Zur Sicherheit

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Von den Alpen bis zum Hindukusch, von der Kieler Förde bis in den Golf von Aden: Die Kräfte der Bundeswehr sind längst über den halben Globus

Keine Rote Armee mehr

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  Als Verteidigungsminister de Maizière am Donnerstag in Moskau seinen russischen Amtskollegen Serdjukow getroffen hat, erhielten die mitgereisten...

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Als Verteidigungsminister de Maizière am Donnerstag in Moskau seinen russischen Amtskollegen Serdjukow getroffen hat, erhielten die mitgereisten Journalisten während des Delegationsgesprächs eine Unterrichtung zu der russischen Streitkräftereform. Für intime Kenner der russischen Verhältnisse (was wir nicht sind) war möglicherweise wenig Neues dabei, doch halten wir die Notizen aus zwei Gründen dennoch für festhaltenswert. Zum einen ist es schon an sich ein ungewöhnlicher Schritt, dass ausländische Medienvertreter ein solches Briefing durch den russischen Generalstab erhalten. Zum anderen ähneln manche Probleme und Herausforderungen – bei allen Unterschieden in Struktur, Anspruch und Ausgangslage – doch in erstaunlichem Maße denen, die sich auch bei der Bundeswehrreform stellen.

Also sprach Generalmajor Sergej Fjodorowitsch Ruzkoi, stellvertretender Chef der Hauptabteilung Operativ des Generalstabs der Streitkräfte der russischen Föderation (durch uns stichwortartig zusammengefasst, doch behalten wir einige eigentümliche, vielleicht auch durch die Übersetzung noch eigentümlicher gewordenen Formulierungen bei; erläuternde Ergänzungen durch uns in Klammern): 2008 hat die Führung des Staates eine Reihe von wichtigen Entscheidungen getroffen, um die Streitkräfte zu reformieren. Gründe waren die Veränderung der militärpolitischen Lage und des Wesens von Kampfhandlungen sowie der Zustand der Streitkräfte der russischen Föderation. Die Streitkräfte sollen künftig nicht mehr darauf ausgerichtet werden, an einem großen Krieg teilzunehmen, nach einer umfassenden Mobilmachung, sondern sie solle für die neuen Formen von Kampfhandlungen fit gemacht werden. Beispiele dafür: Kampf gegen Terroristen oder gegen Piraten. Der Prozess der Umsetzung dauert an.

Es stellen sich fünf grundsätzliche Aufgaben. Erstens verabschiedet sich Russland von der großen Mobilmachungsarmee. Das heißt, es soll künftig nicht mehr (Kader-)Verbände geben, die noch (mit Reservisten oder Rekruten) aufgefüllt werden müssen. Alle Verbände sollen (als Einsatzverbände) zu hundert Prozent aufgefüllt sein. Zweitens sollen die Streitkräfte mit modernen Waffen und modernem Material ausgerüstet werden. Drittens sollen ein „neuer Offizier“ und ein „neuer Sergeant“ (als Leitbild) formiert werden. Das heißt, die Ausbildung wird neu konzipiert, und ein Netz von neuen Ausbildungseinrichtungen wird gebildet. Viertens sollen Programme und Vorschriften neu erstellt werden zu: Ausbildung, Dienst in der Garnison, Gefechtshandlungen. Fünftens geht es um die Absicherung der Soldaten. Sie sollen angemessenen Sold beziehen und vorrangig mit Wohnungen bedacht werden.

Künftige Stärke der Streitkräfte: Eine Million Soldaten. Die maßgebliche Führungsebene soll nicht mehr die Division sein, sondern die Brigade. Alle Brigaden sind gefechtsbereit. Sie können wenige Stunden nach dem Einsatzbefehl ins Gefecht eintreten. Reformiert wird auch die Führungsebene der Militärbezirke. Aus bislang sechs sollen vier Militärbezirke werden. Auf dieser Ebene sollen die Teilstreitkräfte ihr Eigenleben verlieren, sie werden in den Führungsstrukturen zusammengefasst. Alle Truppen auf dem Gebiet eines Militärbezirks unterstehen also einem Befehlshaber. Ausnahme: Die strategische Raketentruppe und die Weltraumtruppe. Der Befehlshaber ist persönlich verantwortlich für die Sicherheit des Staates und die Integrität des Gebiet seines Militärbezirks. Auch die Führungsstruktur der Teilstreitkräfte wird reformiert, ihre Aufgaben werden präzisiert. Ergebnis soll sein: Keine Doppelung mehr bei der Erfüllung der Aufgaben. Jeder Stab erfüllt nur die Aufgaben, die ihm angemessen sind.

Neu soll auch das System der Versorgung der Streitkräfte gestaltet werden. Vorher wurde unterschieden zwischen der technischen Sicherstellung (wohl: Instandsetzung) und der materiellen Versorgung. Stattdessen: Ein einheitliches System der Logistik. Dadurch soll es auch ermöglicht werden, Gerät durch zivile Firmen instand setzen zu lassen (auf gut deutsch: Outsourcing).

Die militärischen Führer sollen von Aufgaben der Logistik befreit werden, so dass sie sich vorrangig um Ausbildung kümmern können. Priorität hat die Einsatzausbildung.

Die schwierigste Aufgabe ist die massenhafte Umrüstung der Truppe mit neuem Material, moderner Bewaffnung und Gerätschaft. Hier hat der Präsident die Prioritäten festgelegt. An erster Stelle steht die strategische Kernwaffentruppe, es folgen Weltraumverteidigung und Luftverteidigung. Weiter hinten stehen Fernmeldeausrüstung und elektronische Führung der Truppe. (Wir haben die Punkte nicht alle genau verstanden, jedenfalls kam mehrmals der Weltraum vor, nicht aber Panzer, Gewehre, Schiffe oder so etwas wie der „Infanterist der Zukunft“.) Bis 2015 soll die Umrüstung zu 30 Prozent mit modernem, zukunftsfähigem Material fertiggestellt sein, bis 2020 zu 70 Prozent; in einigen Schwerpunktbereichen sollen 2020 bereits 100 Prozent erreicht werden.

Gleichzeitig wird das Stationierungskonzept neu gestaltet. Es wird sehr viel weniger Standorte geben: 200 Garnisonen der gesamten Streitkräfte. (Bei einer Million Gesamtstärke; das werden ziemlich große Garnisonen.) Damit ist man optimaler aufgestellt für strategische Aufgaben, und vor allem können Kosten gesenkt werden. Offiziere sollen mit ihren Familien in der Nähe von Städten wohnen können, die Familien müssen in sozialer und kultureller Hinsicht abgesichert sein (Schulen für die Kinder, Arbeitsplätze für die Ehefrauen).

Für jede Teilstreitkraft wurden wissenschaftliche- und Ausbildungszentren geschaffen. Militärische Akademien wurden zusammengelegt. Die Gesamtzahl der höheren Ausbildungsstätten wurde von 64 auf 16 gesenkt. Die Offizierausbildung wird konkret auf den vorgesehen Dienstposten hin ausgerichtet. Besonders wichtig ist die Ausbildung der Sergeanten. Ein mehrstufiges Ausbildungssystem sieht vor: Ausbildungsverbände, Offizierschulen, zentrale Einrichtungen des Verteidigungsministeriums.

Der Anteil der Zeitsoldaten soll deutlich erhöht werden. Wie schnell das geht, hängt davon ab, wie gut es gelingt, den Dienst attraktiv zu gestalten, das heißt vor allem: soziale Absicherung. Vor allem sollen mehr Unteroffiziere als Zeitsoldaten auf Dienstposten kommen, die wichtig sind für die Einsatzfähigkeit.

Wichtig für Auftrag Nummer fünf (das war die soziale Absicherung der Soldaten): Streitkräfte mit neuem Antlitz sollen entstehen. Dabei geht es nicht nur darum, die aktiven Soldaten sozial abzusichern, sondern auch die Pensionäre und Veteranen. Ein solches Tempo beim Wohnungsbau hat es noch nie gegeben. Es entstehen etwa 50.000 Wohnungen pro Jahr. Im Januar 2012 soll der Wehrsold deutlich erhöht werden – in angemessener Höhe.

All diese Reformen sind seit zwei Jahren im Gange. Die erste Etappe ist erreicht, aber natürlich sind noch nicht alle Aufgaben erledigt.

Schwerpunkte bis Ende 2011:

Eine neue Truppengattung wird eingeführt, die Luft- und Weltraumkräfte. Die Umrüstung wird vorangetrieben. Alles, was nicht Kernaufgaben der Streitkräfte sind, wird anderen übertragen. Im täglichen militärischen Leben wird die höchste Aufmerksamkeit auf die Ausbildung gelegt.

(Frage: Sind die Panzer immer noch die Speerspitze der Armee?) Früher war das Heer das wichtigste, das war die Grundlage der Streitkräfte der Sowjetunion. Die Theorie des modernen Krieges stellt nicht nur auf das Heer ab. Sondern beispielsweise die Luftstreitkräfte werden wichtiger, ihre Ausstattung mit Präzisionsmunition. Es geht nicht mehr um Massenheer und Panzerspitzen, sondern darum, in lokalen Konflikten begrenzter Intensität die Kräfte schnell und gezielt einsetzen zu können. (Frage: Steht genug Geld zur Verfügung?) Der Präsident hat allein für die Umrüstung bis 2020 die Summe von 20.000 Milliarden Rubel zur Verfügung gestellt, das entspricht 500 Milliarden Euro. (Frage: Was können die russischen Streitkräfte von der Bundeswehr lernen, und umgekehrt?) Großes Interesse besteht an den Erfahrungen der Bundeswehr bei der Einsatzausbildung und an Simulationssystemen für die Ausbildung der Soldaten (also so etwas wie das Gefechtsübungzentrum GÜZ in der Altmark). Und wenn die Bundeswehr Rat braucht, so wird man gerne zur Verfügung stehen.

So weit unsere Notizen. Wie gesagt, zur Sache können wir nicht viel an eigenen Anmerkungen beitragen, wohl aber zur Atmosphäre. General Ruzkoi machte einen freundlichen und hilfsbereiten Eindruck. Als er mit Nachfragen unterbrochen wurde (wie viele Wohnungen, wie viel mehr Sold?) schien er zwar überrascht, ging aber darauf ein. Frühere Moskaukorrespondenten sind dergleichen nicht gewohnt, sie kannten von Uniformierten eher einen entweder barschen oder herablassenden Ton. Mag also in vielem, was uns da präsentiert wurde, mehr Soll als Ist stecken – das kennt man auch aus hiesigen Armeereformen. Jedenfalls dokumentiert der Termin in einem hellgrünen Haus des Ministeriums die tatsächliche Absicht, „Streitkräfte mit neuem Antlitz“ zu schaffen.

Punkte, die uns besonders aufgefallen sind:

Die immer wieder betonte Bedeutung der sozialen Einbettung.

Dass die Bedeutung eines echten Unteroffizierskorps erkannt wird.

Der Vorrang von Welt- und Luftraum (samt Einführung einer neuen Truppengattung). Ja, Ja, Russland will natürlich als Weltmacht wahrgenommen werden.

Bei aller eingestandenermaßen Oberflächlichkeit unserer Russlandkenntnisse wagen wir doch die Vermutung, dass nicht die materielle Umrüstung die größte Herausforderung sein wird, sondern die Sache mit dem „neuen Antlitz“. Zumal, wenn die Mittel dann doch vorrangig ins Material (und in den Weltraum) gehen.

Und wer noch wissen will, was die Chefs noch gesagt haben, dem sei hier unsere Meldung aus der heutigen F.A.Z. angeboten:

löw. MOSKAU, 15. September. Die Bundeswehr soll Russland bei der Modernisierung seiner Streitkräfte unterstützen. Verteidigungsminister de Maizière stellte seinem Amtskollegen Serdjukow bei einem Besuch in Moskau am Donnerstag unter anderem Hilfe bei der Ausbildung von Militärpolizisten nach dem Vorbild der deutschen Feldjäger in Aussicht. Außerdem gehe es „in militärtechnischer Zusammenarbeit um Dinge, die es mit anderen Staaten so nicht gibt“. Russland interessiert sich für Trainingstechnik, wie sie im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen (Sachsen-Anhalt) in Gebrauch ist. Einen entsprechenden Vertrag mit der Betreiberfirma Rheinmetall hat Moskau bereits nach einem Besuch Serdjukows in Letzlingen im Juni abgeschlossen.

Russland arbeitet seit 2008 an einer tiefgreifenden Umgestaltung und Modernisierung seiner Streitkräfte. Sie sollen nicht mehr auf den Einsatz eines Mobilisierungsheeres in einem großen Krieg ausgerichtet sein, sondern kurzfristig schlagkräftige Verbände auf regional begrenzten Schauplätzen einsetzen können. Für die Umrüstung der Armee sollen nach Darstellung eines Offiziers des russischen Generalstabs, Generalmajor Ruzkoi, bis 2020 umgerechnet 500 Milliarden Euro ausgegeben werden. Die beiden Minister machten nach Darstellung de Maizières einen Erfahrungsaustausch über strukturell ähnliche Herausforderungen, wie sie auch bei der Neuausrichtung der Bundeswehr auftreten: „Wie man Widerstände in bürokratischen Apparaten überwindet, wie man mit Finanzministern redet.“

Bei der in Rede stehenden deutschen Unterstützung geht es vor allem um konzeptionelle Beratung. De Maizière betonte, es gebe keine russische „Wunschliste“, gefragt sei „Zusammenarbeit, keine Hilfe“. Die deutsche Bereitschaft zur Unterstützung sei „sehr groß, aber es gibt auch Grenzen“. Die lägen da, wo „Technologie und nationale Sicherheit“ betroffen seien.

Soviel zu den russischen Streitkräften mit neuem Antlitz. Apropos Antlitz: Kennt jemand diese Herren, die da in der Ahnengalerie im minzfarbenen Altbau hängen, wo wir unsere Unterrichtung erhalten haben?

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(Fotos, wenn auch in lausiger Handyqualität: löw.)


29 Lesermeinungen

  1. HansMeier555 sagt:

    Schlechte Ausbildung und...
    Schlechte Ausbildung und Ausrüstung haben aber auch was Gutes. Wer sich schwach fühlt, sucht nicht unnötig Streit.

  2. @ExKontingent: Ihr letzter...
    @ExKontingent: Ihr letzter Satz – „Soldat ist man, oder man ist es nicht“ verdient nicht nur uneingeschränkte Zustimmung, aber auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie man heute für den Beruf des Soldaten wirbt, ob es noch einen Platz für militärische Vorbilder gibt, ob Tapferkeit allenfalls eine militärische Sekundärtugend ist, die nicht mehr „lohnt“, etc. etc. . Das ist ein weites Feld, wobei von unserem neuen Verteidigungsminister erstmals seit langer Zeit wieder der Begriff „Ehrendienst“ gebraucht wurde. EMan sollte die Hoffnung nicht aufgeben.
    Zurück zur Pressekonferenz im Moskauer Verteidigungsministerium. Wenn man unterstellt, daß der Gegenstand der Unterrichtung den anreisenden Journalisten vorher bekannt war, fragt man sich doch, ob der deutsche Militärattaché-Stab die Gelegenheit zu einer Vorab-Information nicht genutzt hat. Im Computer-zeitalter ist es ja vergleichsweise einfach, mit den „Tags“ Militärreform oder Umfang der Streitkräfte und anderer bewaffneter Formationen, Stand der Ge-winnung von „Kontrakniki“ und künftige Aussichten, Gewinnung von qualifizier-ten Anwärtern für die Unteroffizierlaufbahn sich ein ziemlich genaues Bild über die Geschichte der Reformbemühungen der russischen Streitkräfte zu machen.
    Dann hätte man fragen können, wie ernst die jetzigen Ankündigungen zu neh-men sind, wenn sich fast alle Zeitpläne und Absichtserklärungen zur Reform der Streitkräfte seit Anfang der 90er Jahre als Makulatur erwiesen haben. So wird z.B. in einer am 2. Oktober 2003 vorgestellten und in der Armeezeitung „Roter Stern“ am 11. Oktober abgedruckten Denkschrift (АКТУАЛЬНЫЕ ЗАДАЧИ РАЗВИТИЯ ВООРУЖЕННЫХ СИЛ РОССИЙСКОЙ ФЕДЕРАЦИИ) dem anwesenden Präsidenten der Republik (Putin) gemeldet, die Personalstärke der Streitkräfte betrage gegenwärtig 1,16 Millionen und werde bis 2005 auf eine Million verringert. Sechs Jahre später ist dieses eher bescheidene Ziel immer noch nicht erreicht.

  3. Sehr guter Bericht. (...Frage...
    Sehr guter Bericht. (…Frage nur: Was woll´n die im Weltraum?)
    ..
    Fligeladjudant: Urra, Urra, Urra.
    ..
    Aha, eine veränderte Neuauflage der „Schwarzen Reichswehr“ oder so? Wenn es dabei bleiben sollte, nix gegen zu sagen…irgendwann jedem sein Tuchatschewski.
    ..
    ExKontingent@:
    Die DSO ist genau das, was seit 1990 angesagt war und immer noch ist.

  4. HansMeier555 sagt:

    1922 gab es weder...
    1922 gab es weder Frauenbeauftragte noch SMS. Aber es gab die Reichsmarine!
    Lesen Sie selbst:
    .
    „Als Heydrich es massiv an Feingefühl fehlen ließ – eine frühere Liebschaft beendete er, indem er der Dame eine Anzeige schickte, die seine eigene Verlobung mit seiner späteren Ehefrau Lina von Osten bekannt gab – entließ ihn die Marine-Leitung wegen „ehrenwidrigen Verhaltens“.
    .
    Von dieser Art Militarismus haben wir heute zuwenig.

  5. Stefan H. sagt:

    Zitat ExKontingent: "Ein...
    Zitat ExKontingent: „Ein Beispiel das ich immer wieder gerne anführe ist Kunduz im Jahr 2010. Eine deutsche Patrouille geriet in einen Hinterhalt und hatte hohe Verluste zu beklagen. Haben sie sich die Nachrichten mal genauer angesehen? Achten sie dabei auf die Truppengattung der Gefallenen und Verwundeten und ihre zugehörigkeit.“
    @ExKontingent
    Welchen Vorfall meinen Sie?
    02.04.10 – Betroffene war ein Infanteriezug
    15.04.10 – war aber nicht Provinz Kunduz sondern Baghlan -ein überschweres IED macht keinen Unterschied zwischen Fallschirmjägern und Pionieren und das eingesetzte OMLT war alles andere als nur Kontingentausgebildet und bestand auch mit Masse aus Infanterie.
    Ich kann Ihren Ausführungen nicht zustimmen.
    Die Kontingentausbildung – in 2010 – fand nicht in Hammelburg statt. Verluste in Kunduz/Baghlan haben was mit Soldatenglück/-pech und der Jahreszeit zu tun, aber nicht mit dem eingesetzten Großverband. Tendenziell sind die Verluste im ersten Halbjahr immer höher. Nach dem Winter kommen die frischen Verstärkungen der Insurgenten aus Pakistan und arbeiten sich an der Truppe ab.
    Der „neue“ FD-Uffz soll auch gar nicht mit dem „alten“ Uffz vergleichbar sein. Da die Beamtenbesoldung halt starr ist, musste die Höherbesoldung im Atraktivitätsprogramm durch höhere Dienstgrade geschaffen werden. Ein Gruppenführer oder Panzerkommandant/Kettenhund war früher StUffz und ist heute mindestens Fw. Der FD-StUffz am KPz ist Richtschütze und dafür sehr gut ausgebildet. Er ist kein Kommandant oder Gruppenführer und bekommt deshalb auch diese Ausbildung nicht. Wo ist das Problem? Man muss halt die Skala neu justieren – ansonsten hat sich NICHTS verschlechtert, außer das alle etwas mehr Geld und z.B. im Falle des Richtschützen deutlich längere Stehzeiten bekommen!

  6. ExKontingent sagt:

    Die neue Struktur ist ja auch...
    Die neue Struktur ist ja auch nicht im gesamten schlecht 🙂
    Die Reform wurde halbherzig und undurchdacht umgesetzt.
    So kam es während der Reform durchaus dazu, dass Fachunteroffiziere in reinen Kampfeinheiten landeten. Z12er Stuffze nurnoch Truppführer wahren und junge Feldwebel frisch von der AGA Gruppen führten.
    Eine Fachausbildung in der Truppe ist ja nicht schlecht, innerhalb der Fachtruppenteile. Das funktioniert bei den Sanis schon seit Jahrzehnten und hat sich bewährt. Fachleute einer Kampftruppe können aber nur innerhalb einer Kampftruppe ausgebildet werden, eine ziviele Qualifikation leuchtet mir da eher nicht ein. Das ist aber auch nur ein Teil der Reform gewesen. Den anderen, den der Besoldung haben sie ja korrekt angesprochen. Jedoch wäre es wesentlich nützlicher für die Truppe gewesen, wenn man nicht die alten Dienstgrade entwertet hätte und dafür sogar noch ihren guten Ruf benutzt hätte. Stuffz, das war früher was, Väter und ältere wissen das noch, der Stuffz war eine Respektsperson, ein Feldwebel gar unerreichbar. Wenn nun heute der Vater hört, dass sein Junge Stuffz wird ist das natürlich ganz was tolles. Ein nicht zu unterschätzendes Mittel der Propaganda zur Nachwuchgewinnung. Hätte man die Truppe spezialisieren wollen und gleichzeitig den Sold erhöhen, hätte man den DG des Specialist eingeführt anstatt den OSG abzuschaffen. Man hätte die Besoldung gem. den Besoldungsgesetzen einfach erhöhen können ohne dabei die DG zu entwerten.
    Oder aber man hätte die Fachdienstverwendung anhand der DGAbzeichen erkennbar machen können. Erzählen sie einem OSFw mal dass ein Uffz nichtmehr Uffz ist. Das führte dazu, dass die ersten Fachdienst Uffze ebenso hart rangenommen wurden wie die Truppendienst Uffze. Lassen sie sich mal Zahlen vorlegen, wieviele FUffz in den ersten beiden Dienstjahren ausschieden indem sie schlicht ihre Beförderung zum StUffz ablehnten, oder sie nach ihrer „Zivilen Aus-und Weiterbildung“ KzH bis DZE waren. Schichte Überforderung, nichtgehaltene Versprechen der Truppenwerbung und teils sogar Diskriminierung in der Truppe denn die „Alten“ kamen sich recht verarscht vor.

    FD in der motorisierten Einheit mag durchaus Sinnvoll sein. Zumindest in einer technischen Zweitverwendung. Bei Fallschirmjägern, Fernspähern, Jägern, Grenadieren etc. sind meist die einzig brauchbaren Fachverwendungen die Sanis und die Feuerwerker. Funker, GSIler etc. sind primär im Kampf ausgebildet und nur sekundär in der Nebentätigkeit. Den Dienstgrad aufgrund einer Nebentätigkeit zu erhöhen leuchtet ebensowenig ein. Was sollte z.b. ein Scharfschütze innerhalb einer Fallschirmjägergruppe gelernt haben um direkt StUffz zu sein? Schneider, weil er dann seinen Fallschirm selbst nähen kann?
    Die Ausrede die gerne benutzt wird, die Dienstgarde innerhalb der Truppe zu erhöhen um den Sold zu steigern ist nichts als eine faule Ausrede. Mit dem Ansehen der Dienstgrade hat man massiv Werbung betrieben und im gleichen Atemzug die Dienstgrade entwertet. Der StUffz ist nichmal mehr das was früher der HG war. Damit finden Menschen in der Truppe platz, die meiner Meinung dort nichts verloren haben. Vor 10 Jahren musste man es sich erkämpfen ins UffzKorp aufgenommen zu werden, man musste sportliche Leistung bringen, seine Amilamärsche und Läufe erfüllen, das DSA ablegen, psychologisch geeignet sein und Führungsqualitäten beweisen. Heute macht man einen PFT in Düsseldorf und wird dann nach kurzem tätatä mit einem Psychologen zum Uffz. Was früher ein Jahr des Beweisens und durchbeissens war ist heute 2 Tage gute Miene machen. So zersetzt man ein Uffzkorp, das früher mal das Rückradt der Armee war, sehr effektiv. Klar dass die „Neuen“ das nicht wahrhaben wollen und dem Widersprechen. Sie kennen es nicht anders und ihnen ist auch nicht im geringsten ein Vorwurf dafür zu machen. Natürlich hätte ich seinerzeit auch gern mehr Sold genommen und noch dazu einen höheren DG.

    Ich weiss nicht in welcher Truppengattung sie zuhause sind Stefan H., es deutet jedoch in Richtung PzTruppe. Ja, die ist Teil der Infantrie und doch in keinster Weise mit der echten Infantrie vergleichbar. Eine IEDD mach keinen Unterschied zwischen FschTrp und allen anderen. Das ist soweit richtig. Aber die FschTrp macht einen Unterschied. Sie geht anders vor als z.b. die PzTrp, denn der Strassen- und Häuserkampf ist ihr Spezialgebiet. Grünlitzen tun den lieben langen Tag nichts anderes als zu üben bis zum Erbrechen. Sie haben in der Heimat keinen Realauftrag, kein schweres Gerät zu versorgen etc. und die Übungen und Ausbildungen sind im Vergleich zur PzTrp oder anderen vergleichsweise Günstig. Der alte Slogan „Alle Soldaten des Heere haben die selbe Ausbildung und die selbe Qualität“ war schon vor der Reform hinfällig. Jede Truppengattung hat ihr Fachgebiet in dem jede selbst auch die besten sind. Die Reform wurde so angelegt, dass der eine nichtmehr ohne den anderen kann. Der Falli braucht den Nachschieber und der Nachschieber braucht jemanden der ihn Sichert, ist so ziemlich das einfachste Beispiel. Die PzTrp braucht die Fallis o.v.Trp um aufzuklären und um die Nahsicherung durchzuführen. Der Falli wiederrum braucht die PzTruppe als Unterstützung je nach Gefahrenlage.
    Dass ein FUffz an der Bordkanone, der gleichzeitig das Umfeld beobachtet und Gefahren meldet, keine versteckte IEDD am Strassenrand entdeckt ist wenig verwunderlich. Es ist einfach nicht seine Aufgabe sondern die der Feuerwerker und Aufklärer die man allerdings eher in den Kampfgruppen der DSO findet als bei einer PzBatterie.
    Die Reform war also schon gut durchdacht. Die ganzen Fachtruppenteile haben eine einzige Aufgabe. Den Kampftruppen zuzuarbeiten um die Aufträge möglichst effektiv und ohne eigene Verluste zu erfüllen. Das ist daber komplexes militärisches Denken das unsere Politiker nicht umzusetzen in der Lage sind.
    So leuchtet mir nicht ein, weshalb man Nachschieber der SKB, Instler und Funker zu einer Patrouille entsendet. Das hätte man vor 20 Jahren tun können als diese noch eine respektable Gefechtsausbildung hatten und nicht wie heute eine Fachausbildung und eine kurze bündige Grundausbildung an der Waffe. Die Panzertruppe schließe ich da nicht aus. Zwar sind sie zu den Kampftruppen zählend und ohne Frage sehr gut in dem was sie tun…solange sie in ihrem Panzer sind. Die Grundmilitärische Ausbildung ist aber auch da beschnitten worden. Selbst die AGA ist heute der Truppengattung angepasst und überwiegend schon aufs Fach bezogen, die SGA ist sogar rein fachlich ausgelegt.
    Die allgemeine Gefwechtsausbildung wie sie früher hieß, die längst wertlos ist, da sich die Anforderungen grundlegend geändert haben, wurde nicht aufgestockt und verbessert, sie wurde auf ein Minimum reduziert. Wenn ich höre, dass noch heute Soldaten im Wald und Wiesenkampf ausgebildet werden und man das dann Gefechtsausbildung nennt bekomme ich zuviel. Der heutige Kampf findet im Verdeckten, in Häusern und Stassenschluchten statt…nicht im heimischen Wald um die Ecke. In Hammelburg, Daaden und Sennelager hat man die möglichkeiten das in sehr realistischer Form auszubilden und zu üben und mit AKTUS ein gutes System. Nur wird es kaum genutzt.
    So tragisch es klingt und so ungern es der Deutsche hören will. In AFG und in allen Krisengebieten dieser Welt kann man gewisse Situationen in die man immer geraten kann, nur dann überleben, wenn man Kämpfen kann. Das Bild mag nicht zu dem öffentlichen des knabenhaften Soldaten passen, doch genau so ist es. In solchen Momenten zählt einzig und allein die Gefechtsausbildung und über die verfügt nur ein geringer Teil der BW aufgrund der Fachdienstlaufbahnen. Es kann auch kein Mensch erwarten, dass ein Funker oder ein Pionier in einer Gefahrensituation zum Gegenangriff übergeht oder einen Trupp zur Flankierung führt. Aber er sollte seine Waffe zu 100% im Griff haben, sollte die gängigen Kommandos, verbal wie nonverbal im Gefecht kennen und er sollte wissen, wir und wo er Deckung vor Beschuss findet. Sie können ja mal ausprobieren, ob sie hinter einem Auto, einem Lehmmäuerschen oder ä. vor 7,62x51mm in Sicherheit sind. Solche „Kleinigkeiten“ müssen funktionieren ohne zu überlegen, eine Störung an der Waffe muss beseitigt werden ohne langes zögern oder überlegen, Antworten auf Kommandos müssen kurz, präziese und verständlich sein. Um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen. Stattdessen bringt man den Soldaten in ihren wenigen Gefechtsstunden bei, dass Wirkung vor Deckung geht. Für Fachdienstler im Gefecht mit einem Erfahrenen Gegner ein fast sicheres Todesurteil. Jeder Soldat der in AFG das Lager verlässt kann in solche Situationen kommen. Auch aus einem Panzer muss man evtl. mal aussteigen wie die Erfahrung uns lehrte. Desswegen sollten die Soldaten darauf Vorbereitet sein und die die es nicht sind, sollten im Lager bleiben.
    ….
    Was den beschriebenen Vorfall betrifft, so war dieser nicht wie vorher von mir geschrieben 2010 sondern bereits 2009, ich bitte den Fehler zu entschuldigen. Eine deutsche Patrouille wurde direkt von Taliban angegriffen. Dabei starb ein deutscher Soldat und neun weitere wurden verletzt. US-Marines mischten sich in das Gefecht ein und beendeten es. Durch die direkte Kritik der US-Streitkräfte an der Unerfahrenheit der deutschen Soldaten wurde intern eine Debatte in gang gebracht. Die US-Soldaten wurden geehrt und ausgezeichnet und dem Kommandeur zugesagt, die Probleme in den Griff zu bekommen.
    Was davon an die Öffentlichkeit trat waren die Tatsache, dass etwas passiert war, wieviele Tote Deutsche es gab, wieviele Verletzte Deutsche es gab und dass die Amerikaner eingriffen, sowie uns nachträglich kritisierten….mit Recht wohlgemerkt…was so aber öffentlich auch nie eingestanden wurde.
    Die Reaktionen innerhalb der Truppe und der Führung waren jedoch sofort spürbar. Sämtliche Einsätze und geplanten Aktionen wurden gestoppt oder unmittelbar an die DSO abgegeben, wenn sie ihrer Wichtigkeit wegen nicht gestoppt werden konnten.
    Wenn man eine Armee in eine Facharmee umgliedert dann sollte man auch darauf achten, dass man die Soldaten auch in ihrem Fach einsetzt. Den Pianisten zum Kohle schippen einsetzen macht ihn über kurz oder lang kaputt…ebensowenig kann der Baggerfahrer wohl kaum eine IEDD entschärfen ohne dabei schaden zu nehmen.
    Das ist das Problem nach dem sie fragten.
    Die Reform zur Fachtruppe wäre so einfach gewesen. Vorbilder erfahrener Armeen haben wir in Europa zu hauf. Das britische Vorbild der DG und Zeitfristen z.b. Mannschaftsdienstgrade können dort Berufssoldaten werden. Ihrem Fachwissen nach in ihren Bereichen erdienen sie sich innerhalb der Truppe einen hohen Respekt und sind versorgt bis zur Pension. Die jungen Soldaten dagegen können von den Erfahrungen der „Alten“ lernen und profitieren. Die Fachbereiche sind ebenfalls kenntlich gemacht. Ein MSG der Pioniere z.b. hat einem Specialist der Sanis nichts zu befehlen,es sein denn es ist innerhalb seines Fachbereiches. Ähnlich dem Fachvorgesetztenverhältniss im Sanitätswesen der BW. Hätte man diesen roten Faden der Fachdienstler aufgegriffen und ihn durch alle Fachdienstbereiche durchgeführt wäre einiges anders gelaufen.

  7. Stefan H. sagt:

    @ExKontingent
    Es scheint mir,...

    @ExKontingent
    Es scheint mir, dass Sie aus eigener Betroffenheit heraus etwas die Tatsachen etwas verkennen. Richtig ist, dass in der Übergangszeit der Modelle es zu Verwerfungen gekommen ist, inzwischen gibt es aber keine Alt-StUffze mehr. Sie haben heute genau so ein Fw-Korps in einer Kompanie, wie Sie früher ein UffzKorps hatten. Die Qualität ist analog – nur mit einem anderen Dienstgrad versehen. Greifen Sie einfach immer zwei Dienstgrade höher und Sie haben das identische Ergebnis. Die Besoldungsgruppen sind halt nicht veränderbar – A1-16 gibt es halt bei Väterchen Staat querschnittlich. Da die Polizei nach einer Reform im UmP-Bereich besser bezahlt hat und insbesondere schneller die Besoldungsstufen erreichbar waren, musste die Bw da nachziehen, um bei der Nachwuchsgewinnung nicht den Kürzeren zu ziehen.
    Der OFw von heute ist um kein Haar schlechter, als Alt-StUffz von früher, hat ja i.D.R. auch die vergleichbare Ausbildung und Stehzeit. Die FD-StUffz die ich sowohl im Einsatz als auch daheim kennen gelernt habe, waren alle nicht mit höherem Dienstgrad eingestellt, sondern haben sich diesen ganz regulär erdient. Sie wurden aber nicht mehr zum Gruppenführer ausgebildet, sondern ausschließlich in ihrer Spezialistenrolle. Fahrer, Richtschütze, Scharfschütze etc., FD war in diesem Fall nicht im Bezug auf berufliche Vorqualifikation, sondern die im Vergleich zu dem „alten“ Modell vorgenommene Fachspezialisierung. Wenn man so will also Funktionen die früher von Mannschaftsdienstgraden wahrgenommen wurden, wo aber mit SaZ 4-12 FD-Uffz durch Stehzeit und Ausbildung eine Professionalisierung eingetreten ist.
    Was so alles außerhalb eines PRT – auch abgesessen und im TIC – abläuft, ist mir sehr gut vertraut. Dass man nie genug Gefechtsausbildung und Handlungstraining haben kann, unterschreibe ich sofort. Allerdings bitte ich Sie die Geschichte im Bezug auf Truppengattung und IED-Aufklärung zu streichen, da ich hier persönliche Betroffenheit entwickle. Unsere Verluste waren „Grünlitzen“ und ein EOD-Trupp – nicht jedes IED bemerkt man, selbst mit Wallon…

  8. phkort sagt:

    es ist wie im neunzehnten...
    es ist wie im neunzehnten jahrhundert und nach dem ersten weltkrieg, als die reichswehr wegen der verbote des versailler vertrages ihre panzertruppen in der sowjetunion ausbildete.

  9. Quod erat demonstrandum: so...
    Quod erat demonstrandum: so leicht ist es nach dem grundlegend mißlungenen neuen Auftritt der F.A.Z. hier unter „falscher Flagge“ zu segeln.

  10. Danke für den Hinweis,...
    Danke für den Hinweis, „Stephan Löwenstein“.

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