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Der Fernsehtalk in Amerika

Hoffnung für Hillary: Bill Clinton lobt Angela Merkel

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Im Interview mit George Stephanopoulos, seinem alten Medienstrategen, fachsimpelt Bill Clinton über die Chancen seiner Frau im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Bei Angela Merkel findet er Charisma.

Bereitet die vor der Wiederwahl stehende deutsche Bundeskanzlerin der ersten amerikanischen Präsidentin den Weg? So waren Äußerungen des Gatten der Favoritin für die demokratische Nominierung 2016 in der Sonntagstalkshow „This Week“ auf ABC zu verstehen. Enthusiastisch lobte Bill Clinton Angela Merkel. Sie sei keine charismatische Politikerin im konventionellen Sinne, besitze aber ein Charisma eigener Art, ein Charisma der Alltagsvernunft (des „common sense“) und der Kompetenz. „Und sie hat sogar einen Sinn für Humor entwickelt, der an ihre Person anknüpft, an ihre ganze Persönlichkeit. Mich beeindruckt sie sehr.“

Frau Merkels Wahlsieg habe die Aussichten für Frauen auf der ganzen Welt verbessert, es gebe nun eine globale Bewegung, die auf eine Machtteilung zwischen Männern und Frauen aus sei. Der Anlass für Clintons Auftritt in der Sendung von George Stephanopoulos, dem Kommunikationsstrategen seiner siegreichen Kampagnen 1992 und 1996, war die Jahrestagung der Clinton Global Initiative, die in dieser Woche in New York stattfand, parallel zur Vollversammlung der Vereinten Nationen. In diesem Netzwerk führt der frühere Präsident Staatslenker und Wirtschaftsführer zusammen, um Großunternehmen zur Selbstverpflichtung auf die Förderung von Entwicklungshilfeprojekten zu gewinnen. Hillary Clinton, die seit ihrem Abschied als Außenministerin den von ihrem Mann geschaffenen Apparat einer globalen Privatpolitik des guten Willens als Basisstation für ihr öffentliches Wirken nutzt, hatte auf der Tagung ein sozialwissenschaftliches Programm vorgestellt, das die Karrierechancen von Frauen im weltweiten Vergleich messen soll.

Bill Clintons Bemerkungen über Frau Merkel waren ein Teil seiner Antwort auf die Frage von Stephanopoulos, ob seine Frau es im Wahlkampf 2008 versäumt habe, das Thema der Verbesserung der Chancen von Frauen herauszustellen. Clinton, der gemäß der amerikanischen Verfassung nur als „erster Ehemann“ noch einmal ins Weiße Haus einziehen darf, sagte nicht ausdrücklich, dass er mit einer zweiten Bewerbung seiner Frau rechnet. Aber er redete mit der Leidenschaft eines ausgebufften Boxtrainers, der kaum erwarten kann, dass sein womöglich nicht mit ganz fairen Mitteln um den Titel gebrachter Schützling wieder in den Ring steigt.

Clinton erwähnte, dass seine Frau sich mit frauenpolitischen Themen ihr Leben lang beschäftigt habe. Als Bill Clinton, Gouverneur eines als hinterwäldlerisch und korrupt verschrienen Staates, auf der politischen Bühne erschien, brachte er Hillary mit – nicht nur zum Winken und zum Händeschütteln, sondern als gleichberechtigte Partnerin mit eigener Expertise und eigenen Ideen. Die Juristin hatte sich um Themen gekümmert, die für Frauen im Berufsleben wichtig sind, insbesondere um die Rechte von Kindern. Hillary wurde als Propagandistin eines sozialistischen Staatsumbaus verteufelt. Den Hass, der ihr entgegenschlug, befeuerte die Ablehnung der berufstätigen oder jedenfalls der selbständigen Frau. Als Präsident Clinton der First Lady tatsächlich politische Aufgaben übertrug, allen voran die Ausarbeitung des Konzepts für die Gesundheitsreform, konnte sich das antifeministische Ressentiment als verfassungspatriotische Furcht vor einer Nebenregierung tarnen.

Für Hillary und Bill Clinton wäre die Rückkehr ins Weiße Haus der Abschluss eines Lebensprojekts, die verspätete Genugtuung nach den bitteren Kämpfen gegen ihre Feinde auf der Rechten, in denen sie nicht immer auf die Unterstützung der eigenen Partei zählen konnten. Es muss sie immer noch ärgern, dass Hillary während der ersten Clinton-Präsidentschaft ihre Qualifikation unausgesprochen zum Vorwurf gemacht werden konnte, ihre Befähigung zur sachpolitischen Mitarbeit. Deswegen ist Angela Merkels Charisma der Sachlichkeit für Bill Clinton ein Zeichen der Hoffnung.

Gleichzeitig weiß er, dass im Wahlkampf in drei Jahren alles auf die Präsentation von Hillary Clintons Person ankommen wird. Es kann ein schwerer Nachteil sein, wie viel die Amerikaner auch jenseits des Lagers ihrer eingeschworenen Gegner über sie zu wissen glauben. Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Chefstratege des Hillary-Teams offenkundig dem Internet und der Verbreitung von Schmutzpropaganda in den a-sozialen Medien. Auf die Frage, was seine wichtigste Lektion aus dem Wahlkampf 2008 für die Kampagne 2016 sei, sagte er: „Man braucht eine Strategie, um den Wählern sein wahres Selbst zu präsentieren – in einer Umgebung, in der es für diejenigen, die einen nicht gewinnen sehen wollen, noch nie dagewesene Möglichkeiten gibt, ein anderes Bild von diesem wahren Selbst zu malen.“ Dass Barack Obama, von Clinton wegen seiner außerordentlichen politischen Begabung gerühmt, an der Produktion eines irreführenden Bildes von seiner Kontrahentin beteiligt gewesen sei, schwang insofern mit, als Stephanopoulos ausdrücklich nach den Lektionen aus der Niederlage von 2008 gefragt hatte.

Für die Erzeugung eines abschreckenden Eindrucks vom Rivalen, die natürlich zu den elementaren Techniken des Wahlkampfs gehört, fand Clinton ein drastisches Bild, das diese Subdisziplin der psychologischen Kriegsführung als zeitgenössisches Dekadenzphänomen hinstellte: „Wir haben gelernt, dass es eine Strategie im modernen Leben gibt: umgekehrte plastische Chirurgie, deren Ziel ist, dass die Leute nicht wissen, wer man ist.“ Handwerkliche Mängel des Wahlkampfs von 2008 nahm Bill Clinton, so professionell wie ritterlich, auf seine Rechnung. Es sei ein Nachteil für seine Frau gewesen, dass in Iowa, dem Staat, dessen Parteimitgliederversammlungen den Vorwahlreigen eröffnen, noch nie eine Frau in ein wichtiges Amt gewählt worden sei. Er habe übersehen, dass der Fahrplan der Vorwahlen, die Reihenfolge der Staaten, Obama begünstigt und Hillary benachteiligt habe. Wie will er sich gegen eine Wiederholung solcher Fehlkalkulationen wappnen? Die großen Datenmengen der algorithmengetriebenen Sozialforschung seien hilfreich. „Big data helps.“


3 Lesermeinungen

  1. Staffelberg2 sagt:

    Wie unter Königin Viktoria
    Angela Merkel soll nun die Fähigkeit haben, göttliche Gaben den Menschen wohlwollend zu geben, also charismatisch zu sein?

    Wie archaisch-antik gedacht.

    Ich kann verstehen, dass man Frau Merkel als eine Art Monarchin ansieht, denn sie gibt sich ja nicht als Kanzlerin, also nicht als sich notfalls auch schmutzig machende Praktikerin oder Generalin, sondern bleibt bei allen landesinternen Machtkämpfen sauber im Hintergrund: Sie will mehr repräsentieren, denn dann sind sie und ihre Partei in D. (zumindest) fast unangreifbar! (Bundespräsident Gauck hat deshalb gar nichts zu melden.)

    Merkel ist Königin, nicht Kanzlerin.

    Einen Kanzler der zentrierten Praxis gibt es gar nicht, denn das Praktische ist auf einige Minister aufgeteilt, um den Abstand und das Machtgefälle Königin-Berater zu betonen.

    Fazit: Deutschland ist über Merkel ins neunzehnte Jahrhundert „zurückversetzt“ worden, in eine zweite viktorianisch-bigotte Ära.

    Anscheind gibt es heute dasselbe Bedürfnis nach großer rituell- moralisch-politischer Korrektheit wie zur Zeit der ersten Globalisierung um 1850, und das kann nun einmal am besten eine Frau befriedigen.

    Wie um 1850 ist heute öffentliche Selbst-Zensur sehr ausgeprägt, und fast alle Medien sehen sich primär als Staatsmedien, die ihre Monarchin unterstützen.

    Opposition wird gar nicht gerne zugelassen – siehe der hysterische Vernichtungsfeldzug gegen die AfD.

  2. soloman sagt:

    Ja, ja der Bill
    Von Frauen versteht er wirklich etwas…

  3. pastafari sagt:

    Clintons Sichtweise
    Die Kanzlerin hat sicher dieses und jenes und so manch anderes, aber Charisma im Sinne
    von Ausstrahlung würde ich das nicht nennen, eher Sitzfleisch.
    Der Fuchs, der mir die Hühner klaut, hat auch kein Charisma, aber schlau ist er, keine Frage.

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