Cis-Moll, Legato, Für siebenstimmigen Bad Wiesseer Finanzbeamtenchor
Der letzte Satz in der Kundenbeziehung zwischen jungflottem, nordischen Steuerberater (STB) und einem kurzhalsigen und unterhoch gebauten Angehörigen der besseren Kreise (ADBK) bayerischer Provinienz und internationaler Einkünfte lautet, vom Steuerberater gesprochen, stets so: “Tut mir leid, aber das können Sie nicht machen, damit kommen wir nicht durch.” Daraufhin entspinnt sich stets der gleiche Dialog, den hier wiederzugeben angesichts der juristischen Implikationen nicht schicklich, aber wegen der Verpflichtung zur Ehrlichkeit über jene meine besseren Kreise unumgänglich ist:
ADBK (erkennbar Widerspruch nicht gewohnt): Was soll das heissen, natürlich können wir das machen.
STB (pädagogisch): Nun, reinschreiben können wir es, aber erstens wird es das Finanzamt so nicht akzeptieren, und zweitens widerspricht das Vorgehen eindeutig Paragraph Soundso, worin steht, dass es nicht geht. Die merken das sofort.
ADBK: So ein Bapp. Das habe ich immer so gemacht, das war nie ein Problem. Da, schaun’S, 2007, 2006, 2005, 2004…
STB (mit bitterem Zug um die Mundwinkel): Oh. Aha. Nun, damit haben wir natürlich auch ein Problem, die Zahlung kommt jetzt 2008 aus der Luft und deshalb
ADBK: Machen wir es wieder genauso. Sie sind Steuerberater, wenn ich das kann, können Sie das auch.
STB (sich windend): Bedaure, nicht wirklich, sehen Sie, ich kann Ihnen helfen, Ihre Steuern legal zu optimieren, und da gibt es hervorragende Möglichkeiten, aber in diesem Fall erleiden wir sicher Schiffbruch.
ADBK: Schmarrn. Was glauben Sie, was wir in der Firma alles machen, da kommt auch keiner drauf, und wer ko, der ko, sage ich, also schreiben Sie das so rein, wie es ist, und es merkt eh keiner, es hat ja auch früher keiner gemerkt.
STB: Lieber Herr ADBK, ich versichere Ihnen, dass es ganz vorzügliche Methoden gibt, wie wir Sie am Ende besser stellen, aber das, nehmen Sie mir es nicht übel, ist viel zu plump, das kommt raus, und wenn es rauskommt, haben Sie todsicher Fragen am Hals, die Ihnen nicht gefallen werden, auch wegen all der früheren Jahre. Ich kann Ihnen nur raten, und dabei helfen, lösen Sie sich mal von dem, was Sie schon immer getan haben, die Zeiten, in denen das ging, sind vorbei, aber dafür gibt es sehr viel bessere Gestaltungsmöglichkeiten. Sehr gute Erfahrungen haben wir etwa mit Fonds von Sercura100ReturnAbsoluteTopValue gemacht, die ein breites Spektrum von Investments in Ostimmobilien, Frachtschiffen und Tophotels in Berlin an…
ADBK (denkend: Mi legst om Oasch, sagend): Also, das muss ich mir noch mal in Ruhe überlegen, das jetzt über das Knie zu brechen macht keinen Sinn, ich werde das überschlafen und melde mich gegebenenfalls nächste Woche wieder, guten Tag.
Nun ist es Dezember, das Wetter ist schlecht und die Launen nicht minder, da es gilt, die Steuer bis zu einem nahen Termin zu machen. Gemessen an der enormen Zahl der Steuerberater ist es ganz erstaunlich, die Klagen zu hören ob des Aufwandes, der unter den ADBK zu treiben ist, ob der Nachzahlungen, die drohen, und ob der immer kleiner werdenden Freiräume. Beigetragen zu dieser Selbstmedikamention der vorweihnachtlichen Steuerkrankheit hat zumindest im Westviertel der dummen, kleinen Stadt an der Donau ein neuer, übergrosser Protzbau, den eine Steuerberaterin auf ihrem Anteil eines geteilten Grundstücks zwischen zwei Häuser quetschte, was nur zwei alte, gut gehegte Vorurteile bestätigte: Steuerberater verdienen für sich zu viel und für Kunden zu wenig. Und: Es gibt tatsächlich Menschen, die auf weniger als 500 Quadratmeter Grund Häuser bauen.
Aber nicht nur, um nicht auf solche Leute angewiesen zu sein (500 Quadratmeter!), nicht nur aus der üblichen Sparsamkeit heraus und wegen des sportlichen Ehrgeizes, wird auch dieses Jahr Anlage um Anlage mit Bedacht und Tücke ausgefüllt. “Die nehmen uns alles”, oder, um es im Tegernseetonfall zu sagen “De nemma uns ois”, ist gerade in Bayern des späten 2009 keine leere Worthülse, um sich und andere von der Rechtschaffenheit der Verschweigung ausländischer Guthaben zu überzeugen. Dieses Jahr nehmen sie uns wirklich alles.
Mindestens drei Milliarden, vermutlich auch noch mehr, kostet das Debakel der bayerischen Staatsregierung mit ihrer Landesbank bei der Hypo Alpe Adria in Kärnten. Man muss es der nun schon lang andauernden Krise und der scheibchenweise vorgetragenen Halbwahrheit zuschreiben, der langsamen Gewöhnung an all die schlimmen Nachrichten, an die Vorreiterrolle der ebenfalls in Bayern beheimateten Hypo Real Estate, dass es nicht lauteren Protest gibt. Wäre das alles schon vor der Bundestagswahl ans Licht gekommen – als man das alles ja nie nicht wissen konnte – hätte es der dafür verantwortlichen CSU das Wahlergebnis verregnet. Aber jetzt ist Dezember. Da macht man keine Kreuzerl. Aber Steuererklärung.
Und nichts ärgert da mehr als die Vorstellung von jenen, die das Geld bekommen, das man zahlen muss. Die 825 Millionen, die die bayerische Landesbank jetzt noch mal den Kärntnern hinterher wirft, muss der Steuerzahler aufbringen. Wegen Luxushotels in Kärnten und Kroatien, wegen heute verschwundener Yachten für Mafiosi vom Balkan, für Wahlgeschenke des Haider’schen BZÖ in Kärnten – Geschichten, schlimmer als alles, was man von den Nachbarn über den Gewerbeimmobilienfonds von jenem honorigen Bauunternehmer aus München hören musste. Das Jammern über den Bundesfinanzausgleich, für Preussen und Ruhrkohle, für Berliner Opernhäuser und Pleitebanken, für Universitäten im Saarland einte Staatspartei und ihre ADBKs. Das einzige auf der Welt, was man noch weniger gern gefördert hätte, wäre der Balkan gewesen. Diese Rechnung für die neuen Fenster, die rutscht schneller zu den Rechnungen der Denkmalschutzimmobilie, als der Seehofer zu Kreuze kriechen kann.
Die in den westlichen Vorstädten wenig verbreitete Kleintugend der Steuermoral bekommt durch die österreichischen Untergänge wenig Auftrieb. Viel wird ja geschrieben über die sozial Abgehängten in Berlin, die dann Mauern beschmieren, Schaufensterscheiben einschlagen und Drogen konsumieren. Das alles ist im bürgerlichen Wertekanon natürlich nicht vorgesehen, und keiner fährt nach München, um vor der CSU-Zentrale zu protestieren. Nicht einmal schönkiffen oder mit Tabletten aufheitern kann man die Lage, denn die Kinder reisen erst zum 4. Advent an. Von links tönt das Radio immer neue Horrorzahlen, Details werden bekannt, Verantwortliche mit hohen Staatspensionen wollen es nicht gewesen sein, und vor einem liegen die Formulare und die Rechnungen. In Berlin kommen sie beim Autoanzünden davon. Wenn die Kinder kommen, macht man am besten gleich einen Notartermin und schenkt ihnen zwei Wohnungen, damit der Staat keine Erbschaftssteuer kassiert.
Kalt ist es draussen, und noch kälter am Tegernsee, aber nirgends wird es eisiger sein als an der Strasse über St. Quirin und Rottach nach Wildbad Kreuth, worüber bald wieder die Staatspartei zu ihrer Klausur gefahren wird. Sie müssen vorbei an all den Häusern, wo jene unschuldigen und dem Balkan weltenfernen Chefärzte leben, deren Vermögen sie auf dem Balkan verprassten. Man wird ihre Limousinen mit Blicken anstarren, die kälter als der Tod sind, aber vielleicht wärmt innen ja das Wissen, dass in der Schweiz noch etwas ist, von dem sie nichts wissen und auch nie etwas wissen werden, denn nächstes Jahr gönnt man sich einfach etwas – bevor die wieder Steuern erhöhen und es wieder verprassen. Entsolidarisierung hat viele Gesichter, in Berlin wird auf den Strassen gepöbelt und der Müll abgeladen, und in Meran, wo man die Hälfte des Kaufpreises in bar überreicht, stehen Palmen.
Begleitmusik: Für 25 Euro hätten übrigens auch Stoiber, Huber und andere erfahren können, dass man besser die Finger vom Balkan lässt: Im Büchlein zur CD “Istanbul” mit Barockmusik des moslemischen Weltreiches wird auch die dramatische Lebensgeschichte von Dimitrie Cantemir erzählt, der eine Weile als Fürst in Osteuropa residierte, und ganz im Stil der BayernLB mit vollem Abschreibungsbedarf vertrieben wurde. In seinem Exil in Russland hatte er dann genügend Zeit, eine grosse Sammlung der Musik seiner Zeit in einem musikwissenschaftlichen Werk zusammenzutragen. Jordi Savall hat zusammen mit türkischen Musikern einen kleinen Querschnitt kongenial eingespielt, und auch die vorweihnachtliche Gnadenstimmung, für die es gerade keinen echten Anlass gibt, lässt sich damit trefflich vertreiben.