Zur Sicherheit

Berliner Luft

Der Einsatzgruppenversorger „Berlin“ hat, kaum dass er am Horn von Afrika den Dienst als Piratenjäger angetreten hat, sogleich acht Piraterieverdächtige arretiert, wie die Bundeswehr mitteilt. Eine Zelle war bereits vorbereitet, sie liegt auf dem vorderen Teil des Schiffes zwischen Containern.

 Das Gefängnis ist sogar interkulturell sensibel ausgestattet. Man sollte es nur vermeiden, das Buch hinterher zu verbrennen.

Gleichwohl dürften die mutmaßlichen Piraten, wenn die zuletzt geübte Praxis beibehalten wird, am nächsterreichten somalischen Strand wieder ausgesetzt werden. Denn die Neigung zu Piratenprozessen hat doch sowohl in Kenia, als auch auf den Seychellen deutlich nachgelassen. Von Hamburg ganz zu schweigen, selbst wenn wieder einmal ein Vorfall mit deutschem Bezug sich ereignen sollte.

Anfang dieser Woche hatte ich Gelegenheit, diese Bilder zu machen und verschiedenen Leuten auf der „Berlin“ und der Fregatte „Lübeck“ Fragen zu stellen, als ich über einen Besuch des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Volker Wieker, berichtete (mit dabei auch die Kollegin von der „Welt“). Ein paar Erkenntnisse bei der Gelegenheit:

Die militärischen Schutzbesatzungen für zivile Schiffe (Vessel Protection Detachements, VPD), zunächst vor allem von Franzosen eingesetzt, machen Schule. Auch Holländer, Italiener setzen zunehmend darauf. Diese Maßnahme hat sich bislang als wirkungsvoll erwiesen: Noch kein Schiff, das von einer bewaffneten Mannschaft geschützt wurde, ist gekapert worden. Allerdings ist auch eine Folge eingetreten, vor der Gegner einer solchen Maßnahme gewarnt hatten, nämlich eine gewisse Eskalation. Piraten drehen nicht mehr automatisch bei, wenn sie bemerken, dass Bewaffnete an Bord sind. Es kommt zu Schusswechseln, ein deutscher Soldat sprach von einem längeren Feuergefecht, das er nicht selbst erlebt, von dem er aber von einem Beteiligten aus erster Hand gehört habe.

Daher ist es keineswegs abwegig, wenn die VPD auch mit größerem Kaliber ausgerüstet werden.

Die Schutzkomponente ist demgegenüber eher unterentwickelt. Die Soldaten haben ihre Schutzwesten. Ansonsten könnten sie sich höchstens ein Sandsacknest auf Deck bauen. Andererseits klingen sie recht zuversichtlich, was die eigene Reichweite und Treffsicherheit von der größeren Plattform aus gegenüber Kalaschnikows und Panzerfäusten von, Piratenskiffs aus abgefeuert, betrifft. Eine andere Frage  ist die von Hygiene und Versorgung. Die Deutschen werden als VPD bislang ausschließlich auf Hilfstransporten des Welternährungsprogramms WFP eingesetzt, oft örtlich gechartete Frachter. Andeutungen reichen um zu begreifen, dass die Soldaten vollkommen autark sein wollen, was Wasser, Nahrung und auch die Behelfslatrine betrifft. Stärke des deutschen VPD: Ein Offizier, ein Portepeeunteroffizier, eine (in diesem Fall) Rettungssanitäterin und neun Mannschaften.

Anders als beispielsweise die Niederländer können die Deutschen bislang allerdings nicht als „autonome VPD“ eingesetzt werden. Es muss immer das eigene Schiff in Reichweite bleiben, maximal eine halbe Hubschrauberstunde entfernt. Das hat mit der „Golden Hour“ zu tun, der Vorschrift, dass ein Verwundeter binnen einer Stunde in die Versorgung eines Feldlazaretts oder ähnlichem überführt werden muss. Der VPD-Führer, ein junger Oberleutnant zur See, meint, dass man auch autonomer agieren könnte, ein sanitätsdienstlich als „Combat First Responer“ ausgebildeter Soldat im Team würde es auch tun. Mit sichtlichem Interesse hat der Generalinspekteur sich das angehört. Er sagt zu den autonomen VPD jedoch nur allgemein: „Die Niederländer machen damit jetzt ihre ersten Erfahrungen. Davon hoffen wir zu profitieren und unsere eigenen Lehren daraus zu ziehen.“  

 

(Fotos: löw.)

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