Zu dem Tag der offenen Tür in Bad Reichenhall vor zwei Wochen, der auf der parlamentarischen Linken schon als neuer Bundeswehrskandal gebrandmarkt worden ist, ein paar Anmerkungen.
1) Waffen sind kein Spielzeug. Es ist daher vernünftig und gut, dass von hoher ministerieller Warte schon vor Jahren die Weisung ergangen worden ist, dass bei Veranstaltungen der Öffentlichkeitsarbeit Waffen und Geräte ausgestellt, aber von Kindern und Jugendlichen unter 18 nicht in die Hand genommen werden dürfen.
2) In diesem Fall, den das Linksnetzwerk „Rabatz“ angeprangert hat, haben Soldaten offensichtlich versucht, dem Rechnung zu tragen, indem sie den jungen Besuchern der Veranstaltung leere Panzerfaust-Abschussvorrichtungen in die Hand gedrückt haben, durch die sie visiert haben. Das ist aber immer noch ein Waffenteil, und das Griffstück in der Hand zu halten ist für ein Kind wahrscheinlich, wie tatsächlich den Auslöser zu betätigen. Eine ungeeignete Maßnahme. (Nachtrag: Andere Bilder, hier bei den Kollegen von der „Welt“, legen nahe, dass an anderen Stationen die besagte Weisung noch deutlicher missachtet worden ist.) Die richtige Konsequenz wäre also: Rüffel, besser machen!
3) Dass da behauptet wird, den Kindern werde beigebracht, ein Dorf zusammenzuschießen, kann nur eine Unterstellung aus Unkenntnis oder Böswilligkeit sein. Denn diese Landschaften sind nicht für Tage der offenen Tür hergestellt, sondern um Soldaten im Entfernungsschätzen zu schulen mit Hilfe der Strichskala in der Optik, und genau so ist die auf den verbreiteten Bildern auch aufgebaut. Von Bundeswehrseite zu hören ist, dass in Reichenhall Wettbewerbe veranstaltet worden sind, wer am besten die Entfernung schätzt. Das ist glaubhaft. Zwischen den Häusern stehen Panzerattrappen, und die Besucher der Station hantieren auf den Fotos mit Ferngläsern und Zieloptiken.
4) Damit entfällt auch der Skandal, dass für die Modellortschaft der Name „Klein-Mitrovica“ erfunden worden ist. Mitrovica ist im wirklichen Leben der Soldaten der Ort, wo man Menschen gegen Gewalttäter schützen muss; dass das bei den Gewalttätigkeiten gegen Serben und Roma 2004 misslungen ist, war ein Versagen der Kfor-Truppe und wird auch bis heute so wahrgenommen. Es ist kein Feinddorf, das zusammengeschossen werden soll. Die Leute haben einen Bezug zu ihrem tatsächlichen Einsatz herstellen wollen. Dass da ein Soldat an irgendwelche Schandtaten der Reichenhaller Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg gedacht hat, glauben wir nie und nimmer. Nun heißt es, auch seitens maßgeblicher Stellen, dass es mindestens geschmacklos gewesen sei, das Reichenhaller Modelldorf nach Mitrovica zu benennen. Warum eigentlich? Gewiss, Deutsche haben auch auf dem Balkan entsetzliche Taten verübt, auch in der Uniform der Wehrmacht. Aber 1999 sind deutsche Soldaten von einem demokratischen Parlament ins Kosovo geschickt worden, um entsetzliche Taten zu unterbinden, und sie haben das (mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg) redlich unternommen. Darauf kann die Bundeswehr stolz Bezug nehmen.
5) Ein Skandal steckt aber trotzdem in der ganzen Angelegenheit. Es sind die politischen Reaktionen. Am ärgsten der Grüne Nouripour, der gleich davon redet, dass da einer womöglich aus dem Dienst entfernt werden solle. Aber auch der Sozialdemokrat Arnold, dem Soldaten suspekt sind, die von Schusswaffen fasziniert sind. Kein schönes Bild gibt auch der Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) ab, der Schirmherr der Veranstaltung, der sogleich auf sichere Distanz gegangen ist. Wenn die Selbstschutzmaßnahme auch politisch begreiflich ist. Schließlich hat auch ein Sprecher des Heeres sich sogleich mit dem Herbeiorakeln von Disziplinarmaßnahmen zitieren lassen. Das Ganze erinnert an die Sache mit den Totenkopffotos in Afghanistan, die wegen ihrer Obszönität damals gewiss zu verurteilen und auch disziplinar zu ahnden waren, bei denen aber der eigentliche Skandal in dem schnellen Urteil des damaligen IBuK Franz Josef Jung (CDU) lag, wer so etwas tue, habe in der Bundeswehr keinen Platz.
6) Diese Gebirgsjägeraffäre ragt aber nicht nur dadurch über die Grenzen einer Provinzposse hinaus, dass sich führende Verteidigungspolitiker von Bundestagsfraktionen zu ihren Verdikten haben bewegen lassen. Dahinter steht schon die Frage, wie sich die Bundeswehr in der Öffentlichkeit präsentieren soll. Mit Pioniergerät zum Brunnenbohren? Das wäre eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, die wir doch glücklich überwunden glaubten. Es ist richtig, dass die Bundeswehr sich stolz und lebhaft präsentiert, und dass sie auch Waffen und Gerät ausstellt. Selbst auf die Gefahr hin, dass sich davon ein junger Mensch faszinieren lässt.