Nichts bringt den Menschen der Gottheit näher als die geistige Beschäftigung.
Wilhelmine von Bayreuth
Immer zum Jahresende stellen sich Reiche die wichtige Frage: Wie kann ich Steuern sparen, indem ich exakt jene Charity mache, die mir am meisten einbringt? Lösungen gibt es viele, in der kleinen, dummen Stadt etwa gab es früher einen Kunstförderverein, bei dem man steuerquittungsgarantiert spenden konnte und dafür, natürlich nur als Geschenk, all jene Kunstwerke bekam, die heute noch Anwalts- und Ärztewartezimmer verschandeln. Es gibt Startups, die Charity-Consulting anbieten und dabei ein klein wenig für sich selbst abzwacken, aber wir hier, bei den Stützen der Gesellschaft, wollen nicht so klein und modern einsteigen, und deshalb gleich zu etwas Üppigem raten: Ein Park.
Von allen Relikten der feudalen Epochen nämlich dürften Parks das beste Verhältnis von Aufwendungen und Nachruhm, von Kosten und Vergessen eigener Schandtaten haben. Seitdem man im 19. Jahrhundert von Seiten der Fürsten dazu überging, die Parks auch für die bürgerliche Gesellschaft zu öffnen, setzte die bürgerliche Wertschätzung der Landesherren ein. Natürlich durfte man nicht an den Hof, aber immerhin, man konnte durch die Gärten streifen und sich dabei nach oben orientieren. Wer sich nach oben orientiert, kommt nicht in Gefahr, sich nach unten zu verbrüdern. Machtgeile und repressive Fürstenhäuser können bis heute gar nicht so mies und verkommen gewesen sein, dass man ihre Gärten, Orangerien und Grottenanlagen nicht mit jener spielerischen Leichtigkeit verehrt, die aus dem Zusammenwirken von Natur, Gestaltung und Offenheit entsteht.
Ja, es scheint, als wäre der Park auch dem heutigen säkularen Bürgertum noch näher, als fromme Werke wie Waisenhäuser, Stiftungen für gefallene Mädchen und Leprosenheime, und was das christliche Abendland sonst noch an Wohltätigkeiten für niedere Schichten kannte. Der Park, so scheint es, passt einfach besser zu unseren säkularen Zeiten, wo das Bürgertum als neue herrschende Klasse zudem versucht ist, sich vom unschönen Rest abzuschotten. Der jedoch kommt auch gerne in den Park, wenn es etwa an der Traualter oder das Äquivalent in anderen Kulturen geht. Menschen in der Mode des 19. Jahrhunderts in Parks, die für sie im 19. Jahrhundert geöffnet wurden. Der Kreis schliesst sich. Die Harmonie ist gefunden, der Weltgeist besänftigt, jeder ist ein Prinz, und die Vorstellungen sind sehr romantisch. Man trägt Seide, Chopin und Plüschaugen.
Man kann – mit etwas Gefühl für Natur und Ordnung – als einen Park nur mit einer gewissen Dankbarkeit für Schöpfung und Schöpfer verlassen. Es ist ein ganz anderer, offensichtlicher Dienst an der Allgemeinheit – klassische Wohltaten spielen sich ja oft im Verborgenen ab, verpuffen an der Unabänderlichkeit trauiger Schicksale, und besitzen keinerlei Sozialprestige. In einem Park wird jeder begünstigt, der eintreten will, die Landschaft ist eine Wohltat ohne Unterschied, man muss nicht unheilbar krank, arm oder Callboy eines Betreibers eines evangelikalen Missionierungswerkes sein, um davon zu profitieren. Diese Offenheit für alle macht den Unterschied.
Was spräche also dagegen, eine steuerbefreite, gemeinnützige Gesellschaft für Gartenbaukunst einzurichten. Überall, wo es Adel gab, gab es schliesslich auch Lustgärten, die verloren sind, sich aber mit wenig Aufwand wieder erfinden liessen. Hier ein Kräutergarten, dort ein Feld voller Heilpflanzen, ab und an vielleicht eine Grottenanlage oder vielleicht auch, zwischen Bäumen versteckt, ein Teehaus: Vorlagen und Vorbilder gäbe es genug, und im Weichbild der Städte sind genug geplante Gewerbegebiete, die nie einen Abnehmer finden. Da könnte man doch mal mit den Bürgermeistern reden, und dem Staatssekretär gleich die Schirmherrschaft andienen.
Eine echte Rendite jenseits der Steuerersparnis gibt es natürlich nicht, aber in so einem Garten könnten Vereinsmitglieder und Spender schon das ein oder andere Vereinsfest in besonderen Rahmen feiern, bei dem die Tore geschlossen bleiben. Die Betriebskosten sind in fortschrittlichen Zeiten wie den Unseren auf dem Niveau der Vorbild gebenden Leibeigenschaft, denn dank 1-Euro-Jobs wäre das Teuerste die historisch korrekte Bekleidung von Gärtnern und Schäferinnen im bukolischen Neu-Arkadien. Jene personelle Staffage mit Mohren, Chinesen und Türken, die im Rokoko so enorm teuer kam und für die sogar Türkenkriege geführt werden mussten, könnte man heute dank der Zuwanderung problemlos beschaffen – wenn man etwa zum noblen Upper Class Stiftertreffen ein paar Gondeln durch die nächtlichen Kanäle treiben lässt und das Ganze als historische Aufführung verkauft (begrenzte Kartenkontingente sind natürlich frei erhältlich).
Auch wäre es eine vortreffliche Aufgabe, die Jugend in so einem Projekt wieder mit den Freuden des einfachen Landlebens vertraut zu machen; es ist in den kommenden Jahren mit deutlichen Einkommensunterschieden nicht schlecht, wenn sie notfalls weiss, wie man sich selbst mit gesundem Gemüse versorgt, wenn der Monat länger als das Geld reicht, und dass Salbei hilft, wenn man Zahnschmerzen, aber keinen ausreichenden Versicherungsschutz hat. In ihren grauen Blocksiedlungen können sie das natürlich nicht lernen, aber draussen, im Park, gestiftet von den besseren Leuten, könnten sie ein ganz entzückendes Bild abgeben – so jung und unverdorben. Auch könnte man die eigene Brut dorthin strafversetzen, wenn sie im zarten Alter von 14 Jahren betrunken, mit ein paar abgetretenen Aussenspiegeln und des ausgeraubten Nachbarssohnes Geldbörse heimkommen.
Als Vereinsheim könnte man ein kleines Schloss, oder auch nur eine Villa bauen und sie beranken, mit Clubsaal und kleiner, getäfelter Bibliothek, und würde man ein Eckchen dem Golfspiel reservieren, stünde das auch nicht der Satzung und der Steuerbefreiung entgegen – solange man nur vintage, im altenglischen Stil die Schläger schwingt. Man könnte auch Lesungen machen und Kamingespräche mit konservativen Blumenfreunden über blühende Landschaften führen, und die Frauen würden jeden Tag ein wenig Blumenschmuck aus der vereinseigenen Floristik mitbringen. Opulenteste Grabkränze konnte man mit diesem Verein produzieren, wie bei der Bestattung von Graf und Archidiakon, und mit ein paar kleinen Verbots- und Hinweisschildern sowie – von Potsdam lernen heisst hier einschüchtern lernen – historisch gekleideten Wächtern liesse sich auch dafür sorgen, dass alles seine Ruhe und Ordnung hat, und Rabauken, Rollschuhe und Räder bitte draussen bleiben.
Man kann es sich so heimelig wie den Schrebergarten vorstellen, nur mit wertvollen Skulpturen statt Gartenzwergen, mit Laubengängen statt Gewächshäusern, mit Wasserspielen anstelle von Brunnen, kurz: Angemessen wäre es, schicklich und dem Nachruhm allemal zuträglich. Keine schlechten Gedanken, keine Erinnerung an all das Böse in der Welt kann hier stören. Wie in der Eremitage in Bayreuth heilt hier die Phantasie eines schönen Lebens, man tut Gutes und spricht nicht darüber, wenn man im Vereinsheim die Silberterrine für das Hummeressen stiftet, in die der Name eingraviert auch in vielen Jahren noch von Ruhm und Grösse der Spendergunst kündet. Es sind die grossen Gesten, die in der Zukunft das Wohlwollen erringen werden, man muss wegkommen von der Parkbank mit dem Firmennamen hin zum ganzen Park für alle und besonders alle Vereinsmitglieder, für die kurzweilige Illusion eines idyllischen Landlebens, und Rettung vor der schlimmsten Notlage und Verfolgung des Bürgertums, die gerade jetzt wieder mit der Kapitalertragssteuer ins Haus des Steuerberaters stehen.
Die Eremitage von Bayreuth ist das ganze Jahr über geöffnet, aber nie ist sie so schön wie an einem kühlen Oktobertag, wenn bereits alle Statuen verpackt und die Touristen auf Gran Canaria sind.