Leila Ben Ali has been active in philanthropy and humanitarian work in her role as first lady. She founded the Basma Association in 2000 to help secure employment for the disabled, and has chaired the organization ever since.
Entsetzliche Szene in Tunis: Präsidenten-Gattin Leila Ben Ali (53) liess auf dem Weg zu ihrem vorläufigen Feriendomizil in Saudi-Arabien (geschätzt 53 Zimmer mit Blick auf romantische Wüsten) bei der Nationalbank anhalten, um anderthalb Tonnen ihres Privatgoldes für die Fortführung ihrer bisherigen karitativen Tätigkeiten abzuheben. Nachdem tunesische Habenichtse den Vorgang jetzt ausnutzen, um einen internationalen Haftbefehl zu erlassen, fragt man sich nicht nur bei der nordafrikanischen Elite, welche Respektlosigkeiten bald auch anderen Stützen der Gesellschaft drohen könnten.
Nur auf den ersten Blick mögen Aufstände, Revolten und anderes illegales Verhalten Ausdruck von Unzufriedenheit mit Demokratien sein, die am besten wissen, was gut für das Land ist – Gatte Ben Ali etwa ging in Tunesien bei der grosszügigen Ansiedlungsförderung internationaler Konzerne einen mit westlichen Vorstellungen durchaus vereinbaren Weg, der allen – Firmen und Ben Alis Freunden – zugute kam. Es steht deshalb vielmehr zu befürchten, dass es sich bei den Erschütterungen in der arabischen Welt gar nicht um eher harmlose Islamisten handelt, die vielleicht eine schmutzige Bombe bauen wollen, oder um gefährliche “Kopftuchmädchen”, vor denen sich deutsche Eugeniker fürchten, sondern um die schlimmste aller Gefahren: Ein Aufstand der Massen gegen die Eliten, die diese Länder bisher zu unser aller Wohl stabilisiert haben. Nachdem in Tunesien bislang auch keine Synagogen angezündet wurden, muss die reiche, von den bisherigen Regierungen bevorzugte Oberschicht nun einsehen: Noch nicht mal die üblichen Sündenböcke der Region, sondern sie selbst sind mit der Empörung von Leuten, die ihre Töchter nicht in Paris einkleiden lassen, wohl gemeint.
Wir hier, die “Stützen der Gesellschaft” auf der anderen Seite des Mittelmeeres, haben uns natürlich so der schnellen Information der besserverdienenden Infoelite verschrieben, wie es der Focus für die Entscheider der Staubsauger- und Versicherungsvertreterbranchen und Spiegel Online für strukturelle Analphabeten tun möchten. Und während sich nun alle Augen auf Ägypten richten, wo die Polizei endlich Gelegenheit hat, die im Krieg gegen den Terrorismus vom Westen erlernten Strategien und Tränengase an gemeingefährlichen, lautstark singenden und sogar Blumen tragenden Gegnern der wohlsituierten Kreise anzuwenden, denken wir – hoffentlich rechtzeitig – zu unser aller Wohle das Undenkbare: Kann der tunesische Hass auf die Leistungseliten und ihre zu unser aller Wohle gefestigte Stellung auch nach Europa hinüberschwappen?
1. Griechenland. Dort wird seit Monaten demonstriert. Gegen die EU, gegen die Regierung, aber auch besonders gegen die reichen Familien, die sich nach Überzeugung der Demonstranten seit Jahrzehnten schamlos bereicherten, und im Hintergrund der Politik die Strippen zogen. Zur sog. “Korruption” vermelden die Leistungs- und Freimarktfeinde von Transparency International, Griechenland läge weltweit auf Platz 78, ziemlich genau zwischen Ägypten (Platz 98) und Tunesien (Platz 59). Das, liebe Leser, sollte uns zu denken geben.
2. Irland. Für die Effektivität der dortigen Eliten spricht, dass sie zwar ungehindert zwischen Politik, Baulöwen und Banken irrwitzige Kredite unter der Hand vergeben konnten, und trotzdem bislang nur auf Platz 14 dieser ominösen Liste standen. Bravuröse Leistung der Diskretion, so muss das sein! Während in Nordafrika die Jugend chancenlos ist, hat auch das krisengeschüttelte Irland stolze Zahlen zu vermelden, die dort natürlich beim Aushandeln von Arbeitsverhältnissen förderlich sind: 28,6% sind an Erwerbsarbeit desinteressierte Leistungsverweigerer und haben genug Zeit, Steine zu werfen. Dazu kommt auch das Problem, dass zum alternativlosen, aber nicht wirklich effektiven Stabilisierungsversuch der Banken die Rentenreserve in die Bankenverluste gekippt werden musste. Während in Nordafrika patriarchalische Strukturen das Geld horten, stehen in Irland auch die Rentner vor dem Nichts. Nach längeren Protesten ist dort auch die Regierung unter Führung einer seit Jahrzehnten herrschenden, ehemaligen Revolutionspartei geplatzt. Und es ist weit von Dublin nach Zürich.
3. Italien: Was in Tunesien und Ägypten Wikileaks an verachtenswerten Indiskretionen liefert, sickert in Mailand aus der Staatsanwaltschaft in die Medien. Sexspielchen, Minderjährige, Amtsmissbrauch, Korruption – mögen auch die TV-Medien gleichgeschaltet wie in Ägypten sein, so zeigt sich doch, dass auch hier ehrenwerten Männern nicht mehr die kleinen, blutjungen Freuden des ungestörten Privatlebens vergönnt werden. Dank der besonderen, auf Familienverbänden basierenden Sozialstruktur können sich dort, wie auch im Orient, viele junge Leute keine eigene Wohnung leisten, Jungakademiker müssen etwas auf Stellen in Universitäten und der Wirtschaft warten, es gibt eine enorme Jugendnichtarbeitwolligkeit – Italien hat eben gefestigte Klassen, man handelt auf Gegenseitigkeit, im Süden ist zwar die Mafia, aber im Norden sind höchst anständige Unternehmer. Demokratisch kann durch die Wahlen im Süden und bei den Auslandsitalienern auch nichts anbrennen. Kein Wunder also, wenn Berlusconi Demonstrationen abstreift wie ein Bunga Bunga Mädchen den BH. Noch. Aber was nützt einem die Beherrschung der Medien, wenn es einem nicht gelingt, die Justiz wie Mubarak würdevoll zu leiten?
4. Österreich. Tu felix Austria! Sicher, die Staatsbanken sind marode oder verschachert, natürlich, die beiden Staatsparteien haben sich mitsamt ihren Gefolgsleuten über Jahrzehnte das Land geteilt, die Skandale kamen so schnell, dass man sie unter den Teppich kehren musste, wo hätte man sonst Platz für neue Skandale gehabt – aber lange Zeit galt das als Folklore, wie Märchen aus 1001 Nacht, die die Schlangen- und Würmerbeschwörer am Naschmarkt erzählen. Natürlich rächt sich diese Selbstbedienungsmentalität irgendwann, aber Österreich könnte als Modell für die verbleibenden Diktaturen Nordafrikas gelten: Wenn die Bürger zwei alteingesessene Kleptokratenverbände nicht mehr wählen wollen, gründet man eben einen weiteren Verband für jungdynamische Nachrücker, der sich erst noch richtig bereichern muss, nennt ihn jugendkompatibel “freiheitlich”, und erklärt, dass an allem die Juden schuld sind. Von aussen demokratisch und EU-tauglich, von innen stabil und besonders den jetzt zitternden Regierungen wie in Syrien und Lybien zu empfehlen, die eigentlich – siehe Stuttgart21 – alles richtig gemacht haben, und dem Fortschritt keine falschen Hürden in Form ignoranter Bürgerproteste in den Weg stellten, sondern das tun, was wir auch machen.
5 – 8. In Frankreich ruft der absolute Bestseller zur Empörung auf. Spanien und Portugal sind als Staat und Mehrheit der Bevölkerung durch unsaubere Finanzpolitik und falsches Bewusstsein recht arm bis hungrig oder gar insolvent, sie haben über 20% Leistungsverweigerer, und sind an der Spitze trotzdem reich, solange man die Bilanzen weiter angemessen pflegen kann. Wenn das nicht mehr geht, nun… hoffentlich gibt es Geld von einer EU-Geheimkommission. Oder doch Aufstand? In Grossbritannien setzt die Wirtschaft zum nächsten Tiefpunkt an, aber die Banken sind wenigstens gerettet. Tunesien, scheint es zumindest jenseits der Londoner City, ist dort überall nicht so weit weg.
9. Und Deutschland? Nun, wir schreiben 2011 und diskutieren über die Notwendigkeit eines Segelschiffs und schlechtes Essen im Dschungel. Trotz Landesbanken, Bankenbailouts, Siemensskandal, Atomparteienfinanzierungskompromiss, Überalterung, G8-Gymnasium, Bachelorelend, Reallohnverluste – wir updaten unsere Reality über ein Segelschiff und das schlechte Essen von Leuten, denen man nicht vorgestellt werden möchte. Es geht uns offensichtlich gut. Südlich von München, jedenfalls. Irgendwo muss ja auch mal Schluss sein, mit den tunesischen Verhältnissen.