Tour durchs Valley

Ist das Internet der Dinge gescheitert?

Bei unserem letzten Besuch im Silicon Valley galt das Internet der Dinge als der nächste Mega-Trend. Anders als das deutsche Konzept der Industrie 4.0 zielt diese Vision nicht nur auf die Vernetzung der Fabriken ab. Sie will vielmehr digitale Abbilder der Wertschöpfungsprozesse in allen Branchen, von den Industrien, über die Dienstleistungsbereiche bis zum öffentlichen Sektor und hinein in den Privatbereich schaffen. Dabei geht es nicht nur um die Vernetzung technischer Systeme, sondern auch darum, Wertschöpfungsprozesse ausgehend von den Daten radikal neu zu gestalten.

© OBSVernetzte Geräte, die miteinander kommunizieren können.

Mit dem Internet der Dinge gehen daher Überlegungen zur Etablierung von datengetriebenen Geschäftsmodellen einher. Neuerdings entstehen zudem Schnittstellen zu den Methoden der Künstlichen Intelligenz. Denn, um komplexe Massendaten sinnvoll nutzen zu können, sind neue Konzepte der Datenanalyse und -aufbereitung erforderlich. Kurzum: Mit dem Internet der Dinge schien das Valley ein Konzept gefunden zu haben, um im Verbund mit Cloud-Infrastrukturen den ultimativen Brückenschlag in die industriellen Kerne und die Dienstleistungszentren zu schaffen.

Im Internet der Dinge, so unsere Hypothese, werden sich die Geschäftsmodelle der Unternehmen an der Nahtstelle zwischen neuer Ökonomie und traditioneller Wirtschaft fundamental neu gestalten. Denn was macht etwa ein Automobilhersteller in einer Welt der vernetzten Mobilität, in der plötzlich Kunden nur noch mit einer digitalen Mobilitätsplattform interagieren, die das Zusammenwirken aller verfügbaren Verkehrsträger zur Erzielung eines größtmöglichen Kundennutzens koordiniert? Dominiert der Erstausrüster weiterhin die Wertschöpfungskette oder ist er nur noch ein Zulieferer von Hardware mit geringem Einfluss auf die Entwicklung?

Unsere aktuellen Interviews zeigen, dass das Thema Internet der Dinge noch immer weit oben auf der Agenda steht. Aber es hat ein neues Stadium erreicht. Wo im Jahre 2015 noch Konzeptstudien und Powerpoint-Vorträge überwogen, sind mittlerweile neue Abteilungen in den Unternehmen für die Themen Cloud und Internet der Dinge entstanden. Neben  großen Anbietern wie Microsoft, SAP oder Amazon, haben sich viele Start-ups etabliert. Und auch etablierte Hardware-Unternehmen wie Intel oder Nvidia feiern mit Technologie fürs „Edge“ – Chips und Server für die Endknoten des Internet der Dinge – ein Revival.

Die Pioniere des Internets der Dinge führen derzeit Referenzprojekte mit den innovativsten Kunden in ihrem Umfeld durch. So wollen sie die Möglichkeiten und den Nutzen neuer Lösungen demonstrieren. Gelingt ihnen das, so versuchen sie die hier gewonnenen Erfahrungen zu verallgemeinern und in ein Produkt zu überführen, mit dem sie einen breiteren Kundenstamm avisieren können. Schaut man sich diese Projekte genauer an, so findet man viele interessante Lösungen, die viel Potential versprechen.

Dennoch scheint bei den Protagonisten der Szene die vormals aufgekratzte Aufbruchsstimmung inzwischen verflogen. Bei manchen  hat sich ob der bisherigen Erträge gar eine gewisse Larmoyanz breit gemacht. Sie verweisen auf eine Studie von McKinsey, die Gründe benennt, warum das Internet der Dinge im industriellen Umfeld bisher nicht ins Fliegen gekommen ist.

Interessanterweise machen die Anbieter des Internets der Dinge die besten Erfahrungen im europäischen Markt, weil die Unternehmen hier die größte Angst hätten, von der digitalen Entwicklung abgehängt zu werden. Gerade in Deutschland hat dies viel damit zu tun, dass es mit dem Projekt der Industrie 4.0 trotz aller Schwierigkeiten offensichtlich gelungen ist, die industriellen Kerne für das Thema zu sensibilisieren. Schlechtere Erfahrungen machen die Anbieter bezeichnenderweise in den Vereinigten Staaten – ein Indiz dafür, wie schwach das Valley mit dem Rest der Ökonomie hier verbunden ist.

Ist das Konzept des Internets der Dinge also gescheitert? Wir sind überzeugt: Es wird sich durchsetzen. Aber je konkreter es wird, desto mehr müssen sich seine Protagonisten mit den realen Transformationsproblemen der alten Welt auseinander setzen. Für Unternehmen, die in der Computer-Welt des Moore’schen Gesetzes, also des exponentiellen Wachstums leben, mag das frustrierend sein. Für Menschen aus der traditionellen Ökonomie ist dies eine alltägliche Arbeitserfahrung.

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