrreform
– Auf dem Wehrtechnischen Dialog in Hamburg fordern
Industrievertreter mehr Planungssicherheit — Von Patrick von Krienke — =
Hamburg (dapd). Die norddeutsche Rüstungsindustrie zeigt sich
besorgt über die anstehende Bundeswehrreform. „Das Modell für eine
reformierte Bundeswehr ist für mich bisher nicht schlüssig“, sagte
der Vorsitzende des Arbeitskreises Wehrtechnik Schleswig-Holstein,
Dieter Hanel, auf einem Symposium „Bundeswehr und Wehrtechnik“ am
Donnerstag in Hamburg. Vor allem die unklaren Umfangszahlen und die
noch nicht festgelegten Einsatz- und Ausrüstungsanforderungen
sorgten für Unsicherheit in der Industrie.
An dem Fachsymposium in der Helmut-Schmidt-Universität, dass
durch den Arbeitskreis Wehrtechnik Schleswig-Holstein veranstaltet
wurde, nahmen 120 Fachleute aus Politik, Rüstungswirtschaft und
Militär teil. In den Niedersachsen, Bremen, Hamburg,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern arbeiten den Angaben
zufolge rund 15.000 Menschen in 68 Rüstungsbetrieben.
Der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium,
Thomas Kossendey, räumte ein, dass die Reform hinter ihrem Zeitplan
hinterherhinke. „Wesentliche Bestimmungsfaktoren für die materielle
Ausstattung unserer Streitkräfte sind noch offen“, sagte der
CDU-Politiker. Daher sei frühestens im Herbst mit der
Veröffentlichung von Standortentscheidungen zu rechnen.
Vorher sollen noch neue verteidigungspolitische Richtlinien als
neues Grundlagendokument für die deutschen Streitkräfte
verabschiedet werden, wie Kossendey erklärte. Klar sei, dass der
Kabinettsbeschluss für eine Gesamtstärke der Bundeswehr von 185.000
Soldaten eine Höchstzahl darstelle. Ende Mai werde eine Zahl
vorlegt, die sicherheitspolitisch verantwortbar sei. „Wir werden auf
manches Liebgewordene verzichten können“, dennoch sollten aus
Attraktivitätsgründen möglichst wenig Standorte geschlossen werden.
Kossendey betonte zudem, dass sich die deutsche Rüstungsindustrie
noch stärker auf den Export in den europäischen und zum Teil auch in
den außereuropäischen Raum stützen müsse, da Entwicklung und
Forschung im wehrtechnischen Bereich immer weniger durch die
Bundesregierung unter dem „Haushaltstitel 14″ finanziert werden
könnten. Bereits heute realisiere die Rüstungsindustrie rund 70
Prozent ihrer Umsätze im Export. Deutschland gehöre damit zu den
größten Rüstungsexporteuren weltweit.
Zwtl: Wirtschaft fordert Exportunterstützung
Industrievertreter Reinhard Kuhlmann von Thyssen Krupp Marine
Systems forderte dagegen vor allem mehr Unterstützung durch die
Bundesregierung für die wehrtechnische Industrie. „Wir als
Arbeitgeber und Innovatoren haben einen Anspruch auf entsprechende
Rahmenbedingungen“, betonte Kuhlmann. Ohne einen Heimatmarkt sei
keine eigene Entwicklung mehr möglich.
So sei es nicht nur notwendig, dass die Bundeswehr Rüstungsgüter
in entsprechender Stückzahl abnehme, sondern auch ausreichend
Exportunterstützung leiste. „Andere Länder wollen nicht nur deutsche
Plattformen erwerben, sondern auch gleichzeitig von der Bundeswehr
an diesem Gerät technisch und operativ ausgebildet werden“, sagte
Kuhlmann. Auch sei es notwendig, dass die Bundesregierung die
Rüstungsexporte stärker unterstütze. Vor allem der Zugang auf den
US-amerikanischen Markt sei für deutsche Rüstungsfirmen ein
wichtiges Anliegen. Wer Innovation nicht unterstütze, vernichte auf
lange Sicht Autonomie und Arbeitsplätze, betonte Kuhlmann.
Andererseits räumte Kuhlmann ein, dass sich die Industrie „nicht
immer mit Ruhm bekleckert“ habe. Vor allem teure und schlecht
projektierte Rüstungsprojekte wie der Transporthelikopter NH90
hatten in den vergangenen Jahren für Kritik gesorgt. In diesem
Zusammenhang versprach Kuhlmann, im Einsatz erkannte
Ausrüstungsmängel schneller zu beheben. Gleichzeitig müssten auch
die militärischen Zertifizierungsstrukturen gestrafft werden. Einig
waren sich die Podiumsteilnehmer, dass der Einsatz in Afghanistan
nicht das einzige Muster für die aktuelle Ausrüstung der
Streitkräfte sein dürfte.
Wäre es auch Wahnsinn, so...
Wäre es auch Wahnsinn, so könnte es doch Methode haben: In 5, 10 oder 20 Jahren hätten wir dann ein Pfand, wenn es im internationale Rüstungskontrolle der konventionellen Waffen gehen dürfte. Einer, der selber keinen Rüstungsexport hat, den er beschränken kann, steht schlecht da als Verhandlungspartner mit solchen, welche viel solchen haben … .
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„Ohne einen Heimatmarkt sei keine eigene Entwicklung mehr möglich.“ Sehen wir nicht so. Wer jung genug ist, meint es möglicherweise besser so zu wissen: Der Weltmarkt ist der Heimatmarkt.
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(Alles andere wird der Zukunft zu eng: Es braucht keinen Heimatmarkt, wenn ich dem Weltmarkt die Produkte entwickle, die er mir aus den Händen reißt. OK, die deutschen Rüstungsfirmen waren früher eher nicht so.)
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Nachtrag: Es gilt das Gewaltmonopol des Staates. Je enger Staaten zusammenwachsen, desto weniger konventionele Landesverteidigung braucht es auch. Oder ggfls. noch anders: Rüstungsexporte können auch das friedliche Zusammenwachsen der Völker, zivilen Handel und Wandel verlangsamen.(Provokant formuliert: Die Welt wäre heute beser dran, ohne unsere Waffen in Gadafis Händen, nicht wahr? Darum auch bleibt das Primat der Politik, die Gesamtverantwortung der Kanzlerschaft.)
Zu den überkommenen...
Zu den überkommenen Sprichworten, welches heute wohl auch dekonstruiert gehört, gehört ganz sicherlich das gute alte : „Und dennoch muss Karthago zerstört werden.“
Wir wissen, Karthago, das war eine blühende, mächtige Stadt in Nordafrika. Und der das sagte war ein junger und aufstrebender Römer und wortgewaltiger Wahrheitsverdreher, der sich mehr in seiner Kunst gefiel, als darin, Verantwortung zu übernehmen.
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Und als er es lange genug gesagt hatte, machten sich die Römer auf, seine Worte zu erfüllen, weil sie sie lange genug gehört hatten.
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Man stelle sich aber die Möglichkeit von Gemeinsamkeit vor: Rom !und Karthago machen zusammen Marktwirtschaft, friedlichen Wettstreit im Fortschritt um mehr gemeinsamen Wohlstand rund ums Mittelmeer und auf der Welt. („und“ statt „aber“, „zusammen“ statt „an Stelle von“ (und alleine).
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Und darum darf nie wieder ein Karthago zerstört werden!
Es drängt sich mir folgendes...
Es drängt sich mir folgendes Bild als Zukunftsszenario für die BW auf:
1. Nach dem Beschuß zur „passenden“ Stornierung der Wehrpflicht verfügt Deutschland in Zukunft nur noch über eine Art Betriebskampftruppe ohne Verbundwaffen (weil die nötige Kohle zum Unterhalt/Ersatz anderweitig für die Schirmindustrie benötigt wird?). Diese BKT wird nur in der 2. Linie als Supporter für ev. auswärtige Konflikte benötigt. Falls überhaupt.
2. Deutschland, nach wie vor noch Spitzentechnologie auch in der Wehrtechnik entwickelnd und liefernd, wird zunehmend eine Art rein exportorientierter global military equipment manufacturer.
Hoffentlich bleibt das engere und weitere Umfeld auch weiterhin so friedlich, auf daß wir nicht womöglich mit den Eigenprodukten eines Tages in feindlicher Absicht behelligt werden.
Sorry, natürlich war...
Sorry, natürlich war „Beschluß“ gemeint.
Lieber perfekt!57@:
Ansonsten, mal sehen wessen Argument vor der Geschichte mehr Stich hält:
Mansueta tutiora sunt, sed serviunt. Publil.Syr.M65
(Wer Frieden will, tauscht Freiheit gegen Sicherheit. )
Der kalte Krieg ist vorbei....
Der kalte Krieg ist vorbei. Deutschland kann nicht mehr bei jedem Rüstungsprodukt das Rad neu erfinden. Man muß mit dem Geld der Steuerzahler pfleglich umgehen. Trotzdem sollte man nicht einfach alles verfallen lassen.
Ob die Schuld von Verzögerungen und Pannen bei Rüstungsprojekten eher bei der Industrie (Verzögerungen, Qualitätsmängel) oder dem Auftraggeber (unrealisierbare oder ständig veränderte Anforderungen, schleppende oder realitätsfremd spitzfindige Abnahme, Unterfinanzierung) liegt, ist für Nicht-Insider schwer zu entscheiden. Vielleicht ist das „Entgleisen“ einiger Projekte politisch gewünscht, um sie diskret abbrechen zu können.
Einige Impressionen:
Eurofighter Typhoon, deutsch: Ist er inzwischen robust und zuverlässig einsetzbar? Nacht/Allwetter? Sind realistische, international konkurrenzfähige
Waffensysteme implementiert? Wann kommt in Stückzahlen ein AESA-Radar, ohne das kein modernes Kampfflugzeug mehr konkurrenzfähig (oder absetzbar) ist?
Kampfhubschrauber Tiger, deutsch: Wann ist er endlich richtig flugfähig? Welche Bewaffnung erhält er für welchen Zweck? Der französische hat eine frei schwenkbare MK, mit der er sich bei den Taliban recht unbeliebt gemacht hat. Warum ist diese Option (wohl kaum ein schwer lösbares High-Tech-Unterfangen) für die Bundeswehr nicht verfügbar? Wollen wir wieder wehrlose Gutmenschen spielen?
Zumindest einige wichtige Schlüsselprojekte, deren Basisgerät gut und modern ist (Leo II, PzH 2000,…) sollten abgeschlossen bzw. gepflegt und aktuell gehalten werden. Natürlich nicht mehr in Kalt-Kriegs-Stückzahlen, aber auch nicht in lächerlichen Mini-Mengen. Export wird stark erleichtert, wenn es attraktive, im eigenen Land implementierte Lösungen gibt.
Hier ist kostenbewußtes, zielorientiertes Projektmanagement, das Setzen realisierbarer Ziele und das Zusammenwirken mit kompetenten industriellen Partnern gefragt.
Unternehmen, die hier gut mitwirken, sollten durch Beschaffungsaufträge und Exportchancen in nicht allzu problematische Länder belohnt werden. Für reine Subventionen ist die Zeit dagegen vorbei.
@perfect: ich verstehe Ihre...
@perfect: ich verstehe Ihre Gedankenwelt nicht. Markt ist für die Marktteilnehmer ein zäher Kampf ums Überleben, in dem man sich z.B. durch Größe Vorteile verschafft. Und ab und an tritt die akute Konkurrenz ein, und dann heißt es entweder ich oder du. Das hat ein offener Markt so an sich. Und dann wird Karthago eben zerstört, weil es Rom im Weg ist.
@plindos: die Vorstellung, daß die von begeisterten Ingenieuren und fleißigen Verkäufern in jeden Schrank der Welt verbrachten Waffen uns dann an den Kopf gehalten werden, während unser Schrank nichtmal Rattengift enthält und wir nichtmal Leute haben, die mit den fleißig verkauften Sächelchen umgehen können, treibt mich, gelinde gesagt, in einen Wutanfall.
Und wir dachten, unsere...
Und wir dachten, unsere Gedankenwelt wäre die Allgemeine: Kooperation, und wäre es eine Begrenzte, führte am Ende immer weiter als pure konkurrenz.
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Märkte an sich sind ja oft, schon rein phänomenologisch, in der Regel das beste Beispel: Auch wenn ie Akteure das gar nicht nicht vorhaben, endet es im doch Oligopol.
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Und ja: Rom und Karthago das bedeutet Anstrengung, geschieht nicht leicht. Ist und bleibt Herausforderung für viele Männer: Ist zivilisatorischer Fortschritt. (Tot machen und mich an dessen Stelle setzen ist leicht.)
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Die Forderung, dass nie wieder ein Karthago zerstört werden darf, eben vor allem eines: Zivilisation pur.
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(Und wir wollten es nur gesagt haben, nicht uns selber loben.)
(Und wir wollten es nur gesagt...
(Und wir wollten es nur gesagt haben, nicht uns selber loben.)
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Wir bitten diesen Satz zu löschen, falls möglich, er ist mehr als überflüsig.
@perfect: ja, im Oligopol. Und...
@perfect: ja, im Oligopol. Und dann Monopol. Und wenn Sie kein Oligopol und kein Monopol wollen, sondern Markt, was dann? Dann müssen Sie eine Instanz haben, die die zerschlägt. Aber man will keine Instanzen mehr, die für einen geordneten Rahmen sorgen. Na dann, Mafia ahoi.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/brandenburg/die-einschnitte-sind-zu-radikal/4022970.html
Kooperation führt unterm...
Kooperation führt unterm Strich sicher weiter, ist aber oft teurer. (EADS)
Aber das ist es eben – entweder man entwickelt nach Bedarf, Anwender bestimmt die Technik (Tendentiell Europäische Haltung) oder man entwickelt einfach „irgendwas“ und der Anwender passt sich an die verfügbare Technik an (Traditionell USA). Bis die Herren Beamten aber zu einer solchen Offenheit heranwachsen vergeht viel Zeit und ob es gewünscht ist dass die Fähigkeiten unserer Armeen von der Innovationslust der Industrie getrieben werden ist nun die Frage… Vielleicht besser als ein Heer von Papiertigern.