Aber vielleicht sind das ja nur alles Hirngespinste.
Curzio Malaparte, Die guten englischen Manieren
Wie Sie vielleicht gesehen haben, hat das FAZ-Feuilleton eine Reihe von Geschenkideen vorgelegt – interaktiv und darauf vertrauend, dass aus berufenem Munde die Empfehlungen gern angenommen werden. Mein Mund als Korrespondent des Westviertels der westdeutschen Wohlstandsgürtel dagegen ist eher verrufen, eine zwangsläufige Entwicklung angesichts meiner eher niederträchtigen, bisweilen indiskreten und, ja sogar! mitunter ehrlichen Aussagen, so dass ich es natürlich nicht wagen kann, mich wenig kreativ einfach dranzuhängen und Ihnen die gesammelten Werke meiner Lieblingsjesuiten ohne jeden Kommentar ans Herz zu legen. Ausserdem habe ich ein Herz für die ältere Leserschaft, die zu oft gar nicht weiss, wie man ein Abspielgerät bedient. Bücher, davon gehe ich aus, haben Sie sowieso selber und zudem ihren eigenen Buchgeschmack, wenn Sie sich schon in dieses absonderliche Eckchen der FAZ verirren. Und ausserdem finde ich, darf es ruhig auch mal etwas Grösseres sein.
Was das wieder kostet!
Eine Wohnung am Tegernsee. Das hier ist Deutschland, eng, kalt, grau und klimatisch Gottes Fluch gegen seine Bewohner. Fünf Monate Winter, Depression, Anlass für Selbstmorde und das, was hierzulande als neue deutsche Literatur aus Leipzig gilt. Im Winter wurde die Zwölftonmusik erfunden und der neue Stuttgarter Hauptbahnhof geplant. Fünf Monate, in denen die Mitmenschen so geistreich wie Schweizer und höflich wie Berliner sind. Die schlechteste aller möglichen Welten. Ausser natürlich in den Orten, wo der Winter ein weisser Zauber ist. Wenn unten in Deutschland Nebel liegt, scheint hier oft die Sonne auf dem Berg. Wenn Sie noch überlegen, warum Sie sich die Matschspritzer bei Warten auf den öffentlichen Nahverkehr antun, rodeln wir über weiss gezuckerte Berge zu Tale. Meinen neuen Personalausweis habe ich hier ohne Nummer, aber 10 Minuten nach Büroschluss bekommen. Die Menschen sind freundlich und haben zudem auch das Geld, sich diese Freundlichkeit leisten zu können. Vielleicht wohnen Sie auch noch im Reichshauptslum Berlin und denken über den Wunsch ihrer Gattin nach, jetzt doch den Sprung ins Grüne zu wagen, wo doch die Kinder (mehr dazu unten) anstehen, oder gar der Umzug nach Stuttgart, wo es auch Demos gibt, die aber sogar zu einem Ergebnis führen – denken Sie an Ihre eigene Zukunft, auch Sie werden alt, grau und als Leser dieser Zeitung schwer reich (sonst würden Sie den Freitag lesen, die taz oder Spiegel Bildlein), und wenn sie alt und reich sind, brauchen Sie eine passende Umgebung, in der sie ein Vollgasopa sein können, den Ihre Kinder gerne besuchen. Das ist nicht Bad Homburg oder Willmersdorf. Das sind wir. Sparen Sie sich Stuttgart, kommen sie lieber gleich. Unsere Bahnhöfe haben sogar Fachwerk, und gerade mal zwei Gleise, die man braucht: Eines zum Dallmayr und zur Oper nach München und eines zurück.
(Wohnungen und Häuser in guter Lage von 2700 bis 12000 Euro/m², darüber auf Anfrage)
Was längst fällig war
Ein guter Perserteppich. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, die Eurozone hat einige insolvente Mitglieder, und wer nicht – wie wir am Tegernsee – mal eben in einen Wald zum Holzklauen und Bärenfellschiessen gehen kann, wird sich überlegen müssen, wie er a) sein Geld sinnvoll investiert und es b) im Winter warm bekommt. Parkett mag hübsch sein, aber es macht auch den Boden kalt. Ein Perserteppich macht den Boden weich, warm, flauschig, und wenn er hundert Jahre halten soll, haben Sie alle Gründe, Ihren Kindern Manieren beizubringen und zu verbieten, in der Wohung Strassenschuhe zu tragen. Dann hat die Putzfrau, die Sie sich bald nicht mehr mit Ihren Weicheuro leisten können, weniger zu tun. Der Teppich sieht aus wie Luxus, ist aber Sparsamkeit.
(Perserteppiche in guter Qualität ab 800 Euro/m², gebraucht bei Auktionen mitunter auch 1/100, oder gleich bei Wohnungsräumungen organisieren. Nur keine Hemmungen, der Verfasser hat das auch schon getan, und wenn der Euro zusammenbricht, ist das eine gute Übung)
Was unbedingt sein muss
Eine Teekanne aus massivem Silber. Mindestens. Silber behält als Edelnetall seinen Wert, und bis Sie es einschmelzen müssen, können Sie damit Tee servieren. Tee regt an, ist gesund, kostet nicht viel und ist ein guter Grund, Ihre Kinder zu zwingen, aufrecht am Tisch zu sitzen. Es gibt kaum ein Luxusprodukt, das gegenüber Besuchern so viel hermacht, und gleichzeitig so billig im Betrieb ist.
(Teekannen mit 2 Pint Volumen und 20 Unzen Gewicht bei Ebay UK ab 250 britischen Peseten, kostenlos dazu das Gefühl, dass es anderen zu einem Zeitpunkt schon sehr viel schlechter geht, an dem Sie noch glauben, dass es Ihnen gut gehen wird.)
Was süchtig macht
Bessere Kreise sind nicht süchtig. Das tut man nicht. Aber in schlechten Zeiten wie diesen kann eine Sucht natürlich eine gute Ausrede sein. So könnte man etwa zusammen mit dem Besuch beschliessen, dass man süchtig nach dem Wein ist, der schon im Keller lagert, sowie nach ganz frisch und selbstgemachten Nudeln mit Kürbisfüllung, wie in Mantua, mit Bergbauernbutter, den man aus Österreich eingeschmuggelt hat. Tatsächlich gibt es in Rottach einen Edelitaliener, bei dem man dafür erhebliche Summen los wird – für Teig mit Kürbisfüllung, deren Preis knapp über Null liegt. So eine Sucht hilft da durchaus sparen. Die Kindern können nebenbei kochen lernen. Und nachher das Abspülen! Und das Sparen! Die werden später dankbar sein, wenn sie es brauchen.
(Bei Frasinelli in Meran kostet ein praktisches Raviolibrett mit Nudelholz 14,95 Euro, ein simpler Ausstecher aus Messing 6,95 Euro)
Was den Verstand schärft
Curzio Malaparte, Zwischen Erdbeben. Malaparte war der Mann, der es schaffte, dass ihm als Freund und Feind des italienischen Faschismus gleichermassen kurz vor dem Tod sowohl die Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei als auch in der katholischen Kirche angetragen wurde. Ein begnadeter Schreiber, dessen Reiseberichte bei Eichborns anderer Bibliothek erschienen sind, und gerade für 16,95 Euro verramscht werden. Reichlich billig für Erkenntnisse aus einem an Extremen reichen Leben, ein Eulenspiegel des 20. Jahrhunderts und ein Rollenmodell für uns, die wir nie wissen werden, wer als nächstes am Tegernsee einmarschiert: Rote Horden oder der nächste Banksterkongress in Rottach-Egern.
Was zu Herzen geht
Fragen Sie Ihre Kinder, ob sie rund um Weihnachten in der Lage sind, Wiederholungen aller Filme von Don Camillo und Pepone auf ihren Rechnern vom TV oder einer Tauschbörse aufzunehmen und auf DVD zu brennen. Die schwierigen Zeiten im Nachkriegsitalien sind nicht so weit weg, wie Sie vielleicht glauben, und zudem handeln die Filme von Menschen ohne PR-Berater, die bereit sind, für das in Zeiten der Banksterrettung schnell vergessene Gemeinwohl über ihren Schatten zu springen, wenn sie sich nicht gerade die Köpfe einschlagen. Erfreuen Sie sich an Politik, die noch mit Maschinengewehren, Fäusten, Intrigen, Gottes Hilfe, Predigten und Traktoren gemacht wurde, und nicht von Wikileaks und plappermäulenden Verteidigungsministern, die sich bei den Amerikanern mit Indiskretionen anbiedern.
Was bleibt
Der Ferrari. Am Parkplatz. Das ist ja das Problem am Tegernsee: Es ist hier unmöglich, die Schleuder so abzustellen, dass sie im Blick ist, wenn man irgendwo damit angeben will. Die einzige Ausnmahme am ganze See ist die Fischhändlerei in Tegernsee, aber dort kann man den Bentley auf Dauer ebenso wenig stehen lassen, wie den Aston Martin, denn dahinter wartet schon der nächste asoziale Fussballspieler in seinem Hummer auf seinen Hummer. Hier stehen Zig Millionen in Blech in den Garagen, und man kann damit weder rasen noch auffallen. Deshalb würde ich zur Anschaffung eines Gefährts raten, das im Unterhalt wenig kostet, viel Prestige hat und zudem überall beim Besitzer abgestellt werden kann: Ein Rennrad. Idealerweise kein Neurad aus Taiwan, sondern ein ehedem völlig überteuertes, seltenes und extravagantes Rad, das mehr als 10 Jahre auf dem Buckel hat. Zom Beispiel ein Kestrel 500 SCI, dessen von NASA-Designern entwickelter Rahmen 1992 allein schon völlig irrwitzige 4990 Mark kostete. Mark, echtes Geld, nicht Eurolira! Die passende Fama – das ist halt das Rad, das man damals so kaufte, und das ist halt jetzt am Tegernsee, zum Brötchenholen und ins Cafe reicht es immer noch – macht den Zuhörern klar, dass man schon ein klein wenig länger nicht ganz arm ist, und vor der Zeit als Vollgasopa auch schon ein Vollgasmittelalter war. Achten Sie auf ein Bapperl eines ortsansässigen Radlhändlers – es hilft bei der Vertuschung ihrer wenig repräsentativen Jahre in Berlin bei dieser Beratungsklitsche.
(Knallrote Carbonschleudern aus den 90er Jahren bei Ebay, zwischen 200 und 400 Euro)
Was für Kinder
Gute Erziehung. Machen Sie die Augen zu und stellen Sie sich vor, wie all die Kinder der Nido-Eigentlich-sind-wir-noch-nicht-reif-für-Kinder-Eltern sein werden, wenn sie mal in die Pubertät kommen. Das wollen Sie nicht. Das will ich später auch nicht am Tegernsee.
(Kostenlos bei Ihren Grosseltern)