Zur Sicherheit

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Von den Alpen bis zum Hindukusch, von der Kieler Förde bis in den Golf von Aden: Die Kräfte der Bundeswehr sind längst über den halben Globus

Staatsbürger mit Uniform

| 16 Lesermeinungen

Zum Inhalt der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, zum Umbau der Bundeswehr und des Ministeriums und zur Finanzierung hat der Verteidigungsminister...

Zum Inhalt der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, zum Umbau der Bundeswehr und des Ministeriums und zur Finanzierung hat der Verteidigungsminister erwartungsgemäß nichts gesagt, als er gestern abend auf der Veranstaltung des Reservistenverbandes sein Grußwort sprach. Nur so viel: „Dass Sie mich ganz guter Stimmung sehen, dürfen Sie als Andeutung ansehen. Aber mehr sage ich lieber nicht.“ Wir haben es natürlich als Andeutung genommen und warten im übrigen die nächste Woche ab.

Allerdings hat de Maizière, vor diesem Publikum angemessen, durchaus Interessantes gesagt, wie er sich den Einsatz von Reservisten künftig vorstellt. Vom Notizzettel entziffert:

Die Reservisten würden in der Neuausrichtung der Bundeswehr „eine große, eine größere Rolle spielen“ und auch neue Aufgaben übertragen bekommen. Drei Bereiche nannte der Minister: Schon jetzt würden Reservisten gezielt genutzt, die bestimmte Spezialkenntnisse mitbrächten. Künftig könne man auch (ungediente) Spezialisten gezielt ansprechen, um sie als Reservisten zu gewinnen. Zweitens stellt sich de Maizière offenbar eine Art Milizstruktur zum Heimatschutz vor, und zwar zum Zivilschutz im Katastrophenfall. Wehrpflichtige zum Sandsackschleppen gebe es ja bald nicht mehr. Das sollten also Reservisten machen, was Strukturen und regelmäßige Übungen erfordere. Drittens misst de Maizière den Reservisten eine wichtige Rolle bei der Nachwuchsgewinnung zu. (Nebenbei riss er an, wie er sich die Tätigkeit der Kreiswehrersatzämter vorstellt: Nicht möglichst viele Ämter in der Fläche erhalten, sondern mobile Wehrersatzbeamten, die mit dem Laptop auf dem Beifahrersitz in die Fläche gehen.) Was die Reservisten betrifft, sieht er die Aufgabe aber nicht (nur) bei der offziellen, strukturierten Werbung, sondern auch als Botschafter der Bundeswehr in der Gesellschaft. Die Reservisten sollten nicht nur unter sich als Kameraden nett zusammensitzen, sondern „ausschwärmen“. Hier prägte der Sohn von Ulrich de Maizière den schönen Satz: „Reservisten sind Staatsbürger mit Uniform.“

Und dann noch ein bemerkenswerter Exkurs: Eine Katastrophe wie Fukushima würde – in den Dimensionen von Japan auf Deutschland hochgerechnet – das gesamte Land Baden-Württemberg betreffen. „Vielleicht wäre das der Moment, wo man die Aussetzung der Wehrpflicht befristet wieder abschafft.“


16 Lesermeinungen

  1. HansMeier555 sagt:

    Na dann hoffen wir mal auf so...
    Na dann hoffen wir mal auf so einen Moment.

  2. tradewind12 sagt:

    Mit Hinblick auf die...
    Mit Hinblick auf die historisch gewachsenen Erfahrungen dürfte eine Aussetzung der Aussetzung der Wehrpflicht – unabhängig von der Begründung eines solchen Schrittes – bei unseren europäischen Nachbarn für eine gewisse Nervosität sorgen. Zumal eine Katastrophe „wie Fukushima“ sich dann, wenn die Ausbildung der plötzlich wieder Wehrpflichtigen abgeschlossen wäre, absehbar in ihren wesentlichen Ausprägungen bereits von allein wieder entspannt haben würde und eine „Mobilmachung“ mit dem Ziel eines Einsatzes der Bundeswehr im Innern allein schon deshalb nicht glaubhaft hinterlegen könnte. Für die erforderlichen rechtlichen Grundlagen zu einem wie auch immer gearteten Einsatz der „Berufsarmee“ Bundeswehr im Inneren wird noch weniger eine Mehrheit zu gewinnen sein, als dies früher für das Gedankenspiel eines Einsatzes der „Wehrpflichtarmee“ Bundeswehr innerhalb von Deutschlands Grenzen gelungen ist. Sie haben die Ausführungen des Verteidigungsministers zurecht als „bemerkenswert“ beschrieben. Hoffentlich bemerken es nicht zu viele.

  3. wolfowitz sagt:

    Ist die Bundeswehr nur noch...
    Ist die Bundeswehr nur noch ein Pool von Sandsackschleppern? Heimatschutz war einmal etwas anderes. Dann sollte man so ehrlich sein, eine gekaderte THW-Reserve zu schaffen.
    Man könnte mit finanziellen oder Steueranreizen Bürger zu Ausbildung und Übungen an einigen Wochenenden im Jahr motivieren. Bei einem „Ernstfall“ würden sie dann mobilisiert und deren Arbeitgeber vom Staat entschädigt.

  4. Plindos sagt:

    Mr hänt grad no ä Fahrrädle...
    Mr hänt grad no ä Fahrrädle dahoim, nocha könnt ma freiwillich mit da Büchs uffm Buckl, Miliz schpiele! Nacha siegt mal schön, hätt de Babba Heuß gsacht.

  5. Hoffen wir mal für Herrn de...
    Hoffen wir mal für Herrn de Maiziere, dass Herr Löwenstein da einiges nicht richtig verstanden und notiert hat…

  6. Ein Aussprobieren neuer Wege...
    Ein Aussprobieren neuer Wege und Methoden ist immer zu begrüßen. Indessen ist das Hoffen auf die Mundpropaganda der Reservisten ein zweischneidiges Schwert, wie auch die Werbung für den Soldatenberuf mit materiellen Anreizen und großzügigen Ausbildungsangeboten ihre Tücken hat.
    Und solange Angehörige der Bundeswehr der erfolgreichen Aufbaugeneration der deutschen Streitkräften ein „apolitisches Soldatentum“ unterstellen dürfen, das „reduziert war auf die Ebene einer technischen Effizienz bar j e d e r ethisch-moralischen Bindung“ (Hervorhebung HH); solange Namensgeber eines Traditionsverbandes von akademisch gebildeten Uniformträgern als Berufskiller beschimpft werden dürfen und solange dieam 28. Januar 2008 neu erschienene Ausgabe der Zentralen Dienstvorschrift 10/1 nebst Anlage „Traditionsrichtlinien“ die Bundeswehr als erste Wehrpflichtarmee in der Demokratie rühmt, die sich strikt auf „Verteidigung“ beschränkt und in ein Bündnis von Staaten integriert (!) ist, die sich zur „Herrschaft des Rechts bekennen“, solange scheint mir ein Nachdenken über die virtuellen Traditionen der Bundeswehr und über ihren inneren Zustand im Rahmen der Nachwuchsgewinnung angebracht zu sein. (die ersten beiden Zitate finden sich in IF 2/2008, S. 46 neuestens wiederholt in „Zeitzeichen“ Januar 2011, S. 34).
    Wir werden sehen, ob auf diesem Gebiet neue Vorstellungen entwickelt oder überfällige Korrekturen vorgenommen werden. Wait and see!
    Minister de Maizière ist um seine Aufräumarbeit jedenfalls nicht zu beneiden

  7. Immerhin scheint dem...
    Immerhin scheint dem Verteidigungsminister klar zu sein, dass der Generalinspekteur(GI) die ministeriellen Bereiche „Bundeswehrplanung“ und „Militärpolitik“ zur Aufgabenerfüllung zwingend benötigt. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung vom 13.05.11 sind diese Aufgabenfelder nun wieder dem GI zugeordnet.

  8. wolfowitz sagt:

    Es ist interessant, die in der...
    Es ist interessant, die in der letzten Zeit geäußerten Meinungen betreffs der Aufgaben der Bundeswehr zu betrachten:
    – Sandsackschleppen bei Überschwemmungen (de Maiziere bzgl. Heimatschutz)
    – möglichst viele Standorte erhalten als Wirtschaftsförderung strukturschwacher Gebiete (Seehofer)
    – Durchhaltestärke von 10.000 Mann für Auslandseinsätze ohne Definition der Intensität (Ziel der Bundeswehrreform, Autor mir unbekannt).
    Von Landesverteidigung und wirklichem „Heimatschutz“ (Territorialverteidigung, was Hilfe bei Katastrophen natürlich mit beinhaltet) ist hier keine Rede. Sie scheinen inzwischen völlig unwichtig zu sein. Dabei waren sie die originären und noch relativ konsensfähigen Einsatzfelder der Bundeswehr.
    Das einzige Ziel ist inzwischen die transformierte „Armee im Einsatz“ (Punkt 3), die zu allen denkbaren Krisenherden der Welt bis zu 10.000 Mann entsenden kann. Verbündete und Regierung entscheiden, wohin die Reise geht, mal mit, mal ohne UNO-Lizenz. Fast immer in weit entfernte Länder mit völlig anderer Kultur. Die Akzeptanz dieser Art Bundeswehr in der Bevölkerung ist sehr mäßig. Trotz der geringen Nominalstärke ist diese Art Armee sehr teuer, da die Ausrüstung hochmobil, luftverlastbar, für alle Klimazonen geeignet und sehr gut sein muß, um den Soldaten im Konfliktfall überhaupt eine Überlebenschance zu geben.
    Dies sorgt dafür, daß vom ohnehin knappen Verteidigungsbudget fast nichts für die „Hauptverteidigungskräfte“ übrig bleibt. Entsprechend verfallen sie.
    Peter Strucks altes Diktum, daß Deutschlands Freiheit am Hindukusch verteidigt wird, zieht speziell seit OBLs Tod nicht mehr richtig. Nur wenige künftige Soldaten werden noch glauben, dort wirklich Deutschlands Recht und Sicherheit zu verteidigen.
    Als Motive zum Soldatwerden bleiben nur noch denkbar:
    1) Internationalistischer Idealismus ähnlich dem „liberalen Interventionismus“: Demokratie und Menschenrechte weltweit zu verteidigen und durchzusetzen.
    Dazu auch humanitäre Hilfeleistungen.
    2) Professionalität: Der harte, perfekte Soldat, der sich unter widrigsten Bedingungen bewährt und seinen Mann steht, wohin man ihn auch schickt. Unabhängig vom Einsatzziel, soweit dieses rechtmäßig ist.
    3) Materiell: Gehalt und Ausbildung
    Die Wehrpflicht als Rekrutierungsinstrument ist jedenfalls tot, da sie als schwerwiegender Eingriff in diverse Grundrechte nur vor dem Hintergrund einer ernsthaften konkreten Bedrohung (damals: Warschauer Pakt) zu rechtfertigen ist. Hoffen wir, daß es keinen Grund geben wird, sie wieder einzuführen.
    Der künftige Soldat muß sich klar sein, daß er in nicht absehbare, gefährliche, oft umstrittene Auslandseinsätze geschickt werden wird. Seine Ausrüstung wird, obwohl inzwischen verbessert, oft suboptimal sein. Eigene Luftnahunterstützung (Kampfhubschrauber) und Aufklärungsmittel (UAV) fehlen bzw. sind sehr knapp.
    Die Bevölkerung ist inzwischen weitgehend pazifistisch und bundeswehrkritisch eingestellt, besonders zu Auslandseinsätzen („Söldner“, „Legionäre“). Von ihr hat der Soldat kaum Rückhalt und Ermutigung zu erwarten.

  9. @Wolfowitz,
    Ihre Analyse ist...

    @Wolfowitz,
    Ihre Analyse ist nachvollziehbar. Auch die Schlussfolgerungen, die Sie für zukünftige Soldaten Deutschlands ziehen. Dann aber ist zu fragen, ob das Leitbild vom Staatbürger in Uniform noch Tragfähigkeit besitzt.
    Die Vorschrift „Innere Führung“ der Bundeswehr gibt dazu vor: „In der Bundesrepublik Deutschland tragen alle Bürgerinnen und Bürger Verantwortung für ihr Gemeinwesen. Die allgemeine Wehrpflicht ist ein besonderer Ausdruck dieser Verantwortung:“ Die Aussetzung der Wehrpflicht hingegen entbindet „die Bürger“ von der Verantwortung, auch als Soldat für ihre Gemeinwesen einzustehen. Das übernehmen jetzt Zeit-und Berufssoldaten. Daher ist es doch kaum denkbar, dass man bei einem Leitbild bleiben kann, das nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht.

  10. Das von Ihnen angedeutete...
    Das von Ihnen angedeutete Dilemma ist es, das mich schmerzt.
    Ich bin mit der „alten“ Bundeswehr aufgewachsen, die der Landes- und BündnisVERTEIDIGUNG diente und zu der die „Innere Führung“ hervorragend paßt. Auch eine Wehrpflicht ist nur mit dieser kompatibel.
    Der neue Akzent auf eine (fast ausschließliche) Expeditionsarmee gefällt mir nicht. Könnte es sein, daß eine Unfähigkeit der Bundeswehr zur Landesverteidigung von irgendwem gewünscht ist? Auch das“Pooling“ von Fähigkeiten in einer neuen „europäischen“ Armee legt diese Frage nahe.
    Die von mir aufgelisteten Konsequenzen für künftige Soldaten habe ich absichtlich so hart formuliert. Sie sind meiner Meinung nach logisch zwingend (sollte es weitere Alternativen geben, bin ich dankbar für Hinweise).
    Sollte es stimmen, daß de Maiziere, wie gestern in der FAZ gemeldet, das Gewicht von Landesverteidigung und Heimatschutz wieder verstärken will, wäre dies ein Schritt in die richtige Richtung – und hin zu mehr Akzeptanz von Bundeswehr (und Ausgaben dafür) in Bevölkerung und Gesellschaft.

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