Salon Skurril

Salon Skurril

Man kann sagen, Kunst ist unnötig. Und man hätte recht. Kunst gehört nicht zu den überlebenswichtigsten Dingen, um die man sich kümmern muss,

Tirade gegen das Ende der Eiszeit

| 7 Lesermeinungen

Warum die Jugend von heute alles falsch macht und das mit den Farben ganz großer Murks ist.

 

Diese Jugend verkommt immer weiter! Damals, ganz früher, als ich aufgewachsen bin – das waren die 90er – galt es als cool, unemotional zu sein. Allein schon das Wort impliziert ja Kühle, Abgeklärtheit. In den 90ern wünschte man sich denselben unbeteiligten Gesichtsausdruck, egal was passierte. „Ich bin unantastbar. So selbstsicher, dass nichts auch nur eine Reaktion in mir auslöst“. Ach ja. Passenderweise waren Sonnenbrillen auch cool.

Ist doch klar, dass jeder cool sein möchte. Und coole Dinge tun, wie wir sie damals getan haben. Ihr wisst schon. Dinge mit Edding bekritzeln. Kaugummiautomaten anflämmen. Die Loser auslachen.

Und was müssen wir heute sehen? Die machen unsere ganzen schönen  Ideale kaputt. Irgendwann über Nacht (jedenfalls, als wir nicht hingesehen haben) haben sich die Paradigmen geändert. Lieb ist das neue cool.

Keiner traut sich mehr, farbigen Lack auf Häuser zu sprühen. Was machen die stattdessen? Reverse Graffiti! Die reinigen den Inhalt von Schablonen an einer schmutzigen Wand. Wenn man das abbekommen will, muss man die ganze Wand reinigen! Wo kommen wir denn da hin. Und sowas machen die auch:

Bild zu: Tirade gegen das Ende der Eiszeit

Junge Menschen schleichen sich bei Nacht und Nebel aus dem Haus und pflanzen Blumen in der Stadt! Und Guerilla Knitting ist ein echtes Ding. Stricken! Stricken ist die Antithese von cool! Subversiv sein und die Welt farbenfroh machen. Und dafür kriegen die auch noch Respekt. Wo ist denn der rauhe, beleidigende Protest geblieben in der unabhängigen Kunst? Da laufen Leute sozialexperimentmäßig mit „Free Hugs“-Schildern durch die Gegend. Die unterwandern damit nicht nur das kapitalistische System, nein, die lächeln dabei auch noch. Und ich dachte, wir hätten die 70er überwunden.

Und der Höhepunkt all dessen, das Abnormste und Widerlichste: Im Internet ist (besonders bei jungen Männern) die Serie „My little pony“ beliebt, die für kleine Mädchen produziert wurde. Da geht es um Liebe und Freundschaft und Toleranz. Sie schauen jede Folge und sie schämen sich nicht einmal dafür. Im Gegenteil. Sie kaufen sich T-Shirts und laufen damit rum und fühlen sich in ihrer Männlichkeit dabei nicht einmal verunsichert. Aber Verunsicherung ist doch der Leim, der unsere Kultur zusammen hält! (Wie sollen wir sonst die Sportwagenindustrie am Laufen halten?)

Bild zu: Tirade gegen das Ende der Eiszeit

 

Alles in Allem, Brüder und Schwestern, ist unsere moderne Zeit verweichlicht. Männer und Frauen kämpfen nicht mehr gegen einander, Jugendliche lesen teilweise das Grundgesetz, das eBook hat noch immer nicht Bücher abgelöst, und sogar im umgangstontechnisch rauen Internet gibt es #flausch auf Twitter und Seiten wie diese: https://thenicestplaceontheinter.net/

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 Wir müssen dieser Verweichlichung Einhalt gebieten. Kunst muss wieder in Museen, Protest muss zurück ins Internet. Die coolen Jungs zu den coolen Jungs, die Mädchen in die Klamottenläden. Wir müssen wieder stolz werden. Wir müssen die Menschen wieder das Fürchten lehren, auch vor sich selbst. Oder… wir geben dem nach… zumindest kurz… ein Bisschen…


7 Lesermeinungen

  1. Devin08 sagt:

    Klarer abgrenzen!
    .
    Ihre...

    Klarer abgrenzen!
    .
    Ihre Botschaft, wie auch die diesbezügliche (Selbst-)Ironie, will mir nicht klar genug erscheinen. Vielleicht bin ich ja auch ein wenig schwer von Begriff, oder zu alt für semantische Kapriolen wie: „Lieb ist das neue cool.“
    Was ist denn jetzt das Wesen des Neuen? Ich empfehle die Lektüre von Zizeks „Parallaxe“ (https://blog.herold-binsack.eu/?p=1818). Vielleicht können Sie dazu dann was beisteuern. Denn Zizek sagt es dort deutlicher. Das Revolutionäre kann auch im konservativen Gewand daherkommen, ja es kommt zunächst konservativ. Es ist auch ein Wettkampf gegen ein Kapital, das selbst so „revolutionär“ ist, dass es locker jedes Neue vermarktet. Das beste Beispiel wäre die Rockkultur, die mal zur sexuellen Befreiung angetreten war.
    Also: nicht so liberal dahinreden. Die Piraten müssen sich schon klarer abgrenzen. Vom Kapital, und nicht nur von dessen falschen Revolutionsrhetorik.

  2. Roland_M sagt:

    Nehme an, das soll ironisch...
    Nehme an, das soll ironisch sein… Hohoho…
    Ist schon richtig, die Protestler verweichlichen, vor allem unter der Schädeldecke! Da stehen die beim Wulff rum und tuten fast wie die Wiener Philharmoniker aber wenn das Volk per ESM und den Griechenland und sonstigen EU-Hilfspaketen enteignet und nachhaltig ruiniert wird, schweigt die Masse.
    Und die schweigt nicht nur, die wählt im Mai in NRW brav Rot und Schwarz, hat es also nicht besser verdient! Und kämpft wacker einen Krieg weiter, der längst verloren ist, wo es nur noch drum geht, die Niederlage in Grenzen zu halten oder total werden zu lassen.
    Und noch ein kleiner Denkanstoß für die Briganten: ja was ist wohl davon zu halten, wenn so eine Protestinternetgruppierung von den fetten Vier als Bereicherung des Parlamentarismus gelobt wird, hm? Soll ich die Frage auch noch beantworten?

  3. ThorHa sagt:

    Ich bin ganz sicher, dass alle...
    Ich bin ganz sicher, dass alle beinharten Interessenvertreter, alle Lobbygruppen, alle Machtmenschen das neue „seid lieb zueinander“ aus überfliessendem Herzen und aus voller Überzeugung begrüssen werden. Sehr viel weniger sicher bin ich, dass dabei irgendetwas gesellschaftlich Wichtiges rauskommt.
    Da der jeweilige Zeitgeist (Härte gegen Weichheit, Rationalität gegen Emotionalität, lieb gegen rauh) aber ohnehin in Wellen verläuft – schliesslich will sich jede Jugend gegen ihre Altvorderen abgrenzen – brauche ich wohl nur einige Jahre auf den ausgerufenen Gegentrend zu warten. Bis dahin halte ich nach einem Blick auf die Alltagsmanieren in der Öffentlichkeit die Beobachtung der Autorin ohnehin für ein Gerücht.
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  4. stimmviech sagt:

    Richtig ist, daß die...
    Richtig ist, daß die westliche Welt heute im Gegensatz zu den 60ern stark verweichlicht ist. Wird jemand mal kurz schief angeschaut, braucht er sofort eine Traumatherapie, bei jedem Problemchen wird einem sowas aufgedrängt.
    Aber die westliche Welt, namentlich Euopa, geht ja auch unter. Und in lebendigen Kulturen ist Gewalt, ja auch Krieg, durchaus positiv konnotiert. Man blicke in die arabische Welt mit der dort dominierenden Religion, die in einigen Jahrzehnten auch bei uns vorherrschen wird. Auch die Russen stehen noch auf physische Stärke, Auftritte von Putin als Sportler oder mit Wildtieren, so lächerlich sie hier auch erscheinen, kommen da gut an.
    Zuviel Verweichlichung ist jedenfalls meiner Meinung nach eine Begleiterscheinung gesellschaftlichen Untergangs.

  5. ghodly sagt:

    Ja, das ist jetzt mehr so n...
    Ja, das ist jetzt mehr so n Wortdurchfall, hmm?
    Macht nix, ich hab was mitgenommen.
    Aber vorsicht, wenn das öfter passiert kann mal was ausrutschen. Amt und Verantwortung sind noch nicht abgegeben. 😉

  6. Also es heisst ja "Im Salon...
    Also es heisst ja „Im Salon Skurril werden alle Kleinigkeiten des Alltags gesammelt, die unsere wundervolle, bisweilen überraschende und irritierende Kultur hervorbringt.“ Unter dem Gesichtspunkt finde ich obige Kommentare doch etwas daneben.
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    My little pony – love and tolerate? Ach wie schön. Da verspürte ich (für einen Moment) den Drang, so ein T-Shirt zu tragen.
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    Lustig auch, dass manch einer die These von der Verweichlichung ernst nimmt. Aber Ironie (vor allem Selbstironie) und „Härte“ passen eben nicht zusammen.

  7. PeRiBa sagt:

    Zweimal habe ich nach dem...
    Zweimal habe ich nach dem Datum geschaut – Neee, doch nicht der 1. April.
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    Es gibt nicht „Die Jugend“, gab es nie. Auch nicht zu den Zeiten der „alten Säcke“ wie mir, die hier kommentieren. (Ich bitte die anderen um Entschuldigung!)
    Mein Kleiner sitzt zwar Sonntags ganz brav mit mir für terra X vor der Glotze, aber mit dem T-Shirt würde er nicht mal allein vor dem PC abhängen und Assassins Creed spielen wollen.

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