dimmi quando quando quando l’anno il giorno l’ora in cui forse tu mi bacerai
Tony Renis
Durch eisblitzende Almen, entlang der dicht bewaldeten, im Frost erstarrten Blauberge, zwischen den Felshängen hin und her schwingt sich die Achenpassstrasse aus dem Tegernseer Tal hoch in Alpen. Dir Kurven sind weit, die Steigung ist gering und die fahrerische Herausforderung minimal. Wäre im Tank die letzte Füllung, die man sich in einer nicht allzu fernen Zukunft der knappen Rohstoffe noch leisten kann, würde man mit diesen 50 Litern Sprit vielleicht eine andere, unvergessliche Strecke wählen, um dann die automobile Gegenwart Vergangenheit werden zu lassen: Den Jaufenpass vielleicht.
Oder die Uferstrasse des Comer Sees zwischen Como und Bellagio, von Kurve zu Kurve, von Grand Hotel zu Grand Hotel, in einem zweifarbigen Automobil.
Oder so fahren, dass der letzte Tropfen an genau dieser Stelle zu dieser Uhrzeit durch die Benzinleitung läuft; vorne der Sonnenuntergang und hinten ein Restaurant, in dem man sich an diese glorreiche, laute, stinkende Epoche erinnern kann.
Oder noch einmal Nachts durch Rom rasen als letzter Dinosaurerier einer vergangenen Epoche, und den Papst aufwecken, wenn der letzte Schrei des Motors in den Strassenschluchten hallt.
Das ist eine schöne Illusionen. Die Realität der letzten fossilen Brennstoffe wird anders und sehr prosaisch sein: Der Mensch im Wohlstand glaubt zwar, dass Mobilität wichtig ist, aber in unseren Breiten genügt eine kalte Winternacht ohne Heizung, um bessere Verwendungszwecke zu entdecken. Es mag eine grausame Welt sein, in der man zum Zigarettenautomaten gehen oder gar radeln muss, aber noch viel grausamer ist das Erfrieren. Erst in den letzten 60 Jahren sind grössere Zahlen von Kältetoten bei uns keine winterliche Normalität mehr. Davor war die Frage der Beheizung existenziell und nicht nur eine von Arm oder Reich, sondern schlichtweg von Leben oder Tod. Elite war, wer nicht erfror. Angesichts solcher Wahlmöglichkeiten werden die letzten Liter Brennstoff nicht im Motor auf einem Pass verbrennen, sondern in einem Ofen.
Weit sind wir gekommen in diesen 60 Jahren: Anfangs der 50er Jahre sah meine Mutter im Winter noch Eisblumen an den Fenstern, denn Heizen war teuer, und man beschränkte sich auf wenige Zimmer. 30 Jahre später bauten meine Eltern ein Haus, und weil es damals üblich war, die halbfertigen Häuser anderer Leute anzuschauen, liessen sie im Winter die Heizung laufen, obwohl Fenster und Türen noch fehlten. Heizen war spottbillig. Heute ermahnt mich meine Mutter, im Winter nur einen Raum zu heizen. Meine Bibliothek ist in warmen Farben gestrichen, damit sie wärmer wirkt, als sie ist. Nochmal 30 Jahre… wir verdrängen das gern. Es wird noch Öl und Gas geben, aber es wird sehr teuer sein. Erstaunlicherweise gelüstet es den Menschen nach immer mehr Wohnfläche, die zu heizen sein wird, und grösseren Erlebnisbädern, deren Wasser geheizt werden muss, und Omas dicke Daunenbettwäsche ist längst einem kühlen Satinhauch gewichen. Wir haben im grossen Haus noch die Verschläge für die Winterbetten; Mieterinnen stellen dort das dünne Nichts ihrer Schuhe ab. Noch. Heizen war Luxus, wurde normal, und wird wieder Luxus werden.
Sicher, es gibt den Klimawandel. Die Sommer werden wärmer, aber dann wird ohnehin nicht geheizt. Die Winter werden im Durchschnitt auch wärmer sein, und vielleicht kommt man auch ein paar Jahre ohne besondere Probleme durch. Und dann kommt so ein sibirisches Hochruckgebiet, mit dem keiner mehr rechnete, und man ahnt: Die Südseebewohner gehen nur als erste unter, Wer als erster erfriert, ist noch nicht ausgemacht.
Weil aber der Mensch unter den Viechern dasjenige ist, das verdrängen kann und aus Fehlern lernt, wie man weitere, anders gelagerte Fehler machen kann, verbrennt das Benzin im Motor zu schädlichen Abgasen, während der Wagen – nur zwei Sitze und ein Kofferraum, der mit einer Zahnbürste schon gut gefüllt ist – den Achenpass erreicht. Wenigstens sind hier genug Wälder, die das Kohlendioxid in sich aufnehmen. Wer weiss schon, was in 30 Jahren sein wird. Dann geht es hinunter nach Österreich, das Tal verengt sich zur wildromantischen Schlucht, ein grotesk vereister Bach begleitet die Strasse, und das Auto singt sorglose Fahrstuhlmusik einer Epoche, als der Liter Heizöl ein Zehnerl kostete, und man singt mit: Qando, quando, quando sag mir wann… 30 Jahre sind nicht so lang… wer erfriert der ist arm dran… womit heize ich denn dann… da vorne kommt die Grenze zu Österreich und die alte Zollstation, und vielleicht auch die ein oder andere Antwort auf all diese Fragen. Denn die Zollstation, ein Relikt des Europas der Grenzen und der Schmuggler, beherbergt neues Leben: Antike Kachelöfen, sagt ein Schild, und eigentlich ist die Lösung ganz einfach. Hier ist der Wald, hier sind die Kachelöfen, man muss das nur zusammenbringen und kann die letzten 50 Liter vielleicht doch artgerecht zur eigenen Beglückung entlang der Riviera verbrennen.
Es ist, zugegeben, natürlich etwas paradox. Da gab es eine Generation, die Gas in das eine Haus legte, um endlich die Kachelöfen abreissen zu können. Es gab eine andere Generation, die einen ganzen Kellerraum nur für einen Öltank verschwendete. Eine Generation weiter wollte man dann endlich die alten Holzlegen wegreissen, die keiner mehr braucht. Das alles war langfristig, mit einem Zeithorizont von eben jenen 30 Jahren, nachvollziehbar und richtig. Das machte man so, man war damit an der Spitze des Fortschritts, als andere noch Kohlen schleppten und lange auf warmes Wasser warten mussten. Mit einem Zeithorizont von 30 Jahren würde ich heute sagen: Mit dem hier könnte ich mir vorstellen, dieses Zeitalter der der Beschränkung angenehm zu gestalten.
Der ist auch ganz fein, man beachte nur die Kunstfertigkeit der Putten, und er würde wirklich gut in meine Küche passen. Mögen auch die alten Öfen verschwunden sein, so sind doch immer noch viele alte Kamine im Haus. Man kann das im Altbau alles wieder machen. Wie das wohl in den Neubauten sein wird, in 30 Jahren, wenn nur ein kleiner Kamin eingebaut ist? Kalt, vermutlich.
„So einen haben wir damals raushauen lassen”, würde meine Grossmutter sagen. Mehrfach. Das war einfach die Zeit, andere rissen auch gleich noch die historischen Türen heraus, die ihre Erben heute teuer zurückkaufen müssen. Heute ist eine andere Zeit, und sie schliesst sich wieder mit der Vergangenheit. Sie tut es mit dem satten Geräusch einer Ofentür.
In meiner Heimat gibt es auch ein paar Mädchen, deren Mitgift den ein oder anderen kleinen Wald mit einschliesst. Vor ein paar Jahren fanden wir so ein Geschacher mit Holz etwas, nun, fragwürdig und rückständig, aber man wird vielleicht umdenken müssen. Immerhin, das Klima ist inzwischen so warm geworden, dass man realistisch mit Ofen und Wald einen warmen Winter planen kann; hätten wir die fossilen Energien wirkungslos durchgebrannt, wären die Zukunftsaussichten nochmal erheblich unschöner: Vor 100 Jahren waren die Bergwinter so kalt, dass der Tegernsee zugefroren ist. Natürlich ist nicht genug Holz für alle da, und auch zu wenig Transportkapazität, um es weit zu verbringen, denn das Benzin wird man sinnvoller verfahren, wenn man es sich leisten kann. Es wird dann wieder so wie früher sein, die einen haben es warm, und die anderen werden wie schon heute wegen der hohen Nebenkosten zu jammern, die mitunter schlimmer als die Mietpreissteigerung sind. Das ist eben der Markt, er reguliert alles über den Preis, die Zimmertemperatur und die Anzahl der übereinander getragenen Socken, und wer sich heute seine Gedanken macht und alte familiäre Fehler revidiert, muss in 10, 20 Jahren nicht mehr hektisch umstellen. Elite wird sein, wer dann nicht friert.
Die D.-Schwestern – das sind die mit dem generösen Onkel mit dem Wald als Mitgift – sind übrigens immer noch ledig. Es gibt derer allerdings nur zwei; man sehe es mir nach, dass ich derartige Mangelwaren hier nicht öffentlich mit Adresse anbiete, aber die Kachelöfen, von denen es mehr gibt, haben ihre Webseite an dieser Stelle.