Und da Ritter Künzelsau, dea hod a dädowiade Frau, und wanna nochts ned schloffa ko, no schauda se de Buidl o.
Ja, so woans de oidn Rittersleid (trad.)
Seit Jahren versuchen Anwälte im schönen Oberbayern den hiesigen Unternehmern und Vermögenden zu erklären, was Compliance ist: Dass man nicht mehr so, wie unter Streibl und Strauss nicht ganz undenkbar, den Landrat mit nach Südfrankreich nehmen darf, damit der dort den gewünschten Acker in Gewerbegebiete umschreibt. Dass es inzwischen nicht nur verboten ist, sondern auch juristisch verfolgt wird, wenn man die Söhne von Amtsträgern, die einem Gutes tun, mit üppigen Beraterposten ausstattet. Auch sollte man vorsichtig mit Parteispenden sein, und ob das jetzt ein Koffer oder getarnte Werbemittel sind, ist eigentlich egal. Wos, fragt da der bayerische Oligarch, wos soi nochad des mid dera Gomblaiantz, des homma no nia ghabt. Und dann erklärt er dem Rechtsbeistand, was früher ganz normal war und sich keiner etwas darum g’schissn hätte, und so soll der Herr Rechtsanwalt dafür sorgen, dass es auch diesmal so läuft. Nach einer Rechnung hat damals keiner gefragt, da hat man das halt bar gemacht, so war das damals und das hat Bayern gut getan. Die Anwälte müssen sich alle Mühe geben, dem Oligarchen zu vermitteln: Die guten, alten Zeiten, als einem erfolgreichen Holzdieb aus dem Bayerischen Wald mit Parteiprotektion alle Wege zu Staatsanwälten und Behörden offen standen, die sind vorbei. Definitiv.Auch in Bayern. Fast immer, meistens, also öfters. Es wurden sogar schon mal Leute in der ersten Instanz verurteilt, obwohl die Festplatte gut zerstört war.
Wer sich daran gehalten und der schönen Tradition der Politikerbewirtschaftung im Bayernland abgeschworen hat, muss sich im Moment sauber ausg’schmiert vorkommen: Da sagt also eine Compliance-Abteilung von VW – der Konzern, der auch schon Lustreisen der Betriebsräte zu spät gemerkt hat – es sei völlig in Ordnung, wenn ein Aufsichtsrat, der keine Vergünstigungen annehmen darf, ein Auto für 1 statt 1,5% Leasinggebühr bekommt. Und der gleiche Aufsichtsrat, der diese und andere Begünstigungen im Wert von ein paar hundert oder tausend Euro angenommen hat, hat spät gemerkt, dass ein Freund seinen Urlaub bezahlte, und ihm deshalb das Geld zurückerstattet. In bar, angeblich. Ohne Quittung, vermutlich. Was irgendwie ins Bild passen würde, wenn ein Hauskredit per anonymen Scheck aus Schweizer Quellen sprudelt. Seit Jahrzehnten reden Anwälte, Frauen und Kinder an die Reichen des Landes hin, doch bitte endlich etwas ehrlicher zu werden und die Skiausrüstung nicht unter die Büromaterialien zu tun: Und jetzt das. Die Staatsanwälte, mit denen immer gedroht wurde, ermitteln auch nicht, Luxussuite, Filmball, Einladungsliste, Sonderkredit, ach was, alles in Ordnung, alles legal. Die kommenden Wochen und Monate werden nicht leicht für die Anwälte im Bayernland, die ausgezogen waren, diesem rechtsfreien Raum Halt, Sicherheit und glaubwürdige Einkommensauskünfte zu geben: „Wos da Breiss ko, ko I scho long”, wird man ihnen sagen. Und dass der Streibl damals wegen viel weniger gehen musste, also geht heute mehr.
Kurz: Herr Wulff und seine Affären haben mehr bewirkt, als dass sich ein paar elende Schandmäuler in bester Gesellschaft die Frechheit herausnehmen können, irdisch und überirdisch ungestraft, ja gar mit Zustimmung rechnend vom „Reichshauptschnorri in Schloss Parvenü” zu sprechen. Und bislang ist er immer noch durchgekommen, dank der Kanzlerin, ausnehmend dezent agierenden Staatsanwälten und einer Beurteilung des eigenen Mitnehmens, die man höflich als kognitive Dissonanz umschreiben könnte. Man kann ihn nicht feuern, Also bleibt er im Schloss, aber diesmal können wir nicht zum Empfang gehen und sagen, er soll uns die Kosten zurückzahlen, gerne in bar, und eine Rechnung kriegt er auch nicht. Bis 2015 geht das so weiter. Da muss eine Lösung her. Eine Lösung, die diese Person und seine Moral so sicher lagert wie sein heimisches Asse die Resultate der segensreichen Atomkraft, und gleichzeitig dem bayerischen Oligarchen verdeutlicht, dass das für ihn nicht gitlen tut nicht wahr. Ich denke, ich habe die Lösung:
Man sollte einfach für solche zahlenden Freunde aus der Wirtschaft den Titel des Hoflieferanten wieder einführen. So wie früher. Und bitte keine übertriebene Ziererei von wegen Demokratie und so, in meiner Heimat Gmund am Tegernsee lebt ein üppiger Ludwig-Erhard-Kult, der sich in nichts vom Bayerische-Herzöge-Kult im Ort Tegernsee unterscheidet. Briten reisen ihrem Churchill nach Punto San Vigilio nach; und Adenauerfreunde wandeln auf des Idols Spuren am Comer See. In München hängen vielerorts noch die Bilder vom Franz Josef; der Kundige kann den ganzen Tag in Erinnerung an diesen tadellosen Demokraten zubringen, wie der österreichische Demokrat auch die Lieblingsorte des einfachen Parteimitglieds Haider in Kärnten gedenkend aufsucht. Und wenn der auf Bayernmass gestutzte Franz Josef zieht, dann wird doch der grosse Niedersachse an der Staatsspitze sicher auch seinen Freunden als Auszeichnung dienlich sein.
Was wir brauchen, ist also wie in England eine Art Wappen, das man den Freunden von Wulff als Hoflieferanten verleihen kann. Links ein Klinkerfeld, rechts zwei sich waschende, blitzsaubere Hände, darüber ein Helm mit Hyänenkopf zum Beispiel, und darunter ein Motto. „Ich dien” steht beim Price of Wales, vielleicht „Ich nehm”? Statt „by appointment of” sollte daneben stehen „Betrag in Bar bezahlt von” seiner Exzellenz dem Bundespräsidenten, dazu ein „in der Steuererklärung berücksichtigt” für jene Frau, die die Bildzeitung früher zur „First Lady” und „Stilikone” machte, und damit sich die Berliner Republik vollumfänglich wiederfinden kann, auch eine Entsprechung für den Thronfolger, sagen wir mal Cem Özdemir mit der Aufschrift „auf dem Weg zum zufällig passenden Berufstermin dort eingekehrt”.
Dieser Titel wird lebenslänglich vergeben. Er muss auf jeder Visitenkarte, auf jedem Briefkopf und bei jedem Termin bei der Bank genannt werden, der Inhaber muss das Wappen an seinen Automobilen, Yachten, Ferienhäusern und Privatjets führen und bei Medienanfragen umfassend Auskunft erteilen, welche Präsente, Vergünstigungen, Vorteile, anonyme Schweizer Kredite, Upgrades, Vorauszahlungen usw. usf. etc. pp. er zur Erringung des Titels geleistet hat. Damit ist nicht nur die allseits gewünschte, volle Transparenz ohne lästigen Datenschutz hergestellt; es wird auch deutlich, welche unbescholtene Geschäftsmänner sich um die Politik verdient gemacht haben. Ich denke, wenn man Politiker lobt, die sich um die Wirtschaft kümmern, sollte man auch die Geschäftsleute auspreisen, die sich um das Wohlergehen der Politik kümmern. Dann weiss der Bürger, woran er ist.
Denkt man ein wenig nach, erkennt man, wie formvollendet der neue Ehrentitel zu Geist und Wesen der Berliner Republik passen wird. Endlich wieder etwas Glamour für die Reichshauptstadt, offenes Networking ohne Angst vor Entdeckung, schliesslich geht es dann nicht mehr um Vorteile oder gar Bestechung, sondern um das Entdecken und die Belohnung besonders verdienter Leistungseliten. Mit Moral, Compliance oder Ministergesetzen hat das nichts zu tun, und ich bin mir sicher, dass dann bald das Fahren von osteuropäischen Minigeländewägen, das Verklinkern von Häusern und das Betrachten deutscher Filmkunst vom Range des Wixxers Ausdruck vaterländischer Gesinnung sein wird, bei jenen, die immer noch sagen, dass der Bundespräsident hervorragende Arbeit leistet. Und wenn sich dort alle bayerischen Oligarchen hinter den Zentis anstellen und Geschenke mitbringen, bekommt der Bundespräsident von allen gleichermassen, was sich dann gegenseitig aufhebt und Neutralität garantiert. Das nennt man Rechtschaffenheit. Dann müssen auch Staatsanwälte keine Gewissensqualen mehr haben.
Sicher, Herr Wulff mag beim Volk dann immer noch peinlich und abstossend wirken, aber international reüssieren wir mit nachgerade spätrömischer Dekadenz in den verschwenderischen Hallen von Schloss Bellevue. Kein Machthaber eines afrikanischen oder asiatischen Rohstofflandes mit eher nur so mittelmässiger Demokratie, kein Emir wird sich noch an der Schlichtheit der Demokratie stören, und unsere bayerischen Unternehmer haben ein Ventil, an dem sie jene Triebe ausleben können, die ihnen im Blut stecken, ohne dass es ernsthafte Folgen wie den Rhein-Main-Donaukanal oder die WAA in Wackersdorf hätte. Wir machen aus der Not eine Tugend und aus Schloss Bellevue einen Abenteuerspielplatz, Nord trifft Süd trifft Wulff täglich bis 2015, und sollte er die ein oder andere Rede über Moral und Anstand darüber vergessen: Wer stetig nehmend sich bemüht, dem können wir vergeben.