Tour durchs Valley

Künstliche Intelligenz als Geheimwaffe

Kaum ein Trend wurde in den letzten Monaten so gehypt wie Artificial Intelligence (AI) – oder zu Deutsch Künstliche Intelligenz (KI). Im Silicon Valley wird immer mehr Risikokapital in Start-ups gepumpt, die das Thema treiben, und auch die Obama-Administration hat im Oktober 2016 AI als Thema von nationalem, strategischem Interesse ausgerufen. Insbesondere die großen Spieler haben AI ganz oben auf die strategische Agenda gesetzt. Google, Facebook, Microsoft, IBM oder Amazon – sie alle sehen in der Künstlichen Intelligenz eine Schlüsselinnovation. Ihre neue Leitorientierung lautet: „AI first”, also “künstliche Intelligenz zuerst”.

Doch warum erhält das Thema gerade jetzt strategische Bedeutung? AI-Lösungen kommen in nahezu allen aktuellen digitalen Trends zum Einsatz: Im Internet der Dinge ebenso wie in neuen Ansätzen der Robotik oder bei sprachgesteuerten Assistenzsystemen wie Alexa, Assistant oder Siri. Der aktuelle Höhenflug von AI resultiert vor allem aus den Fortschritten im sogenannten Deep Learning, einer Teildisziplin des Machine Learning. Hierbei handelt es sich um Systeme, die mit Hilfe von selbstlernenden und -optimierenden Algorithmen eigenständig Lösungen für Probleme finden können. Dazu wird Lernsoftware mit Massendaten gefüttert und daraufhin trainiert, in den Daten Muster und Zusammenhänge zu erkennen, Rückschlüsse zu ziehen und Vorhersagen zu treffen. In der Öffentlichkeit sorgten selbstlernende Systeme jüngst für Furore, weil sie inzwischen auch Profis in komplexen Strategiespielen wie Go besiegen und damit ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren.

© dpaIst auch im Alltag immer häufiger behilflich: Künstliche Intelligenz, hier in Form des Assistenzsystems Siri

Es ist nicht verwunderlich, dass AI-Ansätze erst im Zuge der Verbreitung von Cloud-Infrastrukturen ins Fliegen kommen und das Thema gerade jetzt so große Aufmerksamkeit erfährt. Denn um Algorithmen in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern kostengünstig zu trainieren und aussagekräftige Modelle zu generieren, bedarf es umfangreicher Rechenkapazitäten und einer enormen Menge an Daten. Für ein valides Modell für das autonome Fahren müssen laut einem Interviewpartner etwa sechs Milliarden Kilometer Autofahrt aufgezeichnet werden. Tesla lässt daher den Autopiloten seiner Elektrofahrzeuge permanent alle Nutzungsdaten seiner Kunden aufzeichnen und über die Cloud an seine Rechenzentren senden. So gewinnt der Autohersteller einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz, die ihre Autos nicht “in” der Cloud beobachtet. Beides – Rechenkapazität und Massendaten – wird mit der zunehmenden Verbreitung von Cloud-Lösungen in neuer Qualität verfügbar. Gleichzeitig nimmt mit dem Aufstieg des Internets der Dinge die Menge an Daten rapide zu und es entstehen neue Möglichkeiten für datengetriebene Geschäftsmodelle.

Es überrascht nicht, dass die großen Cloud-Anbieter wie Google, Amazon, Microsoft und IBM Machine-Learning-Services und Produkte auf ihre Plattformen aufgenommen haben. Sie versuchen damit, eine strategische Position in den Wertschöpfungssystemen zu besetzen. Dabei spielen ihnen zwei Aspekte in die Hände: Zum einen verfügen sie über gigantische Datenmengen und zum anderen besitzen sie die Fähigkeit, aus diesen Massendaten Geschäfte zu generieren. Denn die Internet-Giganten können nicht nur Daten sammeln und analysieren, sondern vor allem monetarisieren – das ist ihre eigentliche Kernkompetenz. Dabei nutzen sie nicht nur ihre starke Stellung im Internet, sondern oft auch Crowdworking-Plattformen wie Amazon Mechanical Turk oder Crowdflower, um Arbeitskräfte zu rekrutieren, die ihre Algorithmen trainieren.

Die vermeintlichen Spielereien von Google und Co in den Anfängen des Internets entpuppen sich nun als strategische Kernkompetenz und zwar in allen Branchen: von Logistik und Mobilität, über Marketing und Medizin bis hin zur industriellen Fertigung. Wenn also die Cloud und das Internet der Dinge die Brücken sind, um die Digitalisierung in die „Old Economy“ zu treiben, ist AI die Geheimwaffe, mit der die Internet-Giganten versuchen, eine starke Stellung in den Wertschöpfungssystemen der Zukunft zu erobern.

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