Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Der Weg zur Herrschaft – Manifest für die Edlen, Reichen und Tüchtigen

Schon vor dem Zeitalter des Bürgertums konnte der Mensch leben, und das gar nicht mal so schlecht - insofern muss man hin und wieder fragen, ob frühere Epochen wie der Feudalismus nicht Lösungsmöglichkeiten für eben jene Probeleme kennt, die die bürgerliche Oligarchie und der Liberalismus geschaffen haben. Darauf einen Gastbeitrag von HansMeier555.

Seit drei Jahren feiern die „Stützen der Gesellschaft” in meiner, Don Alphonsos Person das gehobene Bürgertum in Westdeutschland als die beste aller möglichen Welten, und sollte es in Oberbayern daheim sein, sogar als die besteste aller möglichsten Welten. Das sieht nicht jeder so; mancher Berliner wähnt sich gar nicht im Slum, angeblich soll auch London ganz nett sein, wenn man dort keine Silberkannen brandschatzt, und Verwegene behaupten gar, dass es ein Leben ohne Kronleuchter und Perserteppiche geben kann. Die härteste Fundamentalkritik jedoch kommt von einem Kommentator namens HansMeier555. Dieser eifrige Herr erklärt das oligarchische Bürgertum für gescheitert und plädiert für eine Rückkehr zu vorbürgerlichen Zuständen, namentlich: Dem Feudalismus. Seit gut drei Jahren streiten wir uns darüber in den Kommentaren, ich schreibe oben bürgerlich und Hans Meier 555 kommentiert unten dagegen – und ich denke, es ist jetzt an der Zeit, einmal den intellektuell-diskursiven Spiess in Richtung meines eigenen Bauches umzudrehen und Raum zu geben für ein antibürgerliches Gegenmodell. Also habe ich ihn gebeten, mit zum dreijährigen Jubiläum einen Gastbeitrag zu schreiben, wie er sich den Untergang der bürgerlichen Klasse und die Wiederkehr des Feudalismus vorstellt, und ganz ehrlich: Bei einem demokratischen Bundespräsidenten wie dem Unserem oder demokratischen US-Republikanern kann einem schon mal ein Zweifel… wie auch immer: HansMeier555 hat das Wort!

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Im Westen geht ein Gespenst um – das Gespenst der globalen Oligarchie.

Alle Ohnmächtigen auf unserem Planeten haben sich zu einer hysterischen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet: der Papst und der russische Zar, Schäuble und Sarkozy, die Occupy-Jugend und das Landgericht Düsseldorf.

Es ist hohe Zeit, dem Märchen vom Gespenst der Oligarchie entgegenzutreten und ihm einen entzerrenden Elitenspiegel gegenüberzustellen, der die Verdienste der Edlen, Reichen und Tüchtigen würdigt, ihre Versäumnisse tadelt, sie an ihre Pflichten erinnert, und mehr noch auf ihre glänzenden Aussichten hinweist.

Zu diesem Zweck habe ich, Johann Meier, das folgende Manifest entworfen.

Die Geschichte aller bisherigen Menschheit ist eine Geschichte des Träumens und Wünschens. Im Paradies wünschten sich Adam und Eva zu sein wie Gott, ihre Nachkommen wünschten sich Macht, Liebe, Ruhm und Ehre, Kinder und Enkel, die Erlösung von der Erbsünde, Gesundheit und das tägliche Brot.

Fast alles wurde erfüllt: Der Messias kam und gründete die christliche Kirche; Evas Kinder machten sich die Erde untertan, vermehrten sich von zwei auf sieben Milliarden und steigerten ihre Wirtschaftsleistung von wenigen Paradiesfrüchten auf über fünf mal zehn hoch vierzehn US-Dollar im Jahr.

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Besonders schnell wuchs die Wirtschaft seit etwa 250 Jahren. Das war das Verdienst des Bürgertums. Das Bürgertum hat das uralte Menschheitsproblem der Knappheit aller materiellen Güter gelöst. Selbst arme Länder verfügen über die Mittel, ihre gesamte Bevölkerung ausreichend mit Nahrung und Kleidung zu versorgen. Es geht nur noch darum, die Lasten und Erträge so zu verteilen, dass sich niemand allzu sehr benachteiligt oder ausgenutzt fühlen wird. Leider kann sich der Bürger über diesen Erfolg nicht freuen, er will eine Wachstumsperspektive für die Zukunft.

Wo aber findet er diese? Die globalen Ressourcen an Rohstoffen und billiger Arbeitskraft erschöpfen sich. Egal wie reich er ist: Ohne stabile Aussichten auf Statuserhalt, ohne die Vorstellung, dass sein Geld Geld zeugen kann wie Menschen Menschen zeugen, will er nicht leben. Lieber baut er Pyramiden, bis vom Eigenkapital nur noch 25 Prozent übrig sind.  

Auch der bürgerliche Verfassungsstaat hat sich überlebt. Befremdlich klingt der Vorschlag, „die Würde der Demokratie” zu retten. Sollte Habermas noch nichts davon gehört haben, dass die Demokratie tot ist? Weiß er nicht, dass nur noch Computerclubchaoten an die Aufklärung glauben? Ja, Kaiser Sepp und König Fritz mochten sich vor  zweieinhalb Jahrhunderten wohl den Luxus leisten, die Folter abzuschaffen oder die Religionsfreiheit zu verkünden. Der Beifall der Gutmenschen sei ihnen gegönnt. Aber sie hatten es noch nicht mit Moslems zu tun. Mochten sich die Altvorderen am Briefgeheimnis einen  Narren fressen – sie ahnten noch nicht die Gefahren der Kinderpornographie, des Drogenhandels oder der umstürzlerischen Antifagruppen. Auch behielten die Skeptiker recht, die uns früh vor dem allgemeinen Wahlrecht gewarnt haben: Haben doch auf Wählerwunsch Politiker Schuldenberge angehäuft, die heute über uns zusammenbrechen.

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Die Demokratie ist tot, weil sie auf den Irrtümern der Aufklärung beruht. Die Behauptung Kants, dass die Menschen ihre Unmündigkeit selbst verschuldet hätten und aus eigener Kraft aus ihr herausfinden könnten, ist empirisch widerlegt. Ebenso Marx mit der Annahme, dass Demokratie  im Kommunismus münden würde. Denn Demokratie und Kommunismus waren ja immer schon eins: Willkürlich postuliert man die Gleichheit aller, will allen gleiche Rechte geben: Christen und Heiden, Ehrlichen und Spitzbuben, Edlen und Gemeinen, Frauen und Männern, Tüchtigen und Faulen, Anwesenden und Abwesenden, Reichen und Armen, Klugen und Dummen, Eigenen und Fremden, Gesunden und Kranken, Tapferen und Feiglingen, Erstgeborenen und Bankerten. Das heißt dann „aufgeklärte Zivilgesellschaft”. Die hatten einen Traum! Bekommen hat Europa stattdessen die Umverteilungsdiktatur der Minderleister, die sich umsonst genehmigen, wofür Tüchtige arbeiten lassen müssen: Sozialhilfe, Krankenhäuser, Renten, Schulen, Museen, Arbeitsplätze, Polizeischutz, Fabrikinspektionen, Mindestlöhne, Schlossneubauten,  Prozesskostenhilfe, Gesundheitsämter, Immobilienkredite,  Bafög und Elterngeld. All das müssen die Tüchtigen bezahlen. Schildabürger waren sie und Schuldenbürgen sind sie nun. Da haben Sie, Citoyen Siéyès, Ihren Dritten Stand!

Wer ist schuld?  Diese Frage ist eine rhetorische: Die Eliten wissen, dass sie selber schuld sind. Allzu lange haben sie dem Treiben zugesehen, statt die natürliche Ordnung wieder herzustellen. Wer könnte sie daran hindern? Das Kollektiv transfermindergeleisteter Umverteilungspolitiker?

Was tun? Welcher Weg wird diejenigen zur Herrschaft führen, die zum Herrschen bestimmt sind?
Früher hätte man den schlanken Polizeistaat favorisiert, der die Interessen der Tüchtigen vor den Gelüsten der neidischen Masse schützt. Bismarck, Pinochet und Li Peng haben bewiesen, wie gut er funktionieren kann. Mehr noch spricht gegen ihn. Durch Unterdrückung hält er den demokratischen Diskurs unnötig am Leben und bleibt selbst die größte Bedrohung. Eines Tages wird sich die faule Mehrheit seiner Apparate bemächtigen und in den Dienst ihrer Umverteilungstyrannei stellen, und Nietzsche wird recht behalten: „Viel zu viele werden geboren, für die Überflüssigen ward der Staat erfunden”. Die Aufklärichtbringerei bleibt ewig harmlos, weil sie zu lächerlich ist, um von den Eliten ernst genommen zu werden. Aber der Machtstaat weiß sie zu verführen. Hannah Arendt hat es gesagt: „Der ‘Leviathan’ ist der Staat, und seine Philosophie ist die Weltanschauung, der die bürgerliche Gesellschaft seit ihrem Beginn zustrebte”. Und hat so den Eilten den Weg aus der Knechtschaft gewiesen: Zuerst müssen sie ihre bürgerliche Identität abstreifen, den Bürger in sich abtöten. Anders geht es nicht.

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Wie aber soll nichtbürgerliche Herrschaft aussehen? Die Bananenrepublik mittelamerikanischen Typs hätte den Vorteil, dass der Weg dorthin kurz und bequem ist. Formal bleibt die Demokratie bestehen und wird von den Tüchtigen einfach durch Tüchtigkeit unterlaufen. Für die Sicherheit sorgen privat angeheuerte Fußballfans und Rinderhirten. Wäre die Bananenrepublik nicht effizient, dann hätten sich die angelsächsischen Eliten in den letzten Jahren nicht so eindeutig für sie entschieden. Ihr größter Vorteil ist Stabilität. Einmal Bananenrepublik, immer Bananenrepublik – diese Regel gilt in Amerika bislang ohne Ausnahme.

Trotzdem möchte ich – und das ist mein Motiv, diesen Beitrag zu schreiben – an die Edlen, Reichen und Tüchtigen in Europa appellieren, bitte nicht die amerikanische Bananenrepublik zum Vorbild zu nehmen – obwohl alle rationalen Argumente auf den ersten Blick für sie sprechen.
Denken Sie daran, dass die Bananenrepublik auf ewig zum Lügen verdammt. Das ist der Fluch des Simón Bolívar: Immerzu muss man die Demokratiefassade aufrecht erhalten, welch alberne Operette! Hören Sie die Mahnung Alexander Solschenizyns, der vom kommunistischen Gulag aus die Menschheit dazu aufrief, „nicht in der Lüge zu leben”.  Also verzichten auch Sie auf die Wiederholung kommunistischer Lügen.

Ein weiterer Grund ist, dass wir nicht Kolonie sein wollen, sondern Metropole. Wenn Asien das Morgen- und Europa das Abendland ist, dann kann Amerika nur das Nachtland sein. Panama, Alabama oder Honduras mögen für New York oder Connecticut zum Vorbild taugen, nicht aber für uns. Egal was der Großhistoriker erzählt: Von hier aus führt der Weg zur Herrschaft nicht nach Westen, nicht über Paris, Dakar, Cap Verde, Port-au-Prince, New Orleans und Las Vegas nach Orange County, sondern wie alle Wege über Mailand und Florenz nach Rom: Das wussten schon Alarich und Karl der Große.

Besuchen Sie Kirchen und Museen in Ihrer Nähe und überzeugen Sie sich, dass hier früher eine Hochkultur existierte. Die schon enthielt, was die Edlen und Tüchtigen jetzt für die Wiederbegründung ihrer Herrschaft brauchen: Die christliche Religion und die feudale Ordnung! Da wir aus dem Feudalismus hervorgegangen sind, muss er zu uns passen. Und seine Fähigkeit, in Perioden wirtschaftlicher Stagnation für soziale und politische Stabilität zu sorgen, hat er tausend Jahre lang unter Beweis gestellt.

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Der Vorschlag, die feudale Ordnung wiederzubeleben, wird viele schockieren. Nach zweihundert Jahren Gleichmacherpropaganda kann es nicht anders sein. Aber lassen Sie sich vom Geheul des Jakobinerrudels nicht beirren, sondern betrachten Sie die Fakten.

Was zuerst ins Auge fällt, ist das unerschöpfliche kulturelle Kapital, von dem wir bis heute zehren.  Merowingische Goldschmiedearbeiten, Gotische Kathedralen, Tridentinische Messen, barocke Schlösser und Gärten, Konzerte, Opern und Fürstenhochzeiten: Alles, was uns gefällt, alles worauf wir stolz sind, alles was Gäste aus anderen Weltregionen hören und sehen wollen, ist im feudalen Kontext entstanden. Wie schäbig dagegen wirkt die Moderne! Das Bürgertum könnte allenfalls für sich in Anspruch nehmen, das feudale Kulturerbe sorgsam konserviert zu haben. Ja, und es sind im Nachgang der feudalen Epoche noch paar tiefsinnige Romane produziert worden. Das war’s aber auch schon.

Wenn immer gefragt wird, was uns von Moslems, Amerikanern oder Chinesen unterscheidet, so denken wir an die kulturellen Schätze und wer sie produzieren ließ: Die katholische Hierarchie und die feudale Aristokratie. Lassen wir uns nicht einreden, dass uns der Aufkläricht als „core asset” größere Wettbewerbsvorteile verschaffen könnte. So naiv sind die Märkte nicht. Jeder asiatische Despot kann sich nach Belieben „Demokratie-und-Menschenrechte” in die Verfassung schreiben. Aber hat er auch jemanden, der ihm eine Oper wie „Le Nozze di Figaro” komponiert?

Das wirksamste Argument gegen den Feudalismus ist das Schlagwort von der pösen  „Leibeigenschaft”. Logischen Einwänden hält es nicht stand: Wenn Leibeigenschaft schlecht ist, dann muss Freiheit etwas Gutes sein. Wer aber wirklich frei ist, muss auch die Freiheit haben, über sich, sein Leben, seine Freizeit und seinen Körper freie Entscheidungen zu treffen –  etwa indem er mit anderen ebenso freien Personen freiwillige Verträge schließt, in denen er – wie das ja bei allen Verträgen der Fall ist – sich bestimmte Vorteile zusichern lässt (z.B. den kurzfristigen Erhalt einer Geldsumme, oder das Recht, ein Stück Land zu bebauen) und dafür eben bestimmte Verpflichtungen eingeht (z.B. die Summe mit  Zinsen zurückzuzahlen oder, solange er das nicht kann, den Acker des Geld- oder Feldgebers hin und wieder mal mitzupflügen oder eine Niere zu spenden). Ja, es stimmt: Aus solchen Verträgen kann theoretisch ein Abhängigkeitsverhältnis entstehen. Aber für welchen Vertrag gilt das denn nicht? Würde man den Armen, die ihr Schicksal in vorbildlicher Weise selbst in die Hand nehmen wollen, einen Gefallen tun, wenn man ihnen die letzte Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung nimmt? Pfandkluge Gläubiger brauchen Sicherheit. Das ist nicht zynisch, sondern vernünftig. Wenn Rousseau jedermann dazu „zwingen wollte, frei zu sein”, dann müssen wir den mündigen Untertanen mit der Freiheit ausstatten, sich auch einmal zwingen zu lassen.

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Wollen wir ein „Heiliges Römisches Reich der Europäischen Nationen” ausrufen, als Wahl- oder Erbmonarchie, mit Fürstentümern, Grafschaften, Adelsdiplomen? Solche Fragen spiegeln bürgerlichen Denkschablonen wider. Die große Stärke der feudalen Ordnung hat aber seit Alarich immer in ihrer Dynamik bestanden, ihrer Fähigkeit, sich der Systembildung zu entziehen. Nehmen wir uns an Goten und Franken ein Beispiel! Diese entwickelten das Lehnswesen ganz nebenbei, indem sie der unterworfenen römischen Bevölkerung zwar ihre eigenen Gesetze beließen, ihre Beziehungen untereinander aber durch Verträge frei regelten, bei denen z.B. Land gegen Gefolgschaft getauscht und Totschlag mit Wergeld gesühnt wurde. Welches System könnte heute besser geeignet sein, um die Konkursmasse der bankrotten Umverteilungsdiktaturen wieder produktiv zu machen? Der Feudalismus ist die politische Technik der Freiheit, er erlaubt es, das Land zu führen wie ein Unternehmen.

Lassen Sie sich nicht von der Behauptung beirren, dass die fränkische Herrschaft „Unordnung”, „Anarchie”, wirtschaftlichen Verfall und Bevölkerungsrückgang mit sich gebracht hätte. Ohne Statistik kann niemand beweisen, dass sich ohne Lehnswesen nicht alles noch viel schlechter entwickelt hätte. Der Krieg ist der Vater aller Dinge, so auch der europäischen Zivilisation. Erst das von Goten und Franken gestiftete „feudale Chaos”, der tausendjährige Krieg „aller gegen alle” sorgte für die politische Systemkonkurrenz, in der sich kulturelle, technische und wirtschaftliche Innovationen besonders schnell durchsetzen konnten. Ohne die Vielzahl der streitenden Parteien hätten weder Theologie noch Juristerei noch die Waffentechnik den rasanten Aufschwung genommen, der Europa dann in die Neuzeit katapultierte. Das Römische Reich aber war an seiner sozialen Stabilität zugrunde gegangen. Wer das „Recht des Stärkeren” ablehnt, übersieht, dass sich auf dem Recht des Schwächeren erst recht keine zukunftsfähige Ordnung begründen lässt.
 
Genial ist, wer eine neue Welt erfinden kann. Die feudale Ordnung nach ihren Träumen und Wünschen zu gestalten aber ist das Recht und die Pflicht der Tapferen, die sich dann auch als siegreiche Aristokratie begreifen dürfen. Wenn Sie zu den Tüchtigen unter den Tüchtigen gehören, haben Sie schon damit angefangen. Einem zentralen Prinzip der feudalen Ordnung wurde ja mancherorts schon wieder Geltung verschafft: der Befreiung des Adels von allen Steuern.

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„Zuwendung, Distinktion, Gnade!” Das klingt gut und sagt sich leicht, bedeutet für Sie aber einen lebenslangen Einsatz für Ihre Mitmenschen. Wer vom Bürgen zum Edelmann aufsteigt, dem steht ein brutaler Rollenwechsel bevor. Der Bürger sondert sich, je reicher er wird, immer weiter von der Gesellschaft ab. Er verkriecht sich in seine „gated community” und läßt sich von Anwälten und Politikern vertreten. Der Feudalherr dagegen bewegt sich mitten in die Gesellschaft hinein. Im offenen Sechsspänner rollt er durch die Fußgängerzone, läßt sich von jedermann grüßen und plaudert mit der Trüffelverkäuferin.

Als Feudalherr repräsentierten Sie sich selbst. Sie haben den dritten Stand überwunden und müssen sich in der ersten Person artikulieren. Alles hängt von Ihnen ab,  überall müssen Sie gnädige Präsenz zeigen. Es wird keinen Staat, keine Verfassung, keine Politiker und Gerichte mehr geben, hinter denen Sie Ihre Huld verstecken können. Da Sie scheinbar alles bewirken können, wird man zu viel von Ihnen erwarten. Ihre Residenz werden Sie nicht alleine bewohnen und niemals Ruhe haben. Nicht umsonst speisten Fürsten früher öffentlich. Und jeder, sogar der Nichtadlige, durfte dabei zusehen. Können Sie sich das vorstellen?

Die Zuneigung Ihrer Untertanen werden Sie sich täglich neu erwerben: Durch  Ihre Teilnahme an Hochzeiten und Taufen, Ihr gerechtes Urteil in allen Streitfällen. Bettelnde Witwen und Waisen können Sie nicht wie bisher zum Sozialamt schicken. Werden Ihre Landschaften blühen wie ein Vorgarten? Hat Ihr Bauer am Sonntag sein Huhn im Topf, strömt das Volk in die Kirchen?  Auch Sie selbst dürften dort nicht allzu oft fernbleiben. Die Sorge um das Seelenheil Ihrer Untertanen ist ein Eckpfeiler Ihrer Legitimation. Tröstlich, dass Ihnen die innere Mission leicht fallen wird: Angesichts des Klimawandels, der Endzeiterwartungen erstmals so wissenschaftliche Plausibilität verleiht, wird das Christentum künftig mehr Zulauf erhalten.

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Sie werden keine Segeljacht mehr brauchen, sondern Tanzen, Fechten und Reiten lernen, ihren Geschmack bilden müssen: Für den Schlossbau, die Bestellung von Gemälden, das Engagement eines Orchesters. Im Krieg müssen Sie sich an Front bewähren. Als Feudalherr dürfen Sie alles sein, aber niemals feige! Auch wenn Sie beste Gründe haben, ewig leben zu wollen. Auf die Frage, warum Sie noch hier sind, anstatt sich in Palästina am Kreuzzug um die Befreiung der heiligen Stätten von den Ungläubigen zu beteiligen, müssten Sie stets eine gute Ausrede parat haben. Und Sie müssen für Nachkommen und deren Erziehung sorgen. Sie müssten, so absurd es klingt, ihren ältesten Sohn zum Nachfolger aufbauen.

Dennoch bin ich mir sicher, dass sie diesen Herausforderungen gewachsen sind!
Feudalismus oder Barbarei – das ist die Wahl, vor der die Reichen und Tüchtigen Europas heute stehen. Ich habe keine Zweifel, wie sie sich entscheiden werden. Und wenn Sie es wollen, bleibt es kein Traum.