Tour durchs Valley

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Wissenschaftler bloggen zu den Trends, Technologien und Menschen, die sie bestimmen, und den Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft

Die neue Nachdenklichkeit im Silicon Valley

| 3 Lesermeinungen

Im Vergleich zu unserem letzten Besuch im Jahre 2015  wirken unsere Gesprächspartner im Silicon Valley ungewohnt nachdenklich. Vor zwei Jahren wähnte man sich hier auf der Gewinnerseite der Geschichte und war überzeugt, die Welt mit revolutionär neuen Technologien retten zu können. Und jetzt? Die hehren Ziele gelten zwar noch immer. Mark Zuckerberg hat das gerade wieder in seiner Rede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Harvard deutlich gemacht. In dieser Rede und ebenso in den Interviews wird die Überzeugung deutlich, dass das Valley ein überlegenes Modell des Wirtschaftens repräsentiert, das sich letztlich durchsetzen wird. Aber mittlerweile werden die Töne reflektierter und differenzierter.

© APWird nachdenklicher: Ehrendoktor Zuckerberg

Unsere Gesprächspartner machen sich Gedanken darüber, dass ihre Art des Wirtschaftswachstums zwar tolle Produkte liefert und die Börsenwerte durch die Decke treibt. Aber sie sehen auch, dass sie nicht im gleichen Maße Beschäftigung schafft, wie das in der „Old Economy” der Fall war. Und sie nehmen vermehrt Anteil daran, dass ihre Wachstumsstrategie Tausende von Beschäftigten in den alten Industrien ihren Job kosten könnte. Dass gar generell die Aussichten für alle Beschäftigten, die nicht als Fachkräfte in der digitalen Ökonomie beschäftigt sind, ohne aktive Gestaltung eher düster sind.

Für uns eine überraschende Wendung: Wo vorher die naive Überzeugung vorherrschte, dass eine Technologie nur sexy genug sein müsse, um automatisch die Welt zu verändern, denkt man nun über langwierige Transformationsprozesse nach und fragt sich, wie man die Entscheider der „Old Economy” vom Nutzen der eigenen Produkte überzeugen kann. Kurzum, das Valley beginnt erwachsen zu werden: Was vorher mit spielerischer Leichtigkeit zu haben schien, braucht nun harte Arbeit und ein konsequentes Ringen um den Fortschritt.

Dieser Stimmungswandel hat zwei Ursachen. Zum einen ist den Akteuren hier der Wahlsieg von Donald Trump in die Glieder gefahren. Er hat auf eine brutale Art die große Schwachstelle des Silicon Valley offengelegt: Die soziale Frage. Wer, wie die Internet-Wirtschaft, Wirtschaftswachstum von Beschäftigung entkoppelt und für Millionen von Menschen in den „rust belts” nicht mehr zu bieten hat als das laue Versprechen auf ein Grundeinkommen, läuft Gefahr, die Bindung an die Menschen zu verlieren.

Die zweite Ursache liegt im Erfolg des Valleys begründet. Begnügte man sich bis vor kurzem damit, die neuen Technologien im Internet voran zu bringen, so haben sich die Unternehmen der Bay Area nun den Brückenschlag in die „Old Economy“, insbesondere in deren industriellen Kerne, auf die Fahne geschrieben. Sie kommen damit in eine neue Entwicklungsphase. Hat es ihnen bislang gereicht, sich im eigenen Erfolg zu spiegeln und an den exponentiellen Wachstumsraten der Computertechnologie zu erfreuen, müssen sie nun Kunden in den traditionellen Unternehmen von der Nützlichkeit ihrer Produkte überzeugen.

Der angestrebte Brückenschlag in die „Old Economy“ konfrontiert sie mit etwas für sie bislang völlig Unbekanntem. Wie setzt man einen Transformationsprozess in „klassischen“ und lange gewachsenen Sozial- und Kundenbeziehungen um? Diese Frage stellt die Internet-Unternehmen vor neue Herausforderungen. Während das Valley sein aktuelles Konzept der disruptiven Innovationen auf der „grünen Wiese”, also vorwiegend in den Strukturen von Start-ups und jungen Internet-Unternehmen und unter dem „Schutzschirm“ von Risikokapitalgebern entwickelt hat, steht es nun vor der Aufgabe, Disruption in gewachsenen Strukturen voran zu treiben. Damit die Internet-Unternehmen ihren Siegeszug weiter fortsetzen können, müssen sie sich nun mit den „Widrigkeiten“ der realen Welt herumschlagen. Es wird spannend sein, zu sehen, welche Wirkung dies auf das Silicon Valley hat. Das muss ihm nicht zum Nachteil gereichen. Die Stanford-University hat jedenfalls gerade ein großes interdisziplinäres Projekt gestartet, das die Beschäftigungsmöglichkeiten in der digitalen Welt erforschen soll.


3 Lesermeinungen

  1. ThomasRiedel sagt:

    Begrüßenswerter Realismus, den Arbeitsmarkt betreffend; Deutschland kann davon nur lernen
    Es war lange überfällig, dass die Internetunternehmen aus der Bay Area einmal aussprechen, welche Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt nicht nur bei ihnen, sondern eher kurzfristig auch überall sonst auf dem Arbeitsmarkt in fortgeschrittenen Wirtschaftsordnungen gestellt werden. Das bedeutet auch ein Ende der Illusionen, die die Migrationsideologen hinter Merkel und de Maiziere nähren. Gerade an der Stanford University ist diese Ideologie noch stark, aber offensichtlich, Ihrer Beobachtung zufolge, offensichtlich illusionär. Ich war vor einigen Wochen an der Stanford University und hatte ein kurzes Gespräch mit einem deutschen Ph.D.-Studenten dort, der sich mit der Integration der „Flüchtlinge“ in den deutschen Arbeitsmarkt befasste. Er gab kund: „Wir müssen den Großteil davon qualifizieren, denn wir haben gar keine Wahl.“ Ein bisschen illusorisch!

  2. jemandanders sagt:

    Wir können es, also machen wir es...
    … genau das ist die Mentalität im Silicon Valley. Was die Konsequenzen sind, interessiert erstmal niemanden, denn die Überzeugung/Begeisterung für die neue Idee wischt jeden Zweifel hinfort. Was zählt ist die Idee. In einem Land, in welchem „freedom“ ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Wert ist, fällt die oben genannte Maxime auf furchtbarsten Boden. Fehlt es an Konsequenzdenken im Silicon Valley, in den USA? Wenn ich mir Facebook, Google und Amazon so ansehe, dann mag ich manchmal glauben, dass es nicht nur an solchem Denken fehlt, sondern noch Ignoranz hinzu kommt. Ignoranz für Datenschutz, Ignoranz für soziale Verpflichtungen, Ignoranz für die Konsequenzen des Handelns. Und dennoch ist das Schwert zweischneidig, denn nicht wenig, was aus dem Silicon Valley kommt, gefällt uns und ist nützlich. Ob es Erfolg hat oder nicht, dies wird indes beim Verbraucher entscheiden.

  3. Schlotelburg sagt:

    keine Grundlagenforschung
    Das SillyCon Valley macht nicht nur unzählige Menschen arbeitslos, es produziert auch sonst keine bleibenden Werte. Dort wird keine Grundlagenforschung in den Natur- oder Geisteswissenschaften betrieben. Die hyper-superintelligenten Menschen (nicht ironisch), die dort arbeiten, verschwenden ihre exzeptionellen Fähigkeiten an der Entwicklung von Geräten. Artificial intelligence

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