Apple setzt den Standard – auch für das Regierungshandeln der Vereinigten Staaten. Am Donnerstag sind die aus dem Bundeshaushalt finanzierten Behörden nach sechzehntägiger Zwangspause wieder für den Publikumsverkehr geöffnet worden. Gleichzeitig hagelte es Berichte über Anfangsprobleme der neuen Bürokratie, deren Arbeitsaufnahme der sozialstaatsfeindliche Flügel der Republikanischen Partei unter Führung des Senators Ted Cruz aus Texas in letzter Minute dadurch hatte verhindern wollen, dass der Regierung mit dem Entzug der Erlaubnis zur fortgesetzten Schuldentilgung gedroht wurde. 17 Millionen Amerikaner wollten sich im Internet über das durch den Affordable Care Act geschaffene neue System der obligatorischen Krankenversicherung informieren, eine halbe Million gaben ihr Interesse kund, an den staatlich organisierten Versicherungsbörsen eine Police zu kaufen – den meisten von ihnen gelang es noch nicht einmal, sich als Nutzer der Seite healthcare.gov registrieren zu lassen.
Nancy Pelosi, die demokratische Fraktionsvorsitzende im Repräsentantenhaus, machte sich als Gast von „This Week“ bei ABC die Wertung zu eigen, dass der verunglückte Start der Gesundheitsreformbürokratie, die nicht mehr nur die Gegner Obamacare nennen, nicht hingenommen werden könne. Der demokratische Senator Charles Schumer aus New York wiegelte dagegen ab. Bei „Meet the Press“ auf NBC sprach er von Computerproblemen, wie sie regelmäßig auch bei jedem großen Technologiekonzern vorkämen – sogar bei Apple. Beispiele nannte er nicht. Apple ist der Inbegriff des benutzerfreundlichen Designs. Wenn selbst Apple nicht perfekt ist, so war Schumer zu verstehen, dürfen der Regierung Pannen unterlaufen.
Kein Gedanke daran, dass für den Staat, zumal dann, wenn er die Bürger zum Geldausgeben verpflichtet und Boykotteure mit Bußgeldern bestraft, höhere Maßstäbe gelten sollten als für eine Firma, deren Waren man kaufen kann, aber allen Suggestionen von Werbung und Kulturindustrie zum Trotz nicht haben muss. Hinzu kommt, dass die Apparatur für den Preisvergleich auf dem Krankenversicherungsmarkt im Unterschied zu dem von der Obama-Regierung verworfenen alternativen System einer staatlichen Pflichtversicherung mächtige private Interessen begünstigt: Der Staat ist hier also gar nicht allein tätig und kann sich auf ein allgemeines Sparsamkeitsgebot nicht berufen, das dem Bürger Langmut im Umgang mit der Verwaltung auferlegen mag.
Die „benchmarks“ für öffentliche Dienstleistungen stammen aus dem privaten Sektor, und zwar aus jenen Branchen, die nach der Kontrolle des Konsumentenverhaltens durch totale Datenerhebung streben. Dieser Gemeinplatz einer Diskussionslage, in der die eine Seite, wenn es um die Datenerhebungsfähigkeiten der Regierung geht, den Staat schwach redet und die andere Seite den Staat in fast allen anderen Beziehungen schwächen will, lässt sich natürlich viel besser zur Kritik an Obamas Gesundheitspolitik einsetzen. Der republikanische Senator John McCain aus Arizona stellte sich in der CNN-Sonntagsshow „State of the Union“ auf den Standpunkt, dass ein Computerproblem kein Problem sein dürfe. „Sie sollen Air Force One ins Silicon Valley schicken, dort ein paar schlaue Burschen einladen, sie nach Washington holen und das Problem reparieren lassen. Es ist lächerlich. Und jeder weiß das.“ 2008 wollte McCain selbst in das Amt gewählt werden, für dessen Inhaber das erste Flugzeug der Luftwaffe reserviert ist. Dass es den Staat erniedrigt, ein solches Staatssymbol auch nur scherzhaft für eine Bettelmission zu den Weltkonzernen an der Westküste einzusetzen, kam ihm nicht in den Sinn.
Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida, hält Computer für Hilfsmittel, die gar nicht mehr der Rede wert sind. Er misst die Regierung an einer Branche, die durch Automatisierung aller Abläufe die Illusion vermarktet, dass es logistische Schwierigkeiten nicht mehr geben darf. Bei „Fox News Sunday“ sagte er: „Im einundzwanzigsten Jahrhundert ist es nicht schwer, eine Internetseite einzurichten, auf der die Leute etwas kaufen. Das geschieht jeden Tag.“ Dass bei der Zuteilung und Ausgestaltung von Versicherungspolicen, die das Ziel der Absicherung aller Amerikaner befördern sollen, Gesichtspunkte der Fairness die Abläufe kompliziert machen können, wie sie Amazon bei der Abarbeitung von Bestellungen nicht berücksichtigen muss, kommt in Rubios Modell nicht vor. Überraschend ist etwas anderes: dass er sich die Gelegenheit entgehen ließ, den Kollaps des neuen Systems der Versicherungsvertragsanbahnung dem staatlichen Dirigismus und Zentralismus anzukreiden. Dass lebenswichtige Waren und Leistungen von Monopolisten verteilt werden, haben Republikaner vom Schlage Rubios schon akzeptiert.
Ein schrecklicher Name für ein nobles Ziel
Ich finde den Namen Obamacare ganz schrecklich. Er entwürdigt Barack Obama und seine edlen Ziele, allen Amerikanern eine Krankenversicherung zu ermöglichen. Es hat auch so einen bitteren Beigeschmack, wenn manche Leute im Fernsehen dieses Wort benutzen. So als wollte Barack Obama den Leuten etwas aufs Auge drücke,n was sie nicht haben wollen, und sie damit über den Tisch ziehen. Ich bin kein Fachmann und kenne auch nicht alle Details, finde aber, dass eine Krankenversicherung für alle Pflicht sein sollte, wenn denn das Geschäftsmodell dieser Versicherung aufgeht. Und ich denke, das tut es in diesem Falle. Deswegen finde ich die Gesundheitspolitik von Barack Obama sehr gut. Sie beweist, dass er den Amerikanern, und auch den ärmeren, etwas Gutes tun will und sich um sie kümmert.
Medicaid und Medicare und kein bisschen weniger
Medicaid und Medicare schützen die weniger solventen Kranken und Alten genauso wie bei uns. Das deutsche Gebrabbel zeugt von wenig Sachkentnis und ist fast immer polemisch. Es gibt in den Vereinigten Staaten sogar Gruppenversicherungen relativ kleiner Firmen. Die Großen und Reichen bezahlen die Systeme besser mit als hier. Die Frage ist für die Amis nur, sollen quasi flächendeckende „Gesundheitssteuern“ für alle erhoben werden? Dagegen rebellieren die Amis, weil sie es lieber privat finanzieren. Viele Weiße wollen den Staat draußen sehen. Sie sind im Kopf eben anders. Die Sozialversicherung gibt es seit 1935. Die Vereinigten Staaten sind auch in Wissenschaft und Technik des Gesundheitswesens führend. Das soll nicht ans Volk gebracht werden? Das wäre sogar gegen den Kapitalismus, ist also im Ansatz schon falsch gedacht.
Es ist nur so, Medicare und Medicaid bezahlen der Zentralstaat und die Bundesstaaten. Dort will Obama Kosten sparen. Die Lage scheint nur unübersichtlich, da die Sozialsysteme in den Bundesstaaten jeweils andere Namen tragen. Für Arme und Alte ist gut gesorgt. Denken Sie doch daran, dass die Vereinigten Staaten tief religiös „ticken“, da ist immer Raum für Soziales. Warum das hierzulande oft bestritten wird, kann nur an der hiesigen Ausprägung liegen. Die Amis brauchen Nachhilfe nicht, und das deutsche System ist schlicht ruinös. Ohne dass es super Ergebnisse zeitigt: Die Medizin-Nobelpreise kommen fast immer aus dem Westen. Wir leiden an einem schrägen Weltbild.
Krankenversicherung oder Big Brother? Für beides zusammen scheint das Geld knapp zu werden
Während der US-Steuerzahler (plus die US-Bondkäufer) beeindruckende Rechnerkapazitäten einkaufen, um sich selbst und den Rest der Welt in Echtzeit unter Kontrolle zu halten, fehlen offenbar die Mittel, um ein paar Rechner und etwas Software für die Krankenversicherung der Unterschicht zu kaufen: auch eine Art, Werterangfolgen zum Ausdruck zu bringen.