Ich lass mir einen Körper schwarz bepinseln, und fahre auf die Fitschi Inseln
Friedrich Hollaender
In besseren Kreisen gibt es klare und unzweifelhafte Regeln für den Verkehr von Frauen mit Männern.
Es gibt auch Verkehrsregeln für die Strasse, ebenfalls klar und unzweifelhaft, und kluge Eltern kaufen ihre Autos so, dass die Kinder als Fahranfänger eine alte Kiste haben, bei der es nichts ausmacht, wenn sie an einer Wand endet. All diese Regeln, sie müssen sich erst mal finden, gelernt werden, und das kann etwas dauern. Die zwischenmenschliche Version eines Totalschadens für Männer hiess A. und konnte sich ganz vortrefflich über die schlechten Seiten ihres Freundes auslassen. Auf sie traf das amerikanische Diktum zu, sie sei „a hell of a fun to be with, but hell to life with”. Ich bekam das gute Ende ab und muss obendrein sagen, dass ich ihre Einschätzungen zu ihrem Freund teile. Geheiratet hat sie ihn trotzdem. Und wenn, was häufig vorkommt, sein Lammbraten nicht wunschgemäss mundet, erfahre ich das noch heute. Und so einiges anderes über die Mängel, die ihr Mann im Speziellen und Männer generell heute aufweisen.
Ich finde es ja prima, dass sie dem lahmen Knilch so richtig ins Nervenkostüm tritt. Die Sache ist jedoch insofern nicht undelikat, als solche Beschwerden nicht gerade dazu angetan sind, Männern mehr männliche Tugenden nahezulegen. Es gibt schon Gründe, warum die A. eine Memme für das Leben und andere nur für die Kurzweil wollte. Und wenn die A. nun sagt, es gäbe keine richtigen Männer mehr, widerspreche ich ihr nicht, um nicht in die Gefahr zu geraten, den Gegenbeweis antreten zu müssen. Es kann sogar seine Richtigkeit haben, da ich diese Klagen öfters und von verschiedenen Seiten höre. Derartige Vorhaltungen sind bei den in meinen Kreisen massenhaft vorfallenden Scheidungen üblich, ganz im Gegensatz zu dem, was man vielleicht früher erwartet hätte: Fremdgehen, Alkoholismus, häusliche Gewalt, seelische Grausamkeit und Unterdrückung. Soweit können sich die Beziehungen gar nicht entwickeln, sie fliegen schon viel früher auseinander. Zurück bleiben kochende, unzufriedene Frauen mit gutem Einkommen, abgesicherten Lebensverhältnissen durch die Familie und jede Menge Bitternis über diese Schluffis, die keine richtigen Männer sind.
Das gehört so auch zusammen, nehme ich an. Denn aus den eigenen Familien bringen diese Frauen ein ganz anderes Rollenverständnis des Mannes mit. Vom Herrn Papa wird meistens geschwärmt, der war nämlich belesen (TV kam erst recht spät), sportlich und robust (Jugend in den 50er Jahren), talentiert an Rohrzange und Phasenprüfer (so etwas machte man früher ohne Handwerker) und stets grosszügig (drei Studienwechsel und eine Wohnung in bester Lage ohne jede Klage). Immer war er für sie da, wenn Not am Geld (Kartensperrung wegen Prada) und am Mann (diese Mistgurke und die Schlaftabletten nachher) war. Herr Papa nahm die Kinder ins Konzert mit, und musste nicht breitgeschlagen werden. Herr Papa wollte ein grosses Auto ohne iPad-Anschluss und keine Bahncard. Herr Papa rauchte Pfeife und trug immer einen schneidigen Anzug in der Arbeit. Realistisch gesehen war Herr Papa vielleicht kein brutaler Macho mehr, aber der Haupternährer und Alleskönner der Familie durchaus. Eine Sau auf der Piste, ein Mann in der Arbeit, und Wachs in ihren Händen, wenn jemand den Umzug machen musste, und die männlichen Halbfreunde alle keine Zeit hatten. Nie jedoch eine Memme. Der ideale Mann. Vater war das unfehlbare Allzweckwerkzeug für alle Lebenslagen.
Die heutigen Männer dieser Schicht dagegen bringen Stunden damit zu, im Internet nach den Bewertungen von Handwerkern zu suchen. Sie fahren nicht mit einem Batzen Bargeld auf Teufel komm raus in den Urlaub, ohne zu wissen, ob sie in einer Kaschemme oder im Grandhotel nächtigen werden. Sie lesen vorher Bewertungsportale und fragen bei Facebook. Sie haben Jobs ohne feste Arbeitszeiten am Rechner, kommen irgendwann heim und schauen gleich nochmal in den Rechner, ob noch eine Mail kommt. Sie haben nicht Hemingway gelesen, sondern die Mails ihrer Vorgesetzten. Sie sagen, sie lassen ihren berufstätigen Frauen den nötigen Freiraum, wenn sie ihr Leben und die gemeinsame Quality Time nicht in den Griff bekommen. Und wenn nicht dauernd diese Meetings wären, würden sie auch gerne mal wieder ins Konzert, und danach im Restaurant den Wein aussuchen, der im Bewertungsportal empfohlen wurde.
Papa hatte kein Internet, nur die Elektronische Datenverarbeitung in seinem Vorzimmer, wo er seine Briefe in die Kugelkopfschreibmaschine diktierte. Papa musste seine Erfahrungen im realen Leben machen, und hatte derer genug, wenn dann die Tochter mit von der Partie war. Wenn doch etwas daneben ging, wenn der Campinganhänger in Kroatien von der Bora ins Meer geweht wurde, wenn er beim Schmuggeln erwischt wurde, wenn auf dem Pass die Lenkung versagte und die halbe Familie am 100% sicheren Steinpilz ohne jedes Gift darniederlag, dann wusste er wenigstens, wo es lang ging. Instinktiv. Wie sie eben waren in einer Generation, als sie zur Gaudi Bomben zerlegten, Zünder herausschraubten und Sprengstoff anzündeten. ;Man konnte ja nicht im Internet nachschlagen, was es mit diesem Kriegswaffenkontrollgesetz auf sich hatte. Dafür konnten sie anderer Leute Bäume abernten, Kartoffeln anbauen und Brennholz klauen. Der Mann der A. meint, Lammbraten zu können, wenn er das Rezept vorher im Internet nachgeschlagen hat. Müsste er das Lamm selbst schlachten wie früher… man mag gar nicht daran denken.
Und dann ist da noch das Mobiltelefon, die Inkarnation der flexiblen Unzuverlässigkeit, Ein Mann sollte kommen, wenn es an der Zeit ist, und warten, bis die Dame fertig ist. Oder er kommt nicht und versetzt einen, dann aber mit Konsequenzen. Moderne Männer im schlaffen Zustand haben eine dritte Art des Umgangs mit der Zeit gefunden, mit SMS und nur wenn es gar nicht anders geht, auch mit Anrufen, um die Termine flexibel zu halten, und ihren Tag nach hinten hinaus zu organisieren. .Anstelle der unbedingten Wertschätzung, für die rote Ampeln überfahren wurden, tritt ein beliebiges Vielleicht, eine halbgare Möglichkeit, irgendwann irgendwas zu unternehmen. Derartig opake Planungen sind nicht wirklich geeignet, einen grossen Auftritt zu organisieren. Schluffig sind die Termine und zufällig die Orte des Treffens, und entsprechend schluffig ist auch die Rolle, in die die Frau gezwungen wird. Als sei sie irgendwie abhängig und müsste das erdulden, wo doch der Beruf und die Familie jede andere Möglichkeit eröffnen würden.
Diese ganzen elektronischen Helferlein und Dienstleister, sie alle sind praktisch, werfen aber die Frage auf: Wenn er das nicht selbst in die Hand nimmt, wenn er alles, was der Frau wichtig ist, elektronisch aufschiebt, verteilt, abwälzt und delegiert, ist er dann nicht irgendwo auch – gleichgültig? Und wozu hat sie eigentlich einen Mann, wenn alles, was sie bekommt, wie eine Googleabfrage aussieht? Wann tut er etwas für sie, das sie nicht selbst mit ihrem eigenen Geld tun könnte? Es braucht heute keine heimliche Geliebte mehr – seien wir ehrlich, dazu ist dieser Typus Mann auch zu schluffig, und es gibt auch keine Internetbewertung für das Angebot – um den Zweifel am Anderen zu erwecken. Der simple Vergleich mit Papa reicht vollkommen aus. Der Versuch, der Frau mit noch besser ausgesuchten Möglichkeiten aus dem Netz das Dasein erfreulicher zu gestalten, ist dann eher kontraproduktiv.
Der A. ist es völlig egal, ob er den Herd nicht richtig vorgeheizt hat, das Lamm eher ein Bock war, oder zu wenig Wasser nachgegossen wurde. Es schmeckt nicht, wie es schmecken soll. Würde sie nicht arbeiten, wäre sie auf ihren Mann angewiesen, würde der nicht kochen, weil sie noch eine lange Besprechung hatte, wäre das Debakel vielleicht noch erträglich. Aber so, wie es ist, hat sie sich das nicht vorgestellt. Wenn jetzt noch eine Freundin erzählen würde, dass bei ihrem Mann der Lammbraten immer gelingt… in der Frage der Scheidung sind sie heute alle schluffig. Zumal es keinen ernsthaften, finanziellen Grund dagegen gibt, dank Papa, der vom Schweizer Konto bis zum Lastwagenführerschein ein echter Mann ist. Und ohnehin noch nie etwas von diesem Weichei Fehlgriff seiner Tochter Herrn gehalten hat.
Wie der Papa also sollte man sein. Entschlussfreudig, durchsetzungsstark, zuverlässig und immer bereit, die teuer bezahlten Freiheiten der Tochter zu verteidigen. Hin und wieder merke ich, wie Männer der A. auf der Strasse nachschauen. Sie betrachten sie, ihre Kleidung und die Symbole ihrer Herkunft und denken vielleicht, da gehen zwei, die für einander geschaffen sind, das übliche Paar, bei dem Geld zu Geld kommt.
Ich höre nur zu, wie hart und trocken das Lamm und das Brot des Zusammenlebens sind. Und auch das wird sich geben, wenn es zwei neue, vermögende Singles in einer kleinen, dummen und unermesslich reichen Stadt an der Donau gibt, wie so viele andere, und so schlimm, wie manche tun, ist das Aussterben solcher Familien auch nicht. Da wären keine Männer mehr nachgekommen.
Nur noch Schluffis.