Und nachdem sie sehr lange überlegt hatten, was sie den Medien sonst noch an Vorzügen sagern konnten, neben den üblichen Worthülsen und dem Versprechen, dass der neue Präsident Fussball mag und nach Südafrika zum Endspiel will, und in Rockkonzerte geht und bürgernah ist – ganz zum Schluss stiessen sie beim Googlen nach Ideen auf ein Wort namens "Denkfabrik". Von Bildung hatten sie schon mal was gehört, beim Zappen hatten sie ein paar Intellektuelle für ein paar Sekunden reden gehört, dann suchten sie sich noch ein paar Namen alter Denker raus, die kaum einer kennt, klebten ein wenig Preussengloria dazu – und schickten Christian Wulff dergestalt gerüstet ins Interview mit der Gossenpresse. Zu dumm aber auch, dass es andere gelesen haben, für die Bildung mehr als ein Asset ist. Weiterlesen
Artikel im: Juni 2010
Moderne und Absolutismus 3: Der Ämterkauf
Unter all den Schrecken des Feudalismus ist die relative Rechtlosigkeit der Untertanen vielleicht die drückendste Erfahrung gewesen – kein Wunder, dass die mittelalterlichen Reichsstädte so schnell wie möglich Bischöfe, Vögte und Adlige als Herrscher loswerden wollte. Das kostet mitunter sehr viel Geld und dauerte Jahrhunderte, aber am Ende setzte sich schiesslich eine Rechtsordnung durch, in der kein Amt mehr von einem inkompetenten Despoten gekauft oder verschachert werden kann. Wie gut, dass die Zeit der käuflichen Unterdrückung vorbei ist, mehr oder weniger. Weiterlesen
Moderne und Absolutismus 2: Der Fürstbischof.
Kein Amt des Feudalismus hatte so viele Vorzüge wie das des Fürstbischofs: Unter diesem Titel konnte man nach Lust und Laune durchregieren, befehlen, anschaffen, durchsetzen, und wenn es sein musste, auch Andersdenkende zum schweigen bringen. Niemand, von ein paar Mördern ab und zu abgesehen, hätte einen daran gehindert. Wie wir nun aber aktuell feststellen müssen, ist diese Epoche auch in den allerkatholischsten Regionen dieses Landes im Rückzug begriffen, und nichts scheint den modernen Bürgern noch an der Grösse eines echten, allumfassenden Potentaten zu liegen. Weiterlesen
Moderne und Absolutismus 1: Die Staatsmätresse
Das Bürgertum hat den Feudalismus mit Stumpf und Unarten auszurotten versucht, nach dem Sieg die wenigen Reste unterdrückt und unter die Fuchtel seines moralischen Diktatur gestellt. Nur um inzwischen nicht weniger moralisch verwerflich Ehen zu scheiden, anderen Frauen Kinder zu machen und am Abend Pr0n-DVDs oder Talkshows privater Sender anzuschauen. Inzwischen ist kein Amt und keine Würde mehr vor unbürgerlichen Sexualpraktiken und seinen Anwendern mehr sicher, und so muss man sich fragen, ob denn wirklich alle Einrichtungen des Feudalismus so schlecht waren – schliesslich konnte man früher mit einer Staatsmätresse viele emotionale Probleme des Amtes in kleine Schlösser und zu amüsanten Frauen auslagern. Weiterlesen
Der Radlweg zur Hölle
Will man sich als Historiker ein wenig schlecht fühlen, gibt es eine hilfreiche Methode: Man glaube einfach an die Lernfähigkeit des Menschen und betrachte dann die Resultate. Kein relikt einer vergangenen Kultur kann so mahnend sein, als dass es nicht beim nächsten Mal beiseite geschubst wird, um nicht den Fortschritt ins nächste Übel zu behindern. In Frankfurt liegen schon die alten Mieträder, aber die Leihhäuser der Finanzmarktes, die stehen noch. Weiterlesen
Die Schule der Arroganz
Gerne gibt man sich in besseren Kreisen – wohl abgeschottet und in bevorzugten Wohnlagen – dem Sozialutopismus hin, und überlegt, ob es denn wirklich gerecht zugeht auf dieser Welt, und ob jene, die noch reicher sind, als man selbst, nicht mehr zur Gerechtigkeit beitragen sollten. Die Antwort ist nach einem Besuch eines Weihers in Gerolfing, einem unbedeutenden Dorf nahe der Kleinstadt Ingolstadt in einer hübschen, aber rückschrittlichen Region Namens Oberbayern ganz klar: Nein. Weiterlesen
Das Begräbnis der Dinge und der Bürgerlichkeit
Früher gab es alte Frauen der besseren Gesellschaft, die Nachmittage damit zubrachten, sich ein eigenes Grab herauszusuchen, einen Grabstein zu bestimmen und Vorkehrung für die letzten Dinge zu treffen, um ein anständiges Begräbnis zu erhalten. Der Rest lebte, freute sich des Daseins und gab sich Lustbarkeiten hin. Heute jedoch sind gerade die Jüngsten gezwungen, zu Lebzeiten den Ort zu bestimmen, an dem sie ihren Besitz, ihr Dasein und ihre Kontinuität begraben, und auch dafür gibt es passende Totengräber der Moderne, und das angemessen schicke Mausoleum. Weiterlesen
Über Verhältnisse leben oder Frau Merkel kam nur bis Ottobrunn
Politiker haben so einen absurden Hang, Worte wie "alle" oder "wir" zu benutzen, wenn es am Ende doch wieder nur darum geht, dass dass die einen zahlen und die anderen bekommen. Besonders ärgerlich ist es, wenn dieses "wir alle" auch noch mit Anwürfen und schlechten Nachrichten verbunden ist, die nun wirklich niemand hören möchte. Vor allem nicht, wenn sie den Kern des Selbstverständnisses der besseren Kreise in unanständiger Weise berühren. Weiterlesen
Der kleine Giftschrank der feinen Damen
Es gab einmal eine Zeit lange vor Aktien und Internet, da waren Bildung und Konversationskunst herausragende Qualitäten von Angehörigen besserer Kreise. Belesenheit hatte einen Wert bei der Suche nach Geschlechtspartnern, und die Anzahl der Bücher war wichtiger als die Menge der Freunde bei asozialen Netzwerken. Ausserdem warf man sich nicht gleich dem nächsten Stalker an den Hals, sondern erwartete, dass der Herr in der Lage ist, die Dame angemessen zu umwerben. Um dabei zu helfen, oder Schaden für den Ruf abzuwehren, gab es sogar sprechende und diskrete Möbel, von denen eines hier vorzustellen mir eine grosse Freude ist. Weiterlesen
Mit Stil und Würde den Trunkenen begegnen.
Es ist ja meistens kein gutes Zeichen für meine Klasse, wenn, von Medien dazu aufgerufen, niedrigere Schichten von anständigen deutschen Hooligans bis runter zu Boulevardjournalisten sich nationaler Hysterie, dem Trunk und dem Geschrei hingeben. Wir müssen zwar keine kollektiven Angriffe mehr befürchten, sondern nur noch einige verwirrte Vandalen, aber dürfen sie auch gleichzeitig nicht mehr einfach von unseren Dienstboten vom Hof peitschen lassen, sondern sind sogar eventuell zur Hilfeleistung verpflichtet, selbst wenn sich diese Personen selbst in schlimme Lagen bringen. Trotzdem denke ich, dass auch diese Zeit der Beschwernisse und des Ansturms schlechtester Eigenschaften mit den guten Regeln meiner Klasse adäquat zu bewältigen ist Weiterlesen