My girlfriend’s run off with my car,
and gone back to her Ma and Pa,
telling tales of drunkenness and cruelty.
The Kinks, Sunny Afternoon
Es ist nichts Ehrenrühriges, wenn Frauen ab einem gewissen Alter eine Versorgungsehe eingehen wollen. Das Konzept hat sich historisch bewährt, besser zumindest als Patchworkfamilien und Erziehung durch Videospiele, und diejenigen meiner Bekannten, die diese Option im Auge haben, sehen gut aus, können sich gewählt ausdrücken, verstehen in allen Lebenslagen den richtigen Ton zu treffen und stellen auch keine besonderen Ansprüche an sexuelle Fähigkeiten, die, wie allgemein bekannt ist, bei Männern ab einem gewissen Alter nicht mehr zu den primären Vorzügen gehören. Eine Bekannte etwa, die alle Vorzüge im Übermass mitbringt und obendrein finanziell unabhängig ist, und den Mann deshalb nur für den ein oder anderen kleinen Luxus, die intelligente Konversation und eine gewisse private Lebensabsicherung bräuchte, schaut sich aktiv nach solchen Gelegenheiten um. Und ist dafür viel zu oft, elegant hingeworfen und leicht unzufrieden, auf einem Lounge Chair aus feinem Teakholz am Tegernsee anzutreffen.
Dieser Lounge Chair eines bekannten dänischen Designers steht in meiner Wohnung, und er dürfte der allerletzte Ort auf dieser Welt sein, an dem sie einem entsprechenden Mann für eine derartige Beziehung begegnen wird, denn dort sitze nur ich ihr gegenüber. In der antiquierten Form des 18. Jahrhunderts, das mit emphatischen Übertreibungen kein Problem hat, würde ich jederzeit sagen, dass ich sie liebe; mit der Offenheit der Kinder der 68er habe ich kein Problem sie wissen zu lassen, dass ich ihren Anblick sehr schätze, und all unsere Eltern sind sich sicher, dass wir ganz wunderbar zueinander passen könnten, so ähnlich sind unsere Interessen, die Herkunft und das Betragen. Als ich sie zum ersten Mal unter einem Haufen normaler Studenten sah, wusste ich instinktiv, dass sie von meiner Art ist.
Trotzdem scheide ich definitiv aus. Ich gehöre wie viele andere in meinem – nicht mehr wirklich heiratsfähigen – Alter zu jener Gruppe Söhne aus besserem Hause, die auf die eine oder andere Art Junggesellen bleiben werden. Um jene Gruppe jedoch dreht sich die Angebotsseite des sogenannten zweiten Heiratsmarktes, in dem versucht wird, Geschiedene, alleinerziehende Mütter und notorische Alleinstehende, die Torschlusspanik bekommen, an den passenden Mann zu vermitteln. Was nach meiner Beobachtung eher nicht funktioniert.
Früher war das anders. Glaubt man den alten Tanten, sorgte man in sexuell repressiven Zeiten einfach dafür, dass Mann und Frau zusammenkamen, dann passierte ein Kind, und sie heirateten. Das jedoch war vor der Erfindung der Pille, der Patchworkfamilie und einer Ära, in der Unverheiratete problemlos ein Hotelzimmer bekommen. Auch der soziale Druck, der in den kleinen Städten Kinderlosigkeit und eine laxe Haltung in Fragen fester Beziehungen verunmöglichte, ist selbst in kleinen, besseren Kreisen mit all ihren Scheidungen, Tennislehrern und ähm gleichgeschlechtlichen äh Siewissenschon nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wenn Zwang nicht mehr wirkt, hilft nur noch die Verbesserung des Angebots.
Nur – es fehlt an ernsthafter Nachfrage der richtigen Kunden. Geschiedene Männer sind zwar nicht selten und mitunter auch nicht unwillig, aber es umgibt sie oft wüstes Getratsche und die Aura des gehörnten Verlierers, der nicht in der Lage war, einer Tochter das zu geben, was sie wollte – warum sollte er es jetzt besser machen? Ebenfalls nicht erwünscht sind die stadtbekannten, aber nicht offen angesprochenen Fehlentwicklungen der besseren Erziehung, als da wären psychische Problemfälle, Alkoholiker, Freunde der Gewalt in der Beziehung und jene, die aus ihren Vorlieben für falsche Ernährung, Autorennsport, Urlaub in Thailand und andere unschickliche Dinge keinen Hehl machen.
Bleibt also ein überschaubarer Kreis von nicht mehr ganz jungen Männern, die nicht in allzu festen Händen sind, einen erträglichen Beruf ausüben, einer guten Familie entspringen und keine allzu grosse Distanz zu Kultur und Wesen jener Schicht haben. Den ein oder anderen Spleen tolerierte man durchaus, doch es bewegt sich wenig, nur seltenst sind Abschlüsse zu vermelden. Warum? Nun, einige der Herren sind anderen Herren zugetan, ohne es an die grosse Glocke zu hängen. Andere sehen ihre bevorzugten Jagdgründe eher in den letzten Jahrgangsstufen der Gymnasien oder unter beruflich Untergebenen, und das ist – im Gegensatz zu meiner Jugend – heute kein Skandal mehr. Nicht ganz zu Unrecht verweisen jene Herren darauf, dass die Pflege und Umsorgung einer besseren Tochter, die zudem 40 Jahre Zeit hatte, ungehindert und gar von den Eltern gefördert Ansprüche und Marotten zu entwickeln, entschieden ihre Mittel übersteige, die sie bei jungen Frauen, denen man noch mit einem Wochenende im Wellnesshotel am Comer See und anderen Dienstmädchenträumen imponieren kann, weitaus besser angelegt sehen.
Das Kernproblem aber ist meines Erachtens anders gelagert. Der Umstand, dass die Kinder der besseren Häuser bundesweit so leicht und plaudernd umgehen können, die Ähnlichkeit der Erziehung und des Benehmens, die Lingua Franca jener Schicht und die Gleichartigkeit der Jugenderlebnisse, der Wertekanon und das Bildungsniveau: Das alles sorgt dafür, dass man das alles schon kennt. Und in aller Regel auch schon hatte. Mehrfach. Weil es sich anbietet, weil man sonst niemanden kennt, woher auch, und weil man leichter Zugang findet. Fern läge es mir zu behaupten, dass alle Apothekerstöchter gleich wären, und jede Bankdirektorentochter in der S-Klasse das gleiche Vergnügen bereiten könnte: Aber jene, die das Gewohnte wollten, haben es schon geheiratet. Und jene, die in der Fortschreibung der besseren Gesellschaft nicht ihre Lebensaufgabe sehen, sind nach ein paar entsprechenden Liebeleien weitgehend immun gegen den diskreten Charme der grossbürgerlichen Töchter.
Ich möchte mir hier keinesfalls anmassen, für alle zu sprechen, aber egal welches Geschlecht, mir fällt dazu jener Spruch ein, mit dem man im Motorsport die Hassliebe zu einem unzuverlässigen Ferrari ausdrückt: A hell of a fun to be with, but hell to live with. Man heiratet nicht nur den Partner, sondern auch alle Dünkel, die die Familie dort hineingelegt hat, man kettet sich an ein Umfeld, mit dem man gerne nur Tee trinkt, man riskiert die individuelle Freiheit für Ketten, mit ungewissem Ausgang: Vielleicht die Langeweile des gewohnten Zusammenseins, vielleicht das Erneuern der alten Fehler dieser Schicht. Vielleicht wird es auch eine gute und kluge Zweckehe mit schönen Reisen und angenehmen Konzertbesuchen, der Applaus der alten Tanten wäre gewiss, und dennoch könnte man hintenrum frei sein.
Aber auch so sitzt oft eine Frau auf meinem Lounge Chair, die je nach Laune ein wenig wie Romy Schneider oder Grace Kelly aussieht, sie erzählt von Einkäufen und Inszenierungen, wir treffen uns in Museen, um den Faltenwurf der Peploskoren und Frauenportraits der Schule von Fontainbleau zu besprechen. Ich schätze sie, keine Frage, und ich würde es schade finden, nähme mir ein Depp jene Momente, um an der dauerhaften Erfüllung ihrer Ansprüche sein mediokres Leben zu ruinieren. Aber so weit wird es nicht kommen. Die Unvermittelbarkeit der schlechteren Söhne aus besserem Hause sorgt trotz frustrierter Tanten letztlich doch wieder für stabile Verhältnisse, modern und anders als früher; ohne Kinder zwar, aber auch ohne Hepatitis, und dafür, dass unsereins nicht ausstirbt, sorgen schon genug andere.