Grüss Gott!
Ich möchte Sie, liebe Leser, auf eine kleine Radtour durch politisch allerschwärzeste Gefielde einladen, vom Tegernsee hoch zum Sylvensteinspeicher, dann zum Isartal hinunter und an der Jachenau vorbei; einem idyllischen Seitental, aus dem der Vater einer lieben Freundin stammt, und die, obwohl selbst schwarz bis in die Knochen, hat mir folgende Geschichte erzählt:
In den frühen Zeiten der Bundesrepublik war die Jachenau komplett schwarz. Man ging am Sonntag in die Kirche und dann zur Wahl, und alle wählten die eine Staatspartei. Doch irgendwann in den 60er Jahren gab es plötzlich – die Wahl war ja geheim – eine Stimme für die SPD. Einer unter ihnen hatte sie alle verraten, und so kam das Misstrauen in die Jachenau. Zuerst dachte man noch, dass einer da versehentlich sein Kreuz an der falschen Stelle gemacht hatte, aber auch bei der nächsten Wahl: Wieder ein Sozi. Schnell hatte man den Verdächtigen ausgemacht, der natürlich alles bestritt, aber umsonst, hatte er doch ab und zu auf die Staatspartei geschimpft. Man schnitt ihn, es wählte weiterhin jemand rot, bis der Verdächtige starb und begraben wurde. Danach – wählte immer noch jemand rot. Man hatte den Falschen beschuldigt und ausgestossen.
Das, liebe Anwesende, ist konservativ, wie es früher war. Kein modisches Bapperl, keine Versuchung in der Wahlkabine, keine Richtung einer gestückelten Parteispende und kein schlauer PR-Berater, sondern eine Lebenseinstellung ohne Alternative. Bewahrung, und wenn es den Gegner das Leben kostet. Eine echte Ideologie, wie der Kommunismus, nur eben andersrum. Konservativ und Coexistenz gingen nicht zusammen.
Was dann “konservativ” gewesen ist, was man daraus realpolitisch machte, was jenseits der Jachenau in Bad Tölz, gar im fernen München oder bei den Todfeinden in Bonn passierte, war nochmal eine andere Frage. Wenn nun aber darüber laut nachgedacht wird, eine konservative, echt konservative Partei zu gründen, ohne das, was man bei der CDU und CSU als sozialliberale Tendenzen zu erkennen gewillt ist, und dabei führende Personen jener Strömungen mit einschliessen will, die eine gewisse Unzufriedenheit symbolisiseren – wenn man darüber spekuliert, hat man als Wähler nicht die schwarze Jachenau, sondern diverse Gruppen, die sehr speziell konservativ bedient werden möchten. Und nachdem ich in diesen Kreisen aufgewachsen bin und trotz roter Tendenzen nicht gesteinigt wurde, meine ich hier auch auf ein paar Probleme bei diesen Ansprachen hinweisen zu können.
Nehmen wir nur mal die in wirklich konservativen Kreisen beliebte und wohlfeile Forderung nach der Einführung einer Todesstrafe für Kinderschänder, oder wenigstens ein Internetpranger. In der Jachenau hätte man da sicher nicht lange gefackelt, aber wir leben nun mal 2010, und die Kinderschänder sind nicht mehr nur irgendwelche finsteren Gestalten, sondern, man wird sich vielleicht erinnern, auch der ein oder andere Angehörige der katholischen Gesitlichkeit. Soll man die auch auf das Schaffott bringen, oder im See ersäufen?
Umgekehrt stösst katholischen Kreisen die Zulassung von Abtreibungen und die Banalität von Scheidungen seit jeher sauer auf, denn damit werden Todsünden legalisiert und Familien zerstört. In einem Aktionsprogramm einer neuen rechten Sammlung müsste das ganz oben stehen, für das Leben, die Familie, für geordnete Verhältnisse und gegen den Sittenverfall, wie auch mit Porno und Spielsucht. Eine begrenzt leckere Angelegenheiten ist das jedoch für Angehörige der akademischen Kreise, die nun für Herrn Sarrazin und seine eugenisch begründete Wurf- und Zuchtprämie für “Klügere” in Höhe von 50.000 Euro sind, aber für die Karriere gern auch schon mal abtreiben, eine Scheidungswahrscheinlichkeit von über 50% aufweisen und Konzepte wie die gottlose Patchworkfamilie vorexerzieren, bei deren Vorstellung wiederum der Betschwester in Bettbrunn der Rosenkranz platzt: So leicht ist der Konflikt, ob der Bauch nun der Frau, der Kirche oder den kranken Zuchtphantasien geschasster Bundesbanker gehört, nicht zu lösen, selbst wenn Frau Steinbach von Parteien rechts der CDU munkelt.
Diese Gründungen, da muss man ihr fraglos recht geben, verlangen natürlich auch nach einer Gruppe, die bei den Nachfahren der Vertriebenen im Sinne von altheimatverbunden und national denkend nicht selten ist. Ohne jede Frage hätte Westdeutschland schon in den 50er und 60er ohne die CDU-nahen Vertriebenen politisch ganz anders ausgesehen. Gerade wir in Bayern haben viele davon aufgenommen und sie laut CSU zum “5. Stamm” gemacht. In meiner Heimatstadt hat man ihnen ein Museum mit Haus gegeben, das so gut wie nie geöffnet ist, es gibt hier eine Förderung und dort ein Lippenbekenntnis und allerorten eine deftige Klientelpolitik, um diese Gruppe bei der richtigen Laune zu halten, auch über 60 Jahre nach den Vertreibungen. Ich verrate hier kein Geheimnis, wenn ich die Sager vom Wochenmarkt wiedergebe, dass es mit denen langsam reicht, und wie lange die Bara – hier folgen schlimme Worte, für deren Erwähnung man mich sicher kritisieren würde – sich noch durchfressen wollen. Anders gesagt: Vertriebenenfunktionäre mögen ihre Förderung verlangen, aber nicht jeder möchte das finanzieren.
So ähnlich dürfte das auch bei der Frage der Alten ausgehen: Traditionell haben solche Haltungen bei den Rentnern einen starken Rückhalt, und wollte man sie gewinnen, müsste man ihnen schmeicheln: Hier Opa, für Deine Aufbauleistung nach dem Krieg eine Rentenerhöhung, für unsere Familienideologie auch eine bessere Versorgung im Altersheim und die Reha nicht in Bad Gögging, sondern in Bad Wiessee. Da könnte und müsste man als konservative Partei sehr viel tun und versprechen, um gewählt zu werden. Von Opa. Aber vielleicht weniger von denen, die sich als Verlierer des Generationenvertrages sehen. Es sind nicht mehr die Jachenau und andere rückständige Täler, die angesprochen werden, sondern eine Vielzahl von Partikularinteressen, die sich alle konservativ nennen, weil sie nirgendwo besser aufgehoben sind.
Und dann ist da noch das Regionalproblem. Was die CDU und CSU nur mit enormen Spreizungen zu überdecken in der Lage sind, ist stets die wahre Kraft des Konservativismus: Das Wissen, dass im eigenen Dorf die Besten der Besten wohnen, und daneben geht es schon mit den Kriminellen los, und dann kommen sogar noch Franken, Sachsen und Preussen. Jede neue Sammlung müsste auch hier Brücken bilden, oder, wenn das wie erwartet nicht möglich ist, andere Ansätze zur Verfestigung suchen: Durch einen gemeinsamen Feind und eine Bedrohung von Aussen, und idealerweise durch einen Führer, der all diese Wünsche gleichermassen befriedigt und die Differenzen in sich auflöst, gewissermassen das personifizierte Abflussreiniger sich im Rohr nach Berlin blockierender Interessen. Der Mann, der dafür sorgt, dass es flutscht. Der neue Haider, der all die Widersprüche mit etwas Rassismus, Feschismus und Milliarden einer Staatsbank zupflastern kann und zu früh gegen den Betonpfosten knallt, um die Folgen nicht ausbaden zu müssen. Ich fürchte, um so eine Figur in die Politik einbringen zu können, wird man eingedenk der Methode Sarrazin noch eine Weile die vorhandenen Talente auf der ganz rechten Seite kreuzen müssen.
Das kann dauern. So lange kann man natürlich weiterhin den sozialliberalen Kurs der deutschen Parteien und Gruppen rechts der Mitte verdammen und verfluchen, aber gerade das hat auch seinen Charme: Mit der Liberalisierung innerhalb der konservativen Schichten entstehen Sicherheitszonen, in denen die eigenen Extremisten eingebettet sind, und sich jederzeit ihren Forderungen ungestört hingeben können. Man kann die reine Lehre verteidigen und sich im Besitz der Wahrheit wähnen. Man kann weiterhin seine eigene, kleine Jachenau um sich scharen, und muss von den hohen Bergen des Liberalismus abgeschottet erst gar nicht befürchten, mit den Haderlumpen, Bazis und Verbrechern aus dem nächsten konservativen Dorf zusammen zu kommen, bei denen der Griff zum Bierkrug und die Platzierung desselben auf den Schädeln der anderen keine Notwehr, sondern allein der Verbesserung des konservativen Genpools geschuldet wäre. “Rechts von der CDU” ist auch keine gemeinsame politische Basis, wie es das einigende Jammern über die windelweiche Politik der Union durchaus ist: Dafür gibt es hin und wieder Zuckerl, Zugeständnisse und Freibier.
Schaun’S, liabe Lesa, i kimm vo dohea. I kenn de Leid. De san ned zwida, solong mas lost. Und de wissn scho seiba, wos braucha. Stein’S eana nua amoi an Bauarn aus da Jachenau im Baliana Einsteinkreis bei de offiziejn Gonserfadifn voa. Nochad wissn’S, wos i moan. Dea dod sogn: Liachd aus, Messa raus, so wias bei uns z’Lichtmess hoid is. Es is, wias is mid dem Gonserfadismus. Und was dad da Baua sogn, wanns eam de poinischn Oarbeita wegnehma dadn, nua wei des da Saxnnazi so wui? Wos wahr, wenn pletzlich de Araber nimma an an Tegahnsee kemman dadn, wei des de Bolitisch Inkorrektn ned gfoid? Loss mas. Bassd scho.
Vageidsgod fias Lesn. Seavas.