Zu dem Angriff auf eine Bundeswehrpatrouille in Baghlan, bei dem ein Soldat gefallen ist, an dieser Stelle eine Anmerkung. Sie lag uns schon letzte Woche, als am Mittwoch bereits ein Verlust zu beklagen war, sozusagen auf der Zunge. Da hatten wir sie uns aber verkniffen, weil es sich nämlich um Kollegenschelte handelt, was immer einen unguten Beigeschmack hat. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Es geht um die Veröffentlichungen auf der Internetseite der „Bild“-Zeitung. Dort ist zumeist zuerst davon zu lesen, wenn ein Soldat gefallen ist; manchmal auch auf „Spiegel online“. Das heißt aber nicht, dass nicht auch andere Medien zu diesem Zeitpunkt davon gewusst hätten. Bloß, andere warten auf eine offizielle Bestätigung durch das Einsatzführungskommando. Warum? Weil die nämlich aus einem sehr guten Grund die Meldung über Tote eine Weile zurückhalten, sie warten darauf, dass von den Betroffenen die Angehörigen unterrichtet worden sind, möglichst auch (entwarnend) die der anderen Kameraden der betroffenen Einheit. Solche Nachrichten sind sowieso furchtbar, aber wie furchtbar müssen sie für Angehörige erst sein, wenn sie sie aus den Medien erhalten. Liebe Leute, würde es dem Nimbus eines Internetportals soviel Abbruch tun, wenn man sich hier auf die Spielregeln verständigen und auf das Rattenrennen verzichten könnte? Würde dadurch die Pressefreiheit eingeschränkt, dass wir alle ein paar Stunden warten?
Nachtrag, um eines klarzustellen: Dieser Kommentar betrifft das Verhalten von Redaktionen oder Foren. Es soll aber kein Redakteur oder Reporter als „Ratte“ verunglimpft werden, und ich entschuldige mich, wenn das anders empfunden worden ist. Der Begriff des Rattenrennens ist ein Anglizismus und in dem Sinne gemeint, wie er beispielsweise bei Wikipedia definiert ist: Als „endlose, selbstzerstörende oder sinnlose Zielerstrebung“.
Anbei zur Sachinformation die – lobenswert ausführliche – Mitteilung des Einsatzführungskommandos:
Pressemitteilung des Befehlshabers Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Generalleutnant Rainer Glatz, anlässlich des Sprengstoffanschlags vom 02. Juni 2011
Schwielowsee. Mit großer Betroffenheit haben wir zum dritten Mal in wenigen Tagen zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Einsatz der Bundeswehr für die Sicherung des Friedens und die Wiederherstellung menschenwürdiger Lebensverhältnisse in Afghanistan sowie die Erhaltung unserer Sicherheit in Deutschland einen weiteren deutschen Gefallenen gefordert hat. Heute gegen 07:24 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit wurde auf deutsche Kräfte des Ausbildungsschutzbataillons Mazar-e Sharif in der Provinz BAGHLAN im Raum BAGHLAN-E-JADID, im sogenannten KANDAHARI GÜRTEL, 36 km südlich KUNDUZ ein Sprengstoffanschlag verübt. Dabei wurde ein Schützenpanzer MARDER 1A5 (modernster Typ des Schützenpanzers, im Einsatzland sind nur MARDER 1A5 eingesetzt) angesprengt. Ein deutscher Soldat ist gefallen, fünf weitere deutsche Soldaten wurden verwundet, zwei von ihnen schwer und drei leicht. Alle fünf Verwundeten sind per Lufttransport in die Rettungszentren in KUNDUZ bzw. MAZAR-E SHARIF verbracht worden. Bei dem betroffenen Truppenteil handelt es sich um die 2. Kompanie des Ausbildungsschutzbataillons Mazar-E-Sharif, die vom Außenlager OP NORD aus nördlich der Stadt PUL-E-KHUMRI im sogenannten KHANDAHARI GÜRTEL eingesetzt ist. Das AusbSchtzBtl MES ist dort in der Operation BAHAR zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften (ANSF), hier sowohl afghanischer Armee (ANA) als auch afghanischer Polizei (ANP und ANCOP) eingesetzt.
Ziel der Operation BAHAR ist es, den Raum KHANDAHARI GÜRTEL zwischen PULE- KHUMRI und ALIABAD in der Provinz KUNDUS zu halten und damit eine Rückkehr von Aufständischen in diesen Raum zu verhindern. Dieser Raum wurde im Frühjahr 2011 in der Operation NAWROZ durch afghanische, deutsche und US-amerikanische Kräfte genommen, wobei es gelungen war, ihn von Aufständischen zu befreien. Die betroffene verstärkte 2. Kompanie des Ausbildungsschutzbataillons MAZAR-E SHARIF hatte den Auftrag entlang einer Hauptverbindungsstrasse nach Sprengfallen zu suchen, um die Strasse für eigenen Bewegungen zu öffnen. Die Kompanie war mit Pionier- und Sanitätskräften verstärkt. Der betroffene Zug gehörte zu den Sicherungskräften für die Überprüfung eines Verdachtsortes, an dem Sprengfallen vermutet werden. Die Angehörigen des Gefallenen und die Angehörigen der Verwundeten werden zur Zeit unterrichtet. Seit dem 25. Mai 2011 haben wir bei drei heimtückischen Anschlägen gegen deutsche ISAF-Kräfte vier Gefallene Soldaten und 12 Verwundete zu beklagen. Wir verneigen uns vor unserem gefallenen Kameraden aber auch vor den Verwundeten, in Achtung und mit höchstem Respekt. Wir werden unseren gefallenen Kameraden in unseren Herzen ein ehrendes Andenken bewahren und wünschen den Verwundeten eine schnelle und hoffentlich vollständige Genesung. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen, Freunden und Kameraden unserer Gefallenen, aus deren Mitte sie gerissen wurden. Wir sind in Gedanken bei Ihnen und wünschen ihnen Trost, Kraft und Zuversicht sowie Gottes Segen für die vor Ihnen liegende schwere Zeit. Dennoch werden wir diesen heimtückischen Anschlägen nicht nachgeben und unseren Auftrag mit hoher Professionalität und ungebrochenem Engagement weiter fortsetzen.
(Bahar heißt übrigens „Frühling“.)
Ich bin selbst Soldatenfrau...
Ich bin selbst Soldatenfrau und unsere Familie steht kurz vor dem nächsten Einsatz!
Ich kann nur bekräftigen was Sie hier schreiben! Ich hoffe wirklich, dass sich das endlich mal Jemand zu Herzen nimmt.
Wir verzweifeln jedes Mal auf s neue wenn wir Meldungen bekommen, von denen wir nicht wissen, was stimmt oder was nicht.
Danke Herr Löwenstein für...
Danke Herr Löwenstein für diesen Beitrag!
Mein Mann hat mir immer...
Mein Mann hat mir immer versichert,dass erst die Angehörigen informiert werden und dann kommt es in den Medien aber was die BILD Zeitung sich da in den letzten Tagen erlaubt ist so unfassbar,ohne Worte 🙁 Die Anschläge,die ständige Angst der BW-Soldaten und der Angehörigen in Deutschland,allein das ist schon unertragbar für den Einzelnen. Ich habe in den letzten Tagen schon gedacht,warum ist das so schnell in der Presse??
Es ist so furchtbar, dass über die Presse zu erfahren….ich weiß nicht,mich packt da solch eine Wut und doch kann man als „Ottonormalverbraucher“ wenig dagegen tun.
Bei uns steht der nächste Einsatz auch kurz bevor und ich habe Angst,richtige Angst aber das ist nicht annähernd zu vergleichen mit dem was die Familien der gefallenen Soldaten jetzt durchmachen müssen.
Selbst wenn ich den Einsatz...
Selbst wenn ich den Einsatz insgesamt eher ablehne, bin ich denjenigen trotzdem auch dankbar, die dort aufrichtig bemüht sind, bessere Verhältnisse zu schaffen und eine religiöse Terrortruppe zu vertreiben, die eine religiöse autoritäre Diktatur errichten will. Individuell ist so ein Verlust immer eine Katastrophe und reißt eine Lücke unter Verwandten und Freunden, gerecht ist es nie. Die Lösung kann auch sicher nicht sein, nun einfach schnell zu verschwinden und denen das Land zu überlassen.
Militärisch kann man eine solche „Guerilla“-Bewegung wohl nur mit viel Blutvergießen „besiegen“, da sie ja asymetrisch handelt und nach ganz anderen „Rules of engagement“. Das kann heutzutage kaum eine Lösung mehr sein, schon gar nicht für eine Bundeswehr nach dem 2. WK.
Wenn Krieg die Fortsetzung von Politik ist, ist Politik aber auch wieder das andere Ende von Krieg, und je sehr die Taliban mit solchen Attentaten auf Unmut in Deutschland spekulieren, der sich in Politik münzt (etwa die Haltung zu Libyen), frage ich mich, wie man diese Strategie vielleicht gegen sie selbst umkehren könnte.
Ich habe mir mal vor kurzem den ausführlichen Artikel bei Wikipedia über die Geschichte Afghanistans durchgelesen. Das war recht aufschlußreich: Die Taliban sind keineswegs der Prototyp einer religiösen oder nationalistischen, in der Bevölkerung schon immer verankerten Befreiungsbewegung gegen Kolonisation o.ä.. Sie sind selbst eher ebenso eine Art Fremdkörper/“Imperalist“, und relativ neu. Nach dem Zusammenbruch der Reste der kommunistisch-sowjetischen Regierung ruhten die westlichen Hoffnungen ja auf Ahmad Schah Massoud, der wohl eine liberale politische Vision für Afghanistan hatte, die der der arabischen Revolutionen derzeit nahekommt. Er war zugleich mächtiger warlord und wurde dann von den Taliban ermordet. Diese erhalten scheinbar ihren Nachschub aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet oder Pakistan? Wahrscheinlich ist es schwieriger, diesen Nachschub abzuschneiden, als ich mir vorstelle. Pakistan spielt dabei wohl eine Schlüsselrolle, bzw. Fraktionen innerhalb Pakistans.
Scheinbar gab es auch niemanden mehr, der Massoud ähnlich symbolhaft-populär nachfolgte, oder aber die fremde Besatzung und die Korruption Karzais und Co. untergruben die hehren weltanschaulichen Ansprüche und Visionen dieser afghanischen Fraktion durch eine unschöne Realität, bzw. als „aufgezwungene Fremdherrschaft“. Wie könnte man Massouds Vision wieder zu mehr Popularität verhelfen, ohne dass es als von außen aufgedrückt wirkt? Paradoxerweise vielleicht durch eine friedliche Bürger-Bewegung ähnlich denen in anderen arabischen Ländern, die sich dann wohl zugleich für mehr Demokratie, Bürgerrechte und Selbstbestimmung, und gegen Korruption, Mißstände, gegen Karzai, zugleich natürlich gegen die Taliban, gegen die eigene undemokratische Stammestradition, und auch noch gegen die Besatzer richten müsste, um glaubhaft zu sein. Eine Art Selbstermächtigung der Zivilgesellschaft. Leider wohl in Afghanistan eher utopisch, auch wenn es im Irak wohl schon ansatzweise zu so etwas kam. Aber zumindest gibt es diese Wünsche durchaus als eigene afghanische Tradition aus liberaleren Zeiten, es ist durchaus nicht (nur) aufoktroyiert. Die Taliban aber stellen es natürlich so dar. Ein weiterer Punkt wäre die „soft power“ der Moderne. Wie man wieder bei den arabischen Revolutionen sieht, ist diese durchaus attraktiv, aber sie muss dann von unten, bottom-up gewollt, und selbstbestimmt in eigener Regie durchgesetzt werden. Kulturell und politisch.
Eine andere Frage wäre der „moralische“ Nachschub der Taliban selbst: Die Taliban sind ja scheinbar nah verwandt mit den Salafisten-Bewegungen: „Zurück in ein (imaginiertes) reines Mittelalter, den Koran wörtlich nehmen“, etc. Ihr Fanatismus speist sich aus Ansichten, die auch innerhalb der islamischen Welt derzeit kritisiert und auseinandergenommen werden. Vielleicht wäre auch das ein Ansatzpunkt. Zweifel schüren. Die Religionsschulen der Taliban bedienen ja scheinbar auch soziale Bedürfnisse, bzw. haben Unbildung und Armut als Nährboden. Diesen auszutrocknen, bzw. bessere, glaubhaftere und attraktivere Orte zu schaffen, die wirklich moderne Bildung und nützliche Fertigkeiten vermitteln, am besten kombiniert, wäre natürlich auch hilfreich.
(Bahar heißt übrigens...
(Bahar heißt übrigens „Frühling“.)
Was soll dass denn ???????
@ Soldat: Das hatte keinen...
@ Soldat: Das hatte keinen tieferen Hintersinn. Der „Frühling“ war hier nur für den Fall notiert, dass es jemanden interessiert, was diese merkwürdigen Operationsnamen bedeuten. Ausgedacht werden die übrigens angeblich von afghanischen Beamten oder Offizieren.
Vielleicht wären die Afghanen...
Vielleicht wären die Afghanen froh und glücklich, der „Plage“ ledig zu werden!
.
„Wenn wir jetzt gingen, würden das Vertrauen und das Selbstvertrauen der Afghanen erst recht erschüttert“, so de Maizière.
.
Ich wäre mir da nicht so sicher.
.
Im übrigen stehen „wir“ mitnichten aus altruistischen Gründen am Hindukusch.
.
Ein Abzug der Bundeswehr und der anderen westlichen (Besatzungs?)mächte hätte auch zur Folge, daß afghanische Familien künftig von „Kollateralschäden“ (welch perverse Bezeichnung) durch westlichen Beschuß – im jüngsten Fall vierzehn tote Zivilpersonen, davon zwölf Kinder(!), und weitere sechs Verletzte – verschont blieben.
.
Nach einem Abzug der fremden Truppen müßten die Afghanen auch keine Einmischung in ihre überkommenen Traditionen mehr ertragen, wie sie sich Roth, Koenigs, Müller und andere Vertreter der grünen Partei anmaßen („Frauenrechte“ für die „AfghanInnen“, wie von Stephan Löwenstein im heutigen FAZ.NET berichtet).
.
Vielleicht wären sie Afghanen froh, wenn sie von dieser Plage endlich erlöst würden, wie ehedem von den Briten und von den Russen? Wenn sie ihr Selbstvertrauen (de Maizière) ohne fremde Besatzung wiedergewönnen?
.
Es wäre an der Zeit, sich von der üblichen Heuchelei und den allfälligen Durchhalteparolen zu verabschieden.
.
Als Durchhalteparole ordne ich auch folgenden Satz aus der Pressemitteilung des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos ein:
„Dennoch werden wir diesen heimtückischen Anschlägen nicht nachgeben und unseren Auftrag mit hoher Professionalität und ungebrochenem Engagement weiter fortsetzen.“
@LOsmers
"Vielleicht wären...
@LOsmers
„Vielleicht wären sie Afghanen froh, wenn sie von dieser Plage endlich erlöst würden“
Ja, vielleicht, vielleicht aber auch nur die Afghanen, die den Taliban nahe stehen, und die anderen nicht.
Wen fragen wir, wem sollen wir glauben ?
Vielleicht doch am besten denjenigen, die sich dort seit Jahren unter Einsatz von Leib und Leben veranwortungsvoll in unserem Interesse mit der Situation beschäftigen, und weniger LOsmers und Genossen.
@ Böhmenfürst
.
Könnten Sie...
@ Böhmenfürst
.
Könnten Sie sich vorstellen, daß fundierte Kritik am verfehlten Einsatz der Bundeswehr nicht von einem „Genossen“ geübt wird (waren es nicht die „Genossen“ und die Grünen, die den U.S.A. zu Gefallen die Bundeswehr an den Hindukusch schickten, um auch dort „Deutschlands Sicherheit zu verteidigen“?), daß also solche Kritik von einem Wertkonservativen kommt, oder wenn Sie so wollen, von einem „Rechten“?
.
Der im übrigen mit den Kameraden, die ja absolut keinerlei Verantwortung für das tragen, was die Politische Kaste ihnen zumutet, sich überaus verbunden fühlt? Und trauert?
.
Und der auch deshalb betroffen ist, weil er den (damaligen) Schützenpanzer „Marder“ aus eigener Anschauung als Kompaniechef von 1972 bis 1976 von ungezählten Ausbildungsvorhaben, Gefechtsübungen, Schul- und Gefechtsschießen her bestens kennt?
Vielleicht leistet ja BILD auf...
Vielleicht leistet ja BILD auf diesem Wege Hilfe für einen baldigen Abzug und Übergabe der Verantwortung an die Afghanen.
.
(Auch wir sind in Gedanken und Gebet bei Gefallenen, Opfern und Hinterbliebenen.)
.
(Der kleine Moritz denkt sich wahrscheinlich auch manchmal, wie das wohl bei uns gewesen wäre, in Kleinstädten und Dörfern Bayerns z.B. wenn die uns kulturell hoch überlegenen Moslem-Türken des Mittelalters den christlichen Bauern dort im Süddeutschen Hochkultur wie Mathematik und Astronomie „mit Überzeugungsarbeit und der Waffe in der Hand“ hätten näherbringen wollen … . Aber das ja nicht die Gründe für den Afghanistaneinsatz.)