Was ist der „Arbeitsplatz der Zukunft“? Das ist eine der spannenden Fragen, denen wir im Rahmen unserer Forschungen zur digitalen Transformation nachgehen. Was uns hier im Silicon Valley überrascht, ist die Wiederkehr der Präsenzkultur. Die passt auf den ersten Blick so gar nicht in das Bild einer modernen, digitalen Arbeitswelt. Natürlich machen hier viele von den Möglichkeiten mobiler Arbeit Gebrauch. Das Home Office ersetzt die Anwesenheit im Büro aber nicht, sondern ergänzt sie. Die meisten Unternehmen und Entwicklungsstandorte, die wir besuchen, legen im Gegenteil sehr viel Wert auf persönliche Kommunikation, eine enge Zusammenarbeit im lokalen Team vor Ort sowie den Austausch und die Vernetzung auf dem Campus – zumindest in den innovativen Bereichen der hochqualifizierten Wissensarbeit.
„Relation-based Company“ nennen das unsere Gesprächspartner und beschreiben damit eine Gegenbewegung zum „virtuellen Unternehmen“. Die ausgeprägte Präsenzkultur ist jedoch nicht das Resultat einer bürokratischen Bevormundung. Das könnten sich die Arbeitgeber im Valley vor dem Hintergrund der Machtposition der hochqualifizierten Experten auf dem Arbeitnehmer-Arbeitsmarkt überhaupt nicht erlauben. Stattdessen geben sich die Unternehmen sehr viel Mühe, das Arbeitsumfeld reizvoll zu gestalten: Das fängt an bei der obligatorischen Tischtennisplatte im Office, geht weiter über innovative Büroraumkonzepte, die den Mitarbeitern alle Freiheiten für ein kreatives Arbeiten geben und endet dabei, dass die Unternehmen sich gegenseitig die Sterne-Köche für ihre jeweiligen Kantinen abwerben. Auch die großzügigen und persönlich gestalteten Büroarbeitsplätze selbst fallen ins Auge – und erinnern an eine gemütliche Studenten-Bude.
Klassische Büroarbeitsplätze sind aber keineswegs verschwunden. Auch im Valley gibt es eine nebenher existierende Welt der „Cubicals“ und weniger kreativen und standardisierten Tätigkeiten an den unteren Rändern der Wertschöpfungskette. Hier sind dann auch Formen mobiler Arbeit und das Home Office sehr viel stärker verbreitet. Diese beiden Arbeitswelten mit ihren jeweils unterschiedlichen Anwesenheitskulturen verbindet vor allem eines: der Fokus auf die Produktivität in der Arbeit.

Denn Produktivität und Kundenorientierung werden zu immer wichtigeren Größen in der Arbeitswelt des Silicon Valley seit die Unternehmen hier sich dazu entschlossen haben, nicht nur die Internetbranche, sondern auch die Industrien der alten Welt zu erobern. So gewinnen auch Formen agiler Arbeit zunehmend an Bedeutung. Es gibt etwa agile Methoden in der Projektorganisation wie „Scrum“ – hier entstehen Produkte Schritt für Schritt nach vorgegebener Taktung im Team. Solche Methoden sind in den Entwicklungsabteilungen der Bay Area zwar schon immer sehr verbreitet gewesen. Sie werden inzwischen aber viel konsequenter angewendet als noch vor ein paar Jahren. Das erkennt man unter anderem daran, dass die Takte für die Entwicklung lauffähiger Softwareteile sich von früher zwei oder vier Wochen auf teilweise nur noch eine Woche verkürzen.
Agile Arbeitsformen erfordern aber eben Präsenz, eine enge Zusammenarbeit und die tägliche Abstimmung im Team. Bei Pivotal zum Beispiel, einem der aufstrebenden Spieler des Valley, arbeiten die Entwickler ausschließlich im Modus des „Pair Programming“. Das heißt: Sie sitzen jeden Tag zusammen vor einem Bildschirm und programmieren Software – gemeinsam im permanenten kommunikativen Austausch. Solche „kollaborativen“ Entwicklungsmethoden verbreiten sich im Valley immer mehr, „weil sich mit ihnen einfach die besseren Ergebnisse erzielen lassen“, wie einer unserer Gesprächspartner erklärt.

Mit dem Trend zur „Relation-based Company“ entsteht aber auch eine neue Herausforderung: Die Rückkehr der Präsenzkultur steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Verkehrssituation in der Bay Area. Für die weitere Entwicklung des Silicon Valley und den „Arbeitsplatz der Zukunft“ in der digitalen Arbeitswelt wird somit eine ganz andere, für viele heute schon altmodisch anmutende Form der Mobilität entscheidend sein, als die virtuelle im Netz.
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Die Rückkehr hat nicht nur Auswirkungen auf die Verkehrssituation, sie erfordert auch ein weitgehendes Umdenken in der Gestaltung und Nutzung von Büroflächen; in Cubicles läßt sich nicht agile arbeiten.
Mehr zu dem Thema in “Agile Workspace: The Undervalued Success Factor”: https://age-of-product.com/agile-workspace/