sowie für deren Kinder, Ehefrauen, gschlamperte Verhältnisse und deren Ergebnisse, wie auch für überdurchschnittlich Gutgestellte und anderen, die sich damit bereichern und dennoch verlieren würden.
Ich definiere “Arbeit” schon immer als “Tätigkeit, die ich eigentlich nicht tun möchte”. Arbeit ist etwas, was mir nicht behagt. Nur kurze Zeit in meinem Leben war ich in Situationen, wo ich eine “Arbeit” übernommen habe und es hat jeweils nicht lange – meist wenige Wochen – gedauert und ich war auf und davon. Weil ich es einfach nicht kann.
Tim Pritlove
Ich habe mir heute indirekt mein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) des Staates abgeholt. Man mag das BGE zwar allgemein noch für eine Illusion halten, oder eine politische Utopie, die ab und an aus diversen politischen Lagern gefordert wird, aber für mich ist es längst Realität. Meine Lebensumstände sind bedingt durch meine Klasse, und durch deren Normen bekomme ich vom Staat Leistungen fast geschenkt, die nicht nur enorm teuer, sondern anderen nicht zugänglich sind.
Denn ich war in einem vorsaisonal reichlich leeren Museum. Für 5 Euro hat der Staat 8 Wächterinnen bezahlt, anteilig die Reinigungskräfte und den Unterhalt eines Renaissancepalastes, eine enorme Kunstsammlung betreuen lassen und die Räume geheizt. Überschlagsweise kostete mein sehr spezifisches und meist nur Menschen wie mir zugängliches Vergnügen den Staat eine vierstellige Summe. Weil der Staat und ich und meine Klasse der Meinung sind, dass es eine positive Sache ist, wenn ich mir das anschaue. Was ich damit mache, ist meine Sache. Ich muss niemanden da draussen über die Schönheit der Kunst belehren, ich kann mich bei den Portraits der Adligen über deren Luxus erfreuen, selbst wenn dafür ganze Dörfer verhungerten, und ich kann im Schlossgarten stehen und laut lachen über die Idioten, die mir das mit ihren Steuern finanzieren. Vorgestern war ich in einem anderen Museum, am Wochenende besuche ich zwei klassische Konzerte, ich zahle angesichts der Kosten lächerliche Beträge und kann mit Verachtung auf das dumme Pack hinunterschauen, das zum vollen Preis Popkultur für seinen iPad kauft. Der ist natürlich kein Grundeinkommen.
Diese bedingungslose Hingabe des Staates, der Allgemeinheit an mich jedoch wird nur selten so missbraucht, wie oben geschildert. Man geht in die Oper wegen der Oper, und nicht wegen des Gefühls, dass die Häuser zu 80, 90% subventioniert werden. Man besucht nicht das Museem mit dem amüsierten Gefühl, dass andere für hässliche Filme auch noch hässliche Werbung anschauen müssen. Selbst beim Betrachten der Gartenbauer, die vor meiner Wohnung am Tegernsee entlang der Anliegerstrasse mehr Blumen pflanzen, als man im öffentlichen Raum Neuköllns findet, stellt sich kein Gefühl der Überlegenheit ein. Es ist ein nettes Grundeinkommen, das einem da gegeben wird und die Annehmlichkeiten des weltlichen Daseins vergrössert, es trägt ganz erheblich dazu bei, dass das Leben reich an schönen und angenehmen Momenten ist, und die paar lumpigen Euro, die man zur Sicherung des Lebensunterhaltes bräuchte, hat man in dieser Klasse doch so oder so.
Dass man überhaupt erst so weit gekommen ist, dass man Abitur hat, und lange an den Universitäten sein konnte, ist auch so ein Grundeinkommen der besseren Kreise, das bedingungslos gewährt wird. Niemand zwingt einen zu einem öden Studium, man kann herumprobieren und sich an sinnlosen Orchideenfächern erfreuen, wenn jene, die nur auf der Hauptschule waren, schon seit Jahren auf dem Bau Steuern bezahlen. Und wenn man danach allein von den Eltern lebt – niemand zwingt einen, die Investitionen des Staates zu begleichen. Der Staat stellt einfach keine Bedingungen, wenn man reich ist. Das ist sehr nett vom Staat, wie so vieles andere, das ich im Gegensatz zu vielen anderen nutzen kann, wenn ich nur etwas Geld übrig habe.
Insofern käme ich mir nachgerade unwürdig und erbärmlich vor, wenn ich all diese Geschenke annehmen würde, und dann auch noch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen forderte, zur Sicherung der Grundbedürfnisse meiner Existenz. Zumal, wenn alle gleich behandelt werden und die verfügbare Summe vergleichsweise bescheiden ist – des einen Lebensunterhalt ist nun mal des anderen Monatsbudget für bildende Kunst und kann es auch sein, wenn man nicht zur Miete wohnen muss. Um es brutal und jenseits der Frage, wie das zu finanzieren sei, zu formulieren: Gibt man einem Armen, also gut einem Drittel der Deutschen, 1000 Euro im Monat, hat er am Ende des Monats wieder nichts mehr, und bleibt damit arm. Gibt man das einem Reichen, hat der am Ende des Monats 1000 Euro mehr. Irgendeiner, der nicht reich ist, wäre bei diesem Spiel der Blöde, aber das ist nicht das Problem.
Das Problem ist vielmehr die Haltung, die man damit aufgibt. Die kleine Oberschicht dieses Landes definiert zwar massgeblich, was für die Mehrheit wünschenswert ist, sie befindet sich aber trotzdem in einer Art autonomen Fundamentalopposition, aus der heraus vom Staat nichts genommen wird, was wie eine milde Gabe an einen Untertanen aussieht. Anträge auf Schwerbehinderung werden oft nur ungern ausgefüllt, man ist stolz, seine Aufgaben allein und ohne Hilfe zu regeln, nirgendwo wird unerbittlicher der Schnee von den Gehwegen entfernt als im Westviertel, und bevor man ein Kind der Arbeitslosigkeit anheimfallen lässt, zahlt man eben, was immer es kostet (und nutzt den Umstand zur steuermindernden Verteilung von Dividendenbringern). Ganz auf der anderen Seite der sozialen Skala befinden sich jene, zu denen die Fürsorge, das Sozialamt und der Schuldenberater kommt. Das Wissen, den Staat nur für öffentliche Aufgaben zu brauchen, ist eine absolute Grundlage des Selbstbildnisses einer Oberschicht, die autark und damit auch unabhängig von diesem Staat ist.
In jenem Moment, da man aber ein Grundsicherungsalmosen annähme, egal wie bedingungslos es ist, würde man sich unterordnen. Sich die öffentliche Unehre antun, so etwas nötig zu haben. Und niemand könnte garantieren, dass sich eine geschlossene Front der Ablehnung bilden würde. Denn die jüngere Generation der Westviertel, jener Nachwuchs, der heute mit 40 nie in der Lage wäre, Villen zu bauen wie die Eltern im gleichen Alter, jene Kohorte hat oft eine zynische Haltung zum Arbeitsethos der Eltern entwickelt. Gerade bei kreativen Berufen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, gerade auch im Internet, hat sich die widerspruchslose Auffassung breit gemacht, dass klassische Arbeit ohnehin ein Auslaufsmodell sei. Es gibt ein in Medien gern kolportierten Gegenentwurf, in dessen Mitte ein Projektemacher steht, ein hochgradig flexibler und autonomer Selbstvermarkter, der keinen Arbeitsschluss kennt und immer mobil ist, und jene auslacht, die sich der trügerischen Sicherheit des normalen Arbeitsplatzes hingeben, der über kurz oder lang ein Auslaufsmodell ist, die Verlierer, die Opfer. Idealerweise macht dieser neue Prometheus der Arbeitswelt sein Hobby zum Beruf und seinen Beruf zu seinem Leben, arbeitet das, was ihm Spass macht. Er kommt in den klassischen Strukturen der Arbeitnehmerschaft mit ihrem sozialen Zusammenhalt, der Firma und Gewerkschaften nicht mehr vorkommt; statt dessen hat er sein Netzwerk und sein Notebook.
Die negativen Effekte werden dagegen ausgeblendet; nur hin und wieder twittert ein Vertreter dieser prekären Unterschicht, dass er nun seine Pfandflaschen zu Geld machen muss, um über den Monatsersten zu kommen, oder muss sich eingestehen, dass diese Autonomie ein dauernder und selbstausbeutender Kampf um Kunden und gegen billigere Konkurrenten ist. Es sind Lebensentwürfe, die gerade in Regionen mit niedrigen Lebenshaltungskosten eine Weile funktionieren, aber mittelfristig weder Aufstiegschancen zeitigen, noch Garanten für eine dauerhafte finanzielle Sicherheit sind. Und gerade aus diesen Kreisen vernimmt man besonders laut den Ruf nach einem BGE, denn damit könnte man eine solide Basis haben, und die restlichen Einnahmen wären das Zubrot. Es ist ein umfassender Paradigmenwechsel der Arbeits- und Entlohnungsmoral, der hier zwischen dem alten Ideal der Elite und dem neuen Vorbild der Glücksritter statt findet: Weg von der selbst durch Arbeit generierten Sicherheit der Oberschicht, die sich gern die Opern bezuschussen lässt, hin zu jenen, die staatliche Sicherheit wollen, und sich einen Zuschuss durch eine bezahlte Neigung dazu verdienen.
Zwischen diesen beiden gesellschaftlichen Extrempositionen, der Berliner Schamlosigkeit und dem Hochmut des Westviertels, steht der Nachwuchs der besseren Kreise. Sie haben nicht mehr die Chancen und Möglichkeiten der Nachkriegsgeneration und der 68er, die nicht unbedingt schöne Option auf den Stress auf den globalen Arbeitsmärkten mit seinem Leistungsfetischismus, und mit der Einführung eines Grundeinkommens eine Existenz als Melkkuh für jene Zyniker, die in Arbeit einen “Missbrauch von Lebenszeit” sehen. Gleichzeitig gibt es dann jedoch auch die scheinbare Alternative, wenn man ein paar spassige Projekte, die übliche Unterstützung durch die Eltern, ein BGE und im Notfall die Pfandflaschen unter dem Bett zusammenrechnet. Zum Besten aller Angehörigen der Oberschicht kann man nur hoffen, dass es dafür nie genug lukrative Projekte gibt, und vielleicht sollte man dafür sorgen, dass auch das Flaschenpfand wieder abgeschafft wird. Die schiefe Ebene zu den Fürsorgeempfängern nämlich verliert an Abschüssigkeit, wenn an ihren Rändern nicht mehr zynisch argumentiert und über die Verlierer gelacht, sondern hungrig um Hilfe gebeten wird.