Ich habe dem Mann nur einen Schlag verpasst, danach war er im Keller mein Gast.
Superpunk – Neue Zähne für meinen Bruder und mich
Sie, werte Leser, werden es wohl auch schon vernommen haben: Rabiate Rentner meiner Heimatregion haben einen Herren, dem sie ihr Vermögen anvertrauten, im wenig schönen Speyer niedergeschlagen, an den schönen Chiemsee verbracht, und ihn dort im Keller eingesperrt, um ihn mit nachhaltigen Methoden zur Herausgabe des Geldes zu bewegen. Oder, um es bei der reisserischen Boulevardpresse nachzulesen:
During his confinement in an unheated cellar, Mr A**** claims he was burned with cigarettes, beaten, had two of his ribs broken when he was hit with a chair leg and chained up ‘like an animal.’
Ich habe es ja immer gesagt: Unterschätzen Sie weder Rentner noch Bayern. Die haben es in sich. Bemerkenswert ist mal wieder das landschaftliche Umfeld dieser brutalen Tat, die so gar nicht zu solchem Vorgehen passt; unten etwa der schöne Schliersee, Heimat eines der Tat Verdächtigen. Jetzt werden Sie sich fragen:
Was wohnen dort nur für Leute? Nun, muss ich Sie bescheiden, wenn wir davon ausgehen, dass sich in allen Klassen gleich viele Räuber, Mörder, Schurken, Werber, Drogensüchtige, Politiker und Leser der Bild-Zeitung finden – dann sind in Regionen, wo praktisch jeder reich ist, auch alle Räuber, Mörder, Schurken und so weiter reich. Es fällt dann eben nur mehr auf, weil man bei Reichen denkt, sie hätten das alles vom Mord bis zur Politik nicht wirklich nötig. In diesem Fall gab es aber offensichtlich Gründe, die besagte Herrschaften zu Schlagwerkzeugen, Klebeband und Audi A8 (immerhin kein Opel!) greifen liess. Und wenigstens war der Keller am schönen Chiemsee, und nicht in Berlin. Oder Bochum. Und ich bin mir sicher, dass, wenn die Sache mit den Zigaretten stimmt, es allenfalls nikotinreduzierte Exemplare waren, und das Stuhlbein nicht von einem Billigmöbelhaus geliefert wurde.
Das hier ist nämlich die Region, in der man Wert auf Ordnung legt und erst mal Plastik unterlegt, bevor man in die Gedärme geht. Alles andere ist schlecht für den Ruf: Ein gewisser Adolf Hitler, Kleinbürger durch und durch, hat in Bad Wiessee seine Freunde der ebenfalls kleinbürgerlichen SA in einem Gasthof umbringen lassen und nichts untergelegt – kein Wunder, wenn man ihn dort heute nicht im besten Andenken behalten hat, und nichts mehr von dieser Geschichte wissen will.
Viel wichtiger aber ist die Frage, warum wir, meine Klasse, meine Schicht, die vermögenden Kreise das einerseits wirklich tun und andererseits – sehen Sie, das Thema war natürlich auch bei uns Tagesgespräch. Ich garantiere: Hätte man eine Jury aus 12 Mitgliedern der besseren Kreise meiner Geburtsstadt gebildet, die Rentner wären mit einer Geldstrafe für den Transport eines zwar gefesselten, aber nicht angegurteten Vermögensverwalters davon gekommen. 30 Euro kostet das.
Ansonsten gehören Vermögensverwalter gerade nicht zu der dienenden Menschengruppe, auf die man gut zu sprechen wäre. Auch bei uns haben Banken aus schnödem Eigeninteresse Anlagen empfohlen, die sich inzwischen als schmerzhaft herausgestellt haben. Die Gruppe jener Bankmitarbeiter, die sich selbstständig gemacht und Kunden mitgenommen haben, steht aufgrund der eingegangenen Risiken noch etwas schlechter da. Vor ein paar Monaten hat sogar ein Anleger dafür gesorgt, dass bei einem Anbieter gefährlicher Immobilienfonds der Staatsanwalt kam und Unterlagen mitgenommen hat. Auch in diesem Fall, so hört man, nicht zu jedermanns grenzenloser Freude, denn angeblich sah sich doch die eine oder andere Stütze der Gesellschaft daraufhin genötigt, der Steuerfahndung süsse Geheimnisse aus der Schweiz und Liechtenstein zugunsten von Herrn Steinbrück mitzuteilen. Wie auch immer:
Die Zufriedenheit grasender Kühe gibt es nur noch bei den Rindviechern, der Rest der Bewohner dieses Landstrichs fühlt sich geschoren wie ein Schaf, gemolken wie eine Ziege und gehäutet wie ein Karnickel. Nachdem ich vorgestern auch einen verharmlosenden Brief der Insolvenzverwalter von Lehman – schöne Grüsse an die Frankfurter Sparkasse an dieser Stelle – gelesen habe, kann ich es nur zu gut verstehen. Natürlich ist die Schuld weit verteilt, da sind die Angestellten, die nicht wussten, was sie taten, die Manager, die es wussten und nicht sagen wollten, die Chefs, die es gar nicht wissen wollten, die Analysten, die Medien, die amerikanischen Hausbesitzer, andere Banken. Die Verantwortung verteilt sich auf viele Schultern, nur sind diese Investoren am See gerade nicht der Typ Anleger, der so etwas einfach schluckt.
Und statt dessen denkt, dass es jetzt endlich einmal jemand tut. Wie der Autonome, der glücklich ist, wenn die erste Scheibe zu Bruch geht. Wie der Grenzübertritt nach Graubünden mit dem Koffer auf dem Beifahrersitz. Wie der Moment, da sie ihren Kopf nach hinten legt und die Lippen öffnet. Es ist ein Anfang, es ist ein Signal, es ist so gut wie Sex, und jeder Vermögensverwalter wird einen Moment geahnt haben, wie es sein muss, beim ungeduldigen Herrn Dr. P. im Tischtenniskeller las Übungsmaterial für den Aufschlag… sperre einen Vermögensverwalter in den Keller, und zehn andere werden sich überlegen, ob sie lieber ihrer Bank und den Kickbacks treu sind, oder den Kunden.
Es ist illegal, keine Frage, es ist nicht nett und entspricht auch nicht dem guten Ton, so etwas zu tun. Genau genommen gibt es noch nicht einmal gültige Konventionen, nach denen man einen Vermögensverwalter, der einen so viel Geld und der Tochter den Boxster gekostet hat, angemessen in den Keller verbringt. Man kann ihm die Tür aufhalten und ihm den Vortritt lassen, ein knappes “Bitte” und eine leichte Verbeugung schickt sich wohl, wenn man auf das blonde Gift der Elitebanken hereingefallen ist, aber es gibt keine rundum zufriedenstellende Lösung, die der Etikette Rechnung trägt. Sinnvoll ist es allerdings, sich schon vorher von einem Arzt – da finden sich viele unter den Investoren – psychische Probleme bestätigen zu lassen, das hilft, wenn das unschickliche Sondereinsatzkommando klingelt, ohne eine Einladung erhalten zu haben.
Sicher. Manchmal erschreckt es mich auch, wie dünn unsere zivilisatorische Kruste ist, viel dünner als die Kellerwände im Voralpenland. Wenn die Krise vorbei ist, wird man auch wieder dem nächsten Betrüger nachlaufen, der Politiker schmiert, bei seinem Vertrieb die Sicherheit der Anlagen zu preisen, man wird für ein lumpiges Prozent mehr hohe Risiken eingehen und denken, dass man in der Bank einen Freund sitzen hat. Einen Freund, das lehrt jedoch dieser Tag, den man gern wissen lassen darf, dass der Kofferraum eines A8 recht gross ist, und zwischen Heizungstank und Wand gerade genug Raum für einen Menschen bleibt.
Ich habe das heute – zu Recherchezwecken natürlich – nachgemessen. Es sind 38 Zentimeter. Zvui zum schteam, zweng zum lebm, hätte mene Grossmutter gesagt, und damit wie immer Recht gehabt.