“Letztlich so führte er mich auch bei der St. Peterskirche in ein groß steinern Haus, welches mit marmorsteinernen Ziegeln gedeckt war, und wie wir da hinein und oben auf einen schönen Saal kamen, so saß dort ein alter Mann in Pelzstrümpfen auf einem Großvaterstuhle und schlief.”
Christian Reuter, Schelmuffskys wahrhaftige, kuriöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und zu Lande, 1696
[von Andrea Diener] Man könnte meinen, daß die Kleiderordnung im Vatikan so rigoros ist, daß sich modische Fragen gar nicht erst stellen. Umso erstaunlicher die Gerüchte, die sich um Papst Benedikt ranken: Rote Prada-Schuhe trage er (stimmt nicht) und dem altehrwürdigen Vatikanschneider halte er auch nicht die Treue (längt widerlegt). Für Aufsehen sorgten seine Hutvorlieben von Basecap über den breitkrempigen Saturno bis zum Camauro: Ein pelzgefüttertes rotes Samtkäppchen, bewährter päpstlicher Kopfwärmer seit dem frühen Mittelalter.
Gekauft wird päpstliche Mode seit 1793 bei Gammarelli in der Via dei Cestari. Das ist sozusagen der Hoflieferant und hält neben den üblichen roten Kardinalssocken auch Ungewöhnlicheres bereit. Unter anderem wurden hier auch die Gewänder für den damals neuen Papst Benedikt genäht: Da man nicht wußte, welche Statur der neue Papst haben würde, fertigte man drei unterschiedliche Größen an. Eine würde schon passen, hoffte man. Nun ja, so halbwegs: Die Soutane war zu kurz.
Gammarelli ist der bekannteste, aber bei weitem nicht der einzige Laden in dieser Straße, der sich um Klerikalbedarf kümmert. Und natürlich kauft nicht nur der Vatikan ein, sondern Kirchenleute aus der ganzen Welt. Man flaniert zwischen Nonnen und Priestern, die von Schaufenster zu Schaufenster laufen und fröhlich tütenschwenkend die Auslagen bewundern. Hierher kommt die Geistlichkeit zum Windowshopping. Das sieht gar nicht anders aus als bei uns Normalsterblichen, nur die nachgefragte Ware ist für unsere Verhältnisse eher exotisch.
Ähnlich wie im Souvenirwarenhaus gibt es auch hier Engel und Holzheilige en Masse. Aber daneben auch die Utensilien, die man für einen Gottesdienst wirklich braucht: Kreuze, Weihrauchfässer und Abendmalskelche, alles, was in der Praxis zum Einsatz kommt. Die gibt es dann, passend zum Interieur, in unterschiedlichen Stilrichtungen: Wahlweise in Gotik- oder Renaissanceoptik, Gold oder Silber, teuer oder preiswert.
Und natürlich die passenden Gewänder, die die Anlässe nun einmal fordern: Schwarz für Totenmessen, weiß für Weihnachten, violett im Advent und rot zu Pfingsten. Dabei gibt es durchaus auch so etwas wie Trends, wenngleich weniger kurzlebig als in der weltlichen Modewelt: Die Papstkleidung etwa war bis ins 19. Jahrhundert hinein sehr prächtig bestickt, als der Kirchenstaat aber auf den kleinen Vatikan zusammenschrumpfte, wurden auch die Roben deutlich einfacher und bescheidener. In letzter Zeit jedoch werden traditionelle Formen neu entdeckt. Papst Benedikt scheint durchaus eine gewisse Freude daran zu entwickeln, durch die vatikanischen Kleiderkammern zu stöbern und Hüte aufzuprobieren, die seit dreißig Jahren niemand getragen hat.
Kaufen kann hier übrigens jeder. Auch Priesterhemden, auch Accessoires. Auch rote Kardinalssocken. Ein Nachweis braucht man nicht vorzuzeigen. Diese einfachen und formschönen Hemden in gedeckten Farben sind nicht einmal teuer, nicht teurer jedenfalls als eine Krippenschneekugel und ungleich authentischer. Und es wärmt neben dem Herzen auch gleich den Körper.
Dazu kommt die Alltagskleidung für den Ordensherrn oder die Ordensdame. Auch Nonnen brauchen angemessenes Outdoor-Equipment, wenn es im Winter querfeldein geht – so ein Kloster ist ja oft etwas abgelegen. Wärmendes aus Wolle in Schwarz oder Grau, gern mit aufstellbarem Kragen, dazu passende Schals und Handschuhe. Die Nonnen-Unterwäsche habe ich dann aber nicht fotografiert, denn die ist längst nicht so interessant, wie uns die einschlägigen Darstellungen seit mehreren Jahrhunderten weismachen wollen. Man stelle sich bitte einfach die fleischfarbenen Ungetüme der Erbtante des Vertrauens vor.
Für unterwegs bietet sich dieses Abendmahls-Starterkit an. Da hat man alles praktisch im schaumstoffgepufferten Koffer beisammen, was man für eine ambulante Kommunion am Wegesrand braucht. Man weiß ja nie.
Im Gegensatz zu den Plastikalpträumen aus dem Souvenir-Warenhaus ist das hier also The real thing. Wer Glaubensaccessoires sucht, laufe die Via dei Cestari ab und freue sich des Klerikalbedarfs aller Preisklassen. Und aller Scheußlichkeitsgrade, denn natürlich ist auch der Kleriker nicht gefeit vor geschmacklichen Ausrutschern.
Strahlenumflorte Christusbildchen, wie sie auch in südländischen Schlafzimmern der Sechzigerjahre nicht schöner anzustreffen waren, schmücken diese Priesterroben. Das ist bunt und preiswert, denn hier wird nicht gestickt, sondern nur aufgedruckt. Und passend dazu die Jesus-Altardecke, das ist ja gleich was anderes als diese abstrakten Tischtücher, die man sonst so sieht. Wer braucht schon stilisierte Kreuze, das hier ist viel volksnäher. Und die Wirkung des Glaubens ist in Form von Lichtkringeln veranschaulicht. Da sieht man wenigstens gleich, was man hat.