Man sagt besseren Kreisen gern nach, dass sie besser wurden, weil sie in schlechteren Tagen nahmen, was sie kriegen konnten, und tatsächlich gibt es keinen Reichtum ohne kontrastierende Armut, keine Oberschicht ohne Unterschicht. Nicht alles jedoch wird genommen – lumpige staatliche Almosen etwa sind es nicht wert, sich davon die Moral oder gar die Kinder verderben zu lassen. Weiterlesen
Artikel im: März 2010
Friss oder stirb umständehalber
Natürlich muss man sich keine Umstände machen, wie es so oft von Gästen in der Gegenwart gewünscht wird. Man kann die Gäste auch aus Plastik bewirten, oder gleich an den Sautrog führen, ganz wie es beliebt. Dabei jedoch verliert man Haltung und Klasse, Konvention und Selbstwertgefühl. Und lernt, dass Umstände nicht nur einen Sinn, sondern auch eine Berechtigung haben. Weiterlesen
Die elegante Dolchstecherei am kalten Buffet
Gutes Benehmen ist leicht, wenn man dazu keine Alternativen hat. Leider hat die Moderne neben dem unregulierten Internet und seinen Spinnern, auf Randale getrimmten TV-Shows und Konzerten, bei denen gekreischt wird, auch noch zu allem Überfluss mit dem Buffet eine Essensform zur Mode gemacht, die nicht durch Gänge und Besteck reglementiert wird. Doch auch hier beweist sich der Angehörige der besseren Kreise durch tadelloses Benehmen, verfeinerte Technik und die Wahrung des gebührenden Abstands zum Pöbel, der hier leider nicht angehalten ist, sich mit dem Fressnapf unter den Tisch zu bequemen. Weiterlesen
Erstklassige Schuhe und Dünkel
Noch vor wenigen Jahren war es in Provinzstädten nict ganz einfach, wirklich gute Schuhe zu bekommen. Inzwischen jedoch gibt es wieder zahllose Hersteller, die beste Handarbeit für gutes Geld anbieten, und auch die entsprechende Kundschaft finden. Für ihre hochwertigen Produkte, aber auch für die minderwertige Ideologie, die daraus in den Augen der Betrachter wird. Weiterlesen
Neue Traditionen für ein niedergehendes Bürgertum
Es ist keine 100 Jahre her, da galt einer jungen Frau ihr Aussteuerschrank alles. Vor zwei Generationen wären Hosen kaum denkbar gewesen, und vor einer Generation hatte man noch etwas Angst vor einem Partner, der nicht aus der gleichen Schicht kam. Das alles ist heute vorbei und weitgehend vergessen; das Bürgertum hat sich umfassend seiner Traditionen entledigt. Zeit also für neue Traditionen, die unscheinbar, nichtig, eitel und oberflächlich wirken könnten, und es auch sind – aber wer sagt denn, dass das Bürgertum je anders war. Weiterlesen
Rad- und Bandscheibenwanderungen südlich von München
Es liesse sich trefflich darüber streiten, ob sich etwas sich zurecht als "Ziviliastion" bezeichnet, wenn es gleichzeitig Zivilisationskrankheiten nach sich zieht. Hätte man den Menschen etwa entwickelt, um am Telefon zu brüllen und jeden Tag 12 Stunden auf einen Bildschirm zu starren, sähe er ganz anders aus – vielleicht wie ein Berliner Kreativer, ich weiss es nicht. Was ich aber weiss ist, dass ich im Sommer radeln gehen möchte, und zwar mit Freunden und Rädern, die jene nicht mehr brauchen, die sich dieser unserer Zivilisation mehr angepasst haben, als gut für ihren Rücken war. Weiterlesen
Die feinen Details der unfeinen Leute
Wer denkt, dass des Ackermanns 10 Millionen Jahregehalt Klassenkampf von oben sind – der sollte sich mal in früheren Epochen umschauen. Damals war das Ausgrenzen und Abhängen nicht nur eine Zahl auf dem Konto oder die Macht, kritische Gewerkschaftler an die Luft zu setzen, sondern Kultur, Kunst und als Malerei an der Wand zu sehen. Weiterlesen
Das Fett in die feinen Töchter bringen,
Fett ist ungesund, behaupten Leute, die nichts daran finden, nächtelang über den Kursen ihrer Derivate und Aktien zu fiebern. Fett ist unattraktiv, sagen Frauen, die nicht essen, sondern Kalorienaufnahme bedarfsoptimieren. Fett ist unmodern, sagen Starköche und panschen teures Nichts in Reagenzgläsern, und schmierige Funktionseliten sagen Ah und Oh. Fett ist prima, sage ich, ich mag Fett, und wer es nicht mag, muss es eben so bekommen, dass er gar nicht merkt, was er da isst – ausser natürlich am Geschmack, diesem für viele inzwischen vollkommen unbekannten Erlebnis auf der Zunge, im Hirn und im Magen, das uns träge, zufrieden und angenehm werden lässt, und uns fern hält vom elenden Dasein der ins Nichts rennenden Hungerhaken. Weiterlesen
Kleine Unkulturgeschichte des Missbrauchs Schutzbefohlener
Missbrauchsvorwürfe gegen kirchliche Einrichtungen sind weder besonders neu noch besonders ungewöhnlich – und trotzdem gibt es Fälle, die kaum Beachtung finden, und andere, die eine Religion in existenzielle Probleme bringen können. Und auch, wenn die katholische Kirche seit nunmehr 1800 Jahren Gegenstand solcher Beschuldigungen ist – diesmal scheint es ernst zu werden, denn diesmal trifft es das Westviertel. Und das verzeiht nicht so leicht. Weiterlesen
Perverse Vorstellungen mittelalter Männer in Hannover
Es ist mir nicht erinnerlich, dass ich nach Neuerungen im Hause gefragt hätte. Ich komme mit meinem alten Gemäuer Baujahr 1600 bestens zurecht, ich habe Lichtschalter und Warmwasser und WLAN für einen Rechner in einem Zimmer, in das mir kein Gast kommt, denn ich mag es, wenn meine Wohnung rechnerfrei wirkt. Rechner sind eigentlich nur für Leute da, die es nötig haben – und von denen wiederum möchte ich eigentlich nicht zwangsbeglückt werden, indem mein Haus zu einem bedienbaren Computer umgebaut wird. Weiterlesen
Die neuen Herren und die alten Westviertel
Wenn man früher wissen wollte, wer das Sagen hat, ging man in die Westviertel. Dort war die lokale Prominenz, das Geld und die Macht, die Reichen und die wichtigen Leute. Heute ist dort immer noch die lokale Prominenz und das Geld. Die Macht ist aber bei den Märkten, die Reichen sind Russen und Chinesen, und die wichtigen Leute kennt keiner mehr, noch nicht mal in den Westvierteln, die damit die eigentlichen Verlierer der Globalisierung sind. Weiterlesen