Zum Inhalt der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien, zum Umbau der Bundeswehr und des Ministeriums und zur Finanzierung hat der Verteidigungsminister erwartungsgemäß nichts gesagt, als er gestern abend auf der Veranstaltung des Reservistenverbandes sein Grußwort sprach. Nur so viel: „Dass Sie mich ganz guter Stimmung sehen, dürfen Sie als Andeutung ansehen. Aber mehr sage ich lieber nicht.“ Wir haben es natürlich als Andeutung genommen und warten im übrigen die nächste Woche ab.
Allerdings hat de Maizière, vor diesem Publikum angemessen, durchaus Interessantes gesagt, wie er sich den Einsatz von Reservisten künftig vorstellt. Vom Notizzettel entziffert:
Die Reservisten würden in der Neuausrichtung der Bundeswehr „eine große, eine größere Rolle spielen“ und auch neue Aufgaben übertragen bekommen. Drei Bereiche nannte der Minister: Schon jetzt würden Reservisten gezielt genutzt, die bestimmte Spezialkenntnisse mitbrächten. Künftig könne man auch (ungediente) Spezialisten gezielt ansprechen, um sie als Reservisten zu gewinnen. Zweitens stellt sich de Maizière offenbar eine Art Milizstruktur zum Heimatschutz vor, und zwar zum Zivilschutz im Katastrophenfall. Wehrpflichtige zum Sandsackschleppen gebe es ja bald nicht mehr. Das sollten also Reservisten machen, was Strukturen und regelmäßige Übungen erfordere. Drittens misst de Maizière den Reservisten eine wichtige Rolle bei der Nachwuchsgewinnung zu. (Nebenbei riss er an, wie er sich die Tätigkeit der Kreiswehrersatzämter vorstellt: Nicht möglichst viele Ämter in der Fläche erhalten, sondern mobile Wehrersatzbeamten, die mit dem Laptop auf dem Beifahrersitz in die Fläche gehen.) Was die Reservisten betrifft, sieht er die Aufgabe aber nicht (nur) bei der offziellen, strukturierten Werbung, sondern auch als Botschafter der Bundeswehr in der Gesellschaft. Die Reservisten sollten nicht nur unter sich als Kameraden nett zusammensitzen, sondern „ausschwärmen“. Hier prägte der Sohn von Ulrich de Maizière den schönen Satz: „Reservisten sind Staatsbürger mit Uniform.“
Und dann noch ein bemerkenswerter Exkurs: Eine Katastrophe wie Fukushima würde – in den Dimensionen von Japan auf Deutschland hochgerechnet – das gesamte Land Baden-Württemberg betreffen. „Vielleicht wäre das der Moment, wo man die Aussetzung der Wehrpflicht befristet wieder abschafft.“
@Politikverdruss:
Sorry für...
@Politikverdruss:
Sorry für den falschen Header. Der obige Beitrag ist von mir.
Wir verstehen nicht, warum die...
Wir verstehen nicht, warum die FAZ nicht mehr, besser und genauer berichtet.
.
Hier: https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/201105/18/158688.html und hier: https://www.dw-world.de/dw/article/0,,15088064,00.html und auch im dlf/dradio.de am 18.5. um 19:15 gabs mehr.
.
Inzwischen pfeifen es doch die Spatzen von den Dächern, dass die gesamte BW-Struktur so, wie sie heute ist, eigentlich überhaupt nicht zukunftsfähig ist, und dass die Arbeit nach der letzten Landtagswahl in diesem Jahr dann so richtig losgehen soll.
.
Im Grunde steht also die ganze Struktur so wie sie heute ist, und die, wie bekannt, mindestens schon auf die Kaiserzeit zurückgeht, zur Disposition.
.
Eigentlich, so hört man, müssten fast alle Liegenschaften in D verkauft werden, quasi egal zu welchem Preis (die BW selbst kann nicht sinnvoll als Entwickler auftreten, das müssen andere machen), um dann für die zukünftigen Erfordernisse bei fast von null zu beginnen:
.
Die zukünftige BW bräuchte attraktive Standorte in Ballungsraumnähe, viel größere Standorte, als sie sie bisher hatte: Komplett ausgestattet (ähnlich wie bei den Amerikanern), also mit allem, was eine neue, zukünftige, junge Armee (in der eben auch erfolgreiche Paare dienen wollen) am Standort bräuchte (neben den fachlichen Erfordernissen), also Kindergärten, Kinos, Einkaufszentren, Tankstellen, Freizeitzentren in denen Tanz, Schauspiel, Veranstaltungen durchgeführt, Familienfeiern abgehalten werden können, usw., usf. . Wo ja auch sehr viel für spricht.
.
Wobei sich der Laie eben tatsächlich schon mal fragt, war hier eigentlich der Dumme ist: Politik, Gesellschaft oder Experten? Auch wenn „die Altlasten“ (wie die jetzige Struktur(!), s.o.) in einen zweiten Haushalt ausgegliedert und abgewickelt werden und die zukünftige BW, Komma neu (s.o.) sich dann exklusiv aus dem zukünftigen Wehretat bediente, fragt man sich eben schon, wie das gehen kann:
.
VW macht mit 369.000 Mitarbeitern 127 Milliarden Euro Umsatz. Auch wenn das nun wirklich bloß eine Milchmädchenrechnung ist und der Vergleich hinkt: Wie aber meint man eigentlich, dass ein Volk, welches bei VW, BMW, beim Daimler und der Deutschen Bank usw., usf. „schafft“ – und zwar global aufgestellt allesamt – dass dieses Deutsche Volk tatsächlich glauben könnte und würde, eine moderne Armee von 170.000 Mann (Rüstung/Verteidigung sind ja bekanntlich in aller Regel deutlich teurer, als es zivile Produkte vom Fließband sind) ließe sich also (inklusive aller neuer Beschaffung!) für 26,5 Milliarden im Jahr auf die Beine stellen? (Auch wenn Drohnen und anderes „Kleingelump“ angeblich zukünftig viel billiger zu werden versprechen, als Großprojekte von früher wie Eurofighter, Panzer wie Leopard usw., die Eingreiftruppen nicht mehr im selben Maße brauchen werden. (Die outgesourcten it-Dienstleistungen wird man aber erst recht weiter teuer zukaufen müssen.))
.
Und selbstverständlich stehen die Personalbedürnisse der zukünftige Truppe absolut in direkter Konkurrenz zu denen bei BDI, VCI usw.. Alles andere wäre gelogen. (Und klar ist angesichts der demographischen Entwicklungen zu fragen und zu entscheiden, wo der junge Mann, die junge Frau dann Deutschland und dem Wohlstand mehr nützten werden mit ihrer Arbeitskraft.)
.
de Maiziere sagte wohl in seien Ausführungen zu Recht so häufig „… wenn wir das/es wollen … .“
.
Die Republik hat gute Leute, die das Jetzt verstehen: https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/201105/18/158688.html Aber hat oder will sie auch solche, die 25-35 Jährigen tragfähig und begeisternd die neue Vision vermitteln könnten?
.
Und bereits seit 20 Jahren schon wird ein Teil der Landesverteidigung, wenn man so will, preiswert hier gemacht: https://www.weimarer-dreieck.eu/index.php?id=2 („Die Außenminister Polens, Deutschlands und Frankreichs, Radoslaw Sikorski, Guido Westerwelle und Alain Juppé, treffen am 20.5.2011 in Bydgoszcz zum 18. Ministertreffen im Zeichen des Weimarer Dreiecks zusammen. …“)
@perfekt57: Mir scheint, hier...
@perfekt57: Mir scheint, hier wird etwas übertrieben:
Eine Armee ist kein einfaches Wirtschaftsunternehmen, sondern doch etwas anderes.
Für Beschäftigte mag es interessant sein, nahe an Ballungsräumen zu wohnen, wo etwas los ist. Nur sollte man nicht vergessen:
1) gerade für Eingreiftruppen, die als leichte, hochmobile Truppen meist infanteristischen Charakter haben und im eigenen Interesse sehr gut trainiert sein müssen, spielt sich der Dienst in der Heimat meist auf Übungsplätzen ab. Diese müssen groß und gut ausgerüstet sein und rund um die Uhr alle interessierenden Aktivitäten ermöglichen. Wegen der damit einhergehenden Umweltbelastungen und Gefahren passen diese nicht in die Nähe von Städten.
2) Militärische Anlagen sind in einem potentiellen Konflikt erstrangige Angriffsziele und sollten daher nicht in der Nähe von Bevölkerungskonzentrationen liegen.
3) Aus ähnlichen Gründen ist es auch nicht klug, alles Material und Personal an wenigen Orten zu konzentrieren. Robustheit, Redundanz und verteilte Strukturen erschweren einen Erstschlag (vgl. Pearl Harbour).
Die Überlegungen 2) und 3) scheinen nicht in die heutige Lage zu passen, sollten aber trotzdem ernstgenommen werden. Schon zu oft hat die Geschichte einen unerwarteten Lauf genommen. Konfliktpotential gibt es immer.
Die Bundeswehr muß zumindest Grundfähigkeiten der Landes- und Bündnisverteidigung behalten, natürlich in gegenüber der Vergangeheit reduziertem Maß: der Kalte Krieg ist zum Glück vorbei. Nur für als sinnvoll empfundene „Verteidigung“ ist der Bürger auf die Dauer bereit, etwas zu bezahlen.
Der Trend dagegen scheint auf eine reine Interventionsarmee bevorzugt für Entwicklungsländer zuzulaufen, deren Einsätze vom deutschen „nationalen Interesse“ abgekoppelt werden. Welchen Interessen dient sie dann?
Das mag einigen ehemaligen Kolonialmächten und der UNO gefallen. In Deutschland ist dies extrem unpopulär, was sich an stark gekürzten Etats und minimalem Rückhalt in der Bevölkerung zeigen wird.
Richtig an Ihren Ausführungen ist, daß eine professionelle Armee nennenswert Geld kosten wird und für die Gewinnung guten Personals mit der Wirtschaft konkurrieren muß.
Nun liegen die neuen...
Nun liegen die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien vor.
.
„Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehören:
… einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen.“
.
Die einschlägige Äußerung des Bundespräsidenten Köhler führte vor einem Jahr (vordergründig?) noch zu seinem Rücktritt.
.
Auch während seines jüngsten Truppenbesuchs bei der Marine ergriff de Maizière die Gelegenheit, für „seine“ neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien zu werben.
.
Hier wird mit der alten deutschen Tradition gebrochen, als Landmacht Kriege nur zu führen, wenn es um die Existenz der Nation, des Vaterlandes ging. Dies war(!) auch die ethisch-moralische Begründung der Wehrpflicht.
.
Kriege eigener Interessen wegen (insbesondere hinsichtlich freier Handelswege!) zu führen, ist typisch angelsächsiche resp. angloamerikanische Tradition von Seemächten.
.
Auch im Grundgesetz (nicht nur im Artikel 87a: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf…“) findet sich nichts, auf das die aktuelle Wende sich stützen könnte.
.
„Die Weltgeschichte ist eine Geschichte des Kampfes von Seemächten gegen Landmächte und von Landmächten gegen Seemächte“ (Carl Schmitt: „Land und Meer“).
.
Der große Plettenberger bezeichnet die Bewohner der Landmächte auch als „Landtreter“ (prominent Rußland, China, und auch Deutschland), die der Seemächte als „Seeschäumer“ (typische Vertreter die Angloamerikaner, mithin die U.S.A. und die Briten).
.
Die „in der Welt herumballernden“ (so ein Mitkommentator an anderer Stelle) „Seeschäumer“ sind uns „Landtretern“ durchaus wesensfremd. Insofern befindet sich Deutschland mit der Nato in dem falschen „Verteidigungs“bündnis.
.
Scheint so, als neige sich die Epoche der Seeschäumer rapide ihrem Ende zu. Zeit für uns Deutsche, die Konsequenzen zu ziehen!
@LOsmers:
Die von ihnen...
@LOsmers:
Die von ihnen genannte Tradition der Zurückhaltung wurde zwar im 20. Jahrhundert leider bei beiden Weltkriegen gebrochen (mit entsprechenden Folgen), wäre aber eine gute Leitlinie für die Zukunft.
Vergleiche die Formel des Feierlichen Gelöbnisses der Wehrpflichtigen der Bundeswehr: „…der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.
Landesverteidigung und unmittelbare (defensive) Bündnisverteidigung sind die Kernaufgaben der Bundeswehr. Dafür sollte auch der Großteil der knappen Ressourcen (nur 1,1% des BSP) reserviert sein.
Zum Vergleich nicht vergessen: unsere Partner F und GB sind beide Atommächte, können also ihre Landesverteidigung auch mit minimalen konventionellen Kräften überzeugend sicherstellen.
Die „Transformation“ der Bundeswehr setzt leider andere Prioritäten.
Die knappen Mittel werden fast nur noch für Interventionstruppen für „out of area“ (also außerhalb des NATO-Gebiets)-Einsätze verwendet. Dafür läßt man die „Hauptverteidigungskräfte“ zur klassischen Landesverteidigung verfallen.
Mit „nationalen Interessen“ = „deutschen Sicherheitsinteressen“ jenseits der Landesverteidigung als Motiv sollte man, gerade angesichts der deutschen Vergangenheit, sehr vorsichtig und zurückhaltend sein.
Und wo nicht einmal diese betroffen sind: es ist nicht Aufgabe der Bundeswehr, als Hilfstruppen anderer sich als Weltmächte verstehender Länder deren Macht- und Wirtschaftsinteressen zu dienen. Auch wenn diese oft als „humanitäre Einsätze“ verkauft werden.
Dabei ist die Phrase der „internationalen Gemeinschaft“ und „Völkergemeinschaft“ (wer ist das?) als Auftraggeber zu hinterfragen:
Politik ist praktisch immer von handfesten Interessen (oder noch schlimmer: ideologischer Verblendung) geleitet, aber fast nie von edlen moralischen Prinzipien.
Künftige Freiwillige der Bundeswehr müssen damit rechnen, nach Gutdünken der Bundesregierung (und Willen der „Freunde“ und „Verbündeten“) in immer neue Krisenherde geschickt zu werden. Die Legitimation wird oft fragwürdig sein, das Risiko nennenswert bis hoch, die Unterstützung durch die „Heimatfront“ schlecht.
@ wolfowitz
.
Ihre...
@ wolfowitz
.
Ihre vorzügliche Replik überzeugt (wie auch – nebenbei bemerkt – der von Ihnen stets gepflegte geschliffene Stil Ihrer Äußerungen).
.
Nur die einleitende Passage möchte ich noch einmal kommentieren („Die von Ihnen genannte Tradition der Zurückhaltung wurde zwar im 20. Jahrhundert leider bei beiden Weltkriegen gebrochen [mit entsprechenden Folgen], wäre aber eine gute Leitlinie für die Zukunft.“
.
Kommt es nicht auf das subjektive Empfinden unserer Altvorderen „in ihrer Zeit“ an?
.
Im Ersten Weltkrieg ganz sicher, aber auch zu Beginn und im Verlaufe des Zweiten Weltkriegs fühlten die Deutschen sich bedroht, sagen die Existenz ihrer Nation, des Vaterlandes gefährdet.
.
Wohl kaum ein Wehrmachtangehöriger wird geglaubt haben, an einem oder mehreren Eroberungsfeldzügen teilzunehmen. Der Angriff auf Polen wurde – subjektiv! – als gerechtfertigt empfunden, bestimmt nicht von „Interessen“ geleitet, und von einem „Überfall“ auf Frankreich zu sprechen verbietet sich angesichts der französischen (und der englischen) Kriegserklärung an das Reich per se.
.
„Weserübung“ und Balkanfeldzug wurden aus so beurteilter operativer „Notwehr“ geführt, und bei „Barbarossa“ scheint nicht nur mir bis heute nicht geklärt, ob es nicht doch ein Präventivangriff in den sowjetrussischen Aufmarsch hinein war.
.
Auf jeden Fall konnte Hitler sich sicher sein, daß er sich im Einklang mit „Volks-“ resp. „Parteigenossen“ befand, wenn er nicht müde wurde, in seinen Reden immer und immer wieder das Wort vom „uns aufgezwungenen Krieg“ zu benutzen.
.
Aus damaliger Sicht handelte es sich nicht um einen Traditionsbruch – die Nachgeborenen (da nehme ich Sie selbstverständlich aus) tun sich m.E. zu leicht mit entsprechenden Bewertungen vom moralischen hohen Roß herab.