Buchvorstellung im Atrium des F.A.Z.-Hauses in Berlin, Peter Struck als Laudator von „Sterben für Kabul“ von Marco Seliger. Drei Punkte aus dem Notizbuch:
Struck lobt das Buch als „geschriebenes Mahnmal“, dem wegen seiner eindrücklichen Schilderungen eine weite Verbreitung zu wünschen sei. Es beschreibe den „Weg von einer eher unbekümmerten Aufbauarbeit für die Soldaten in einen Krieg, in den sie von den Aufständischen verwickelt wurden“. Er, Struck, habe von Anfang an bei jeder Gelegenheit gesagt, dass der Einsatz gefährlich sei und die Soldaten in die Lage kommen könnten zu töten oder getötet zu werden. „Ich gebe allerdings zu, ich habe mich nie daran beteiligt, die Gefährlichkeit der Lage mit der Vokabel Krieg zu dramatisieren.“ Er habe das Wort deswegen vermieden, weil er die Terroristen nicht als Kriegsgegner habe aufwerten wollen. Außerdem habe in jener Zeit geradezu ein „journalistischer Wettlauf“ stattgefunden, „wem das Wort Krieg als ersten abgepresst wird“.
Zweite Aussage Strucks, die ich notiert habe: Das Ausmaß der Schierigkeiten habe er nicht vorausgesehen – „aber wer hat das?“ Es habe schließlich keine „Blaupause“ für einen solchen Einsatz gegeben. Man habe einen zehnjährigen Lernprozess hinter sich. „Immer wieder haben die westlichen Truppen nach neuen Lösungen suchen müssen.“ Es gebe keinen „Königsweg“. Das könne man am Beispiel Pakistan erkennen. Zwar sei es wahr, dass dort die Ursache vieler Probleme liege, doch diese militärisch anzugehen, könne sich keine Nation zumuten. „Richtige Wege sind oft nicht gangbar.“
Drittens: „Ich bleibe dabei, dass am Hindukusch immer noch Deutschlands Sicherheit verteidigt wird.“ Man dürfe den Einsatz nicht von der terroristischen Bedrohung isoliert sehen, schließlich sei Ausgangspunkt gewesen, dass in afghanischen Terrorcamps Angriffe bei uns vorbereitet worden seien. „Wir sind nicht nach Afghanistan gegangen, um als Gutmenschen das Land aufzubauen. Der Wiederaufbau war kein reiner Selbstzweck“.
Dazu zwei Anmerkungen: Was das Wort „Krieg“ betrifft, so hatte ich mich selbst an besagtem Wettbewerb damals nicht beteiligen mögen, weil mir die Methode Halte-das-Stöckchen-hin-und-sieh-wer-darüberspringt keinen wirklichen journalistischen Mehrwert verspricht. Wichtiger als das Kriegsgeschrei erschien es mir vor zwei Jahren, Einsatzregeln und Rechtssicherheit für die Soldaten an die Realität anzupassen. Was ich aber nicht erkannt habe, war, dass die Einordnung des Einsatzes als bewaffneter Konflikt, vulgo Krieg, für die Rechtssicherheit eine wichtige Voraussetzung war, wie dann anhand der Causa Klein zu sehen war. Insofern gebührt dem früheren Verteidigungsminister zu Guttenberg, der sich damals gleich an diese Vokabel herangetastet hat, ein wichtiges Verdienst, das auch durch seinen späteren unschönen Abgang nicht geschmälert wird. Das gilt insgesamt für seinen Einsatz dafür, den Afghanistaneinsatz und die Leistung der Soldaten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken – viele (politische Gegner) haben darin vor allem eine Selbstinszenierung gesehen, ich habe aber keinen Zweifel daran, dass diese Intention ehrlich war (auch wenn die Schraube dann und wann überdreht wurde). Eine damnatio memoriae Guttenbergs, wie sie zur Zeit zu beobachten ist, ist jedenfalls genauso fehl am Platz wie die zeitweilige Glorifizierung.
Und was das Vorhersehen der Schwierigkeiten betrifft, kann ich für mich nichts reklamieren, möchte mir aber eine Verbeugung vor Karl Feldmeyer erlauben, dem sicherheitspolitischen Korrespondenten der F.A.Z. bis 2004. Ein Gang ins Archiv dieser Zeitung fördert beispielsweise nachdenkliche Bewertungen zutage, als es darum ging, ob die Bundeswehr ihren Einsatz über Kabul hinaus auf Kundus ausdehnen solle:
„Wenn das deutsche Team aber weisungsgemäß den Drogenhandel in seinem Verantwortungsbereich bekämpfen muß und zudem auch noch die Autorität der Zentralregierung durchzusetzen versucht, so sind Konflikte mit den Interessen des Kriegsherrn Fahim Khan zu befürchten – und möglicherweise dann auch mit seiner Privatarmee. Fahim Khan ist aber nur ein Risikofaktor. Weitere sind der General Daud, der bislang als Gefolgsmann von Fahim Khan galt, nun aber zunehmend eigene politische Ziele verfolgt. Weitere Unwägbarkeiten verbinden sich mit dem Gouverneur der Provinz Kundus, Latif, und dem usbekischen General Dostum. Schließlich ist in der Stadt ein weiterer Kriegsherr, Hekmatyar, zu Hause; und nicht zuletzt sollen sich ehemalige Taliban-Kämpfer in der Region versteckt halten. All das gehört zum Risikopotential, dessen Oberfläche von der Bundesregierung derzeit als relativ sicher bewertet wird. Das kann sich rasch ändern.“ (aus: Einsatz in einem Rauschgiftstaat, Unterstützung von Kriegsherren? Risiken und Nebenwirkungen in Kundus / Von Karl Feldmeyer vom 30.8.2003)
Oder: „Worum also geht es in Afghanistan, seit die Aufgabe, die Amerika und seine Verbündeten in das Land gebracht hat, nämlich die Zerschlagung der Organisationen und Strukturen des internationalen Terrors, dort im wesentlichen erledigt ist? Es geht darum, die mit massiver westlicher Unterstützung eingesetzte provisorische Zentralregierung im Amt zu halten, das Zustandekommen eines frei gewählten Parlaments zu ermöglichen und der Regierung die Kontrolle über das ganze Land zu verschaffen, das seit der Vertreibung des einstigen Königs Zahir Schah in mehrere Herrschaftsgebiete aufgeteilt ist. Kein Zweifel, es wäre erfreulich, wenn sich die Dinge so entwickeln würden. Aber ob Afghanistan zentral oder in mehrere Territorien aufgeteilt regiert wird, ob es als westliche oder islamische Republik existiert oder wie sonst – das zu verfolgen rechtfertigt nicht, das Leben deutscher Soldaten zu riskieren. Die Vorstellung, das wiedervereinte Deutschland habe sich im Kreise seiner Verbündeten als globale Ordnungsmacht zu verstehen, dazu berufen, am Hindukusch ebenso wie in Kongo oder im Mittleren Osten westliche Normen von Recht und Ordnung durchzusetzen, wäre eine maßlose Überschätzung.“ (Was Deutschlands Interesse ist / Von Karl Feldmeyer vom 21.8.2003)
(Nachtrag für Liebhaber und Connaisseure: Inzwischen gibt es Struck bei Thomas Wiegold zum Nachhören.)
Da stimme ich, als...
Da stimme ich, als Nicht-Journalist, Herrn Feldmeyer zu. Es ist ein Kriegseinsatz, dessen Zielsetzungen für einen Aussenstehenden diffus erscheinen. Die Hoffnung auf einen Frieden und etwas wie Demokratie nach westlichen Maßstäben wird sich wahrscheinlich schnell wieder auflösen sollten die Truppen abziehen. Geschichtlich betrachtet ist der Faktor Zeit auf Seiten der etablierten Mächte – schon die Briten und die Russen haben es nicht geschafft, ihre Strukturen über einen längeren Zeitpunkt zu manifestieren. Und ein Truppenanbzug wird schon aus finanziellen Gründen für die USA unausweichlich sein. On dieser Einsatz einen Sinn hatte, wenn ich bei einem Kriegseinsatz überhaupt von Sinn schreiben darf, wird erst die nähere Zukunft zeigen.
"Und was das Vorhersehen der...
„Und was das Vorhersehen der Schwierigkeiten betrifft, kann ich für mich nichts reklamieren,“
Das ehrt Sie. Ich für mich schon. Mit nur minimalen Kenntnissen über Afghanistan und seine Geschichte habe ich immer mit wachsendem Unverständnis zur Kenntnis genommen, dass führende deutsche Politiker den Einsatz als Wiederaufbauhilfe verkauft haben. Bei der die Helfer nur irgendwie bewaffnet sein mussten, weil sie ja Soldaten seien.
Was natürlich auch etwas damit zu tun hat, dass unsere gesellschaftlichen Eliten (führende Politiker eingeschlossen) den Dienst mit der Waffe entweder als Dummheit (vergeudete Zeit) oder gar als (halb)faschistisch angesehen, für sich abgelehnt und die Armee auch öffentlich entsprechend denunziert haben.
Und dementsprechend überzogen fiel das Entsetzen aus, als es zu einer (auf dem Schlachtfeld unvermeidlichen) Entscheidung kam, bei der über 100 Menschen möglicherweise vollkommen unschuldig starben. Wer Krieg kennt und sich mit Krieg auseinandersetzt, der weiss, dass solche „sinnlosen“ Tode manchmal unvermeidlich sind. Wer die Auseinandersetzung mit dem Krieg aus Bequemlichkeit oder aus Gewissensgründen ablehnt, dessen empfindsame Seele nimmt schon beim ersten Sarg schaden. Aber es sind exakt diese Sensibelchen, die ihre Soldaten leichtfertig, schlecht vorbnereitet, mit unklaren Einsatzgrundsätzen und einer irrealen Strategie in den Krieg führen. In westlichen Demokratien fürchte ich den Bequemlichkeitspazifisten weit mehr, als den General. Der Erstgenannte wird den grösseren Schaden verursachen.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ThorHa: ...genau so, wie Sie...
@ThorHa: …genau so, wie Sie schreiben. es gibt nichts schlimmeres als möchtegern-experten, die selber um den preis der einsätze nicht wissen, weil selber ungedient, und dann die jungen leute ins verderben schicken.
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immer mit der moralkeule im gepäck, ohne zu wissen, worüber sie eigentlich reden. jeder ehrliche, verantwortungsvolle und rationale militär ist mehr wert als eine hundertschaft moralisch selbstgewisser kriegsdienstverweigerer, die eine armee in einen krieg schickt.
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die grünen wollten einst die NATO abschaffen. später waren sie leichtfertig in jugoslawien mit von der partie. heute glaubt der grüne verteidigungsmann (welche waffengattung?) in sachen syrien zum krieg anstacheln zu müssen. verwerflich und tragisch.
d.weise
Bei allem Respekt vor der...
Bei allem Respekt vor der Gebirgskunde unserer Großpolitiker: Deutschland wird derzeit wohl eher am Olymp verteidigt.
Bei allem Respekt vor der...
Bei allem Respekt vor der Gebirgskunde unserer Großpolitiker: Deutschland wird derzeit wohl eher am Olymp verteidigt.
"ich"?!
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Wir dachten, das...
„ich“?!
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Wir dachten, das heißt „wir“.
Die Deutschen wollen in...
Die Deutschen wollen in Afghanistan mitkaempfen. Die Nato hat da nichts verloren.
Die Bundeswehr hat die Aufgabe Deutschland in Deutschland zu schuetzen.
Die Amerikaner ziehen aus Afghanistan ab. Die Regierung Karzai wird ohne Waffenhilfe und Soldaten aus dem Ausland den Staat Afghanistan nicht regieren koennen.
Was die SPD da geritten hat, in diesen Konflikt einzugreifen, habe ich immer noch nicht verstanden.
Die Deutschen haben in zwei Weltkriegen gekaempft. Der Krieg in Afghanistan ist eine gute Gelegenheit fuer Waffenproduzenten und Waffenhaendler ihre Produkte zu verkaufen. Die Soldaten der Bundeswehr sind die Bauernopfer.
Denk vorm Schuss
Unabhängig von der...
Unabhängig von der Kriegsdiskussion war das Ganze schon seit Beginn ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt und die ISAF nach Kap. VII UN-Charta auch zu offfensiven Maßnahmen ermächtigt. Daher ist die Einsatzregeln/ ROE Diskussion nicht ein Neben- oder Unterthema zur Kriegsdiskussion, sondern deren Kern.
Wie wenig dies verstanden wird zeigt Struck nochmals in dem er wie auch noch 2008 im Bundestag darauf verwiesen hat, dass man Terroristen nicht als Kriegsgegner habe aufwerten wollen. Das ist derselbe Quatsch den die Rechtsabteilung des BMVg jahrelang heruntergebetet hat.
Diese Argumentation übersieht jedoch, dass in einem nichtinternationalen Konflikt auch die eigene Seite mehr deutlich Befugnisse zur Gegnerbekämpfung eingeräumt werden, die für die Erfüllung eines Kap. VII-Auftrages notwendig sind. Die Bundesregierung hat jedoch auf dem kleinen Dienstweg (ROE) deutschen Soldaten weniger Befugnisse gegeben als Polizisten in Deutschland auf der Straße. Auch als das BMVg vom Parlament massiv gedrängt wurde dies zu ändern, passierte nichts – erst als es durch restriktive Auslegung der ROE zu Gefallenen kam, wurden die ROE 2009 geändert.
Auch in der Causa Klein hat die Bundesanwaltschaft nicht die Aussagen der Bundesregierung als Bewertungsgrundlage herangezogen, sondern die Lage im Einsatz – somit ist die Kriegsdebatte in weiten Teilen eine typische Berliner Scheindebatte. Gleichwohl ist es sicher ein Verdienst des ehem. Ministers hier Klartext zu sprechen.
Afghanistan wird - egal wann...
Afghanistan wird – egal wann ISAF endlich abzieht – die steinzeitlich-islamische Clan-Gesellschaft haben wie zuvor. Der Westen wird von Karzai und anderen Clan-Chefs lediglich zur Stabilisierung der eigenen Macht missbraucht. Karzai weiss genau, dass er mit den Hilfsgeldern des Westens – die zu mehr als 90% in die eigenen Taschen fliessen und in Koffern ausser Landes geschafft werden (vgl. CIA Bericht), eine möglichst starke Allianz mit den korrupten Clan-Chefs formen muss, damit er nach dem Abzug von ISAF an der Macht bleibt. Clan-Chefs in Afghanistan sind alliiert mit demjenigen, der den besten Preis zahlt. Dieses Geschacher ist nicht das Blut eines einzigen deutschen Soldaten wert. Mit Landesverteidigung Deutschlands am Hindukusch hat das alles nichts zu tun. Deutschland fordert mit 3/4 Mehrheit den sofortigen Abzug der BW. Was Holland kann, sollte bei uns auch möglich sein – sofortiger geordneter Beginn des Abzugs. Wie lange müssen wir noch ertragen, dass selbstgerechte Politkarrieristen wie Merkel oder De Maiziere uns, den Souverän (Wähler), missachten?