Ich bin schon da!
Igel zum Hasen
Untröstlich sind Münchens Isaranwohner, so grausam ist ihr Schicksal: Eigentlich dachten sie, das Badegelände an der Isar würde ihre Wohnungen aufwerten, der Strand läge direkt gegenüber, und im Sommer könnte man sich dort treffen und angenehme Stunden am Wasser verbringen. Was man halt so denkt, wenn man an der Isar wohnt und Leute kennt, die dort ebenfalls wohnen und lieber ihre Kinder verhungern als zu Schnellrestaurants gehen lassen. Leider stellte sich dann aber heraus, dass das Konzept “Innerstädtische Badefläche kostenlos für alle” auch Menschen anzog, die gar keine Isarimmobilien hatten, ja gar nur in anderen Stadtteilen zur Miete wohnten und nun dort, von der U-Bahn ausgespuckt, Lärm, Dreck, Krawall und Ärger anstelle von gemütlichem Biedermeier machten. Andere kauften billige Bierkästen und schoben sie durch das Gewühl, um Reibach zu machen, und inzwischen ist es dort so, dass die Kinder dieser Leute glauben, Glasscherben seien Isarkiesel und Büsche Urinale. Die Lebensqualität der Unterschicht geht klar auf Kosten der besseren Kreise.
Nun darf das nicht überraschen, zwei bis drei Millionn Menschen wohnen im Grossraum München, der heizt sich durch ihre Abgase auf und so drängen sie halt zum Wasser, wo welches ist – das war schon in Herculaneum so, als der Vesuv ausbrach. Am Wochenende aber zieht es sie nicht nur an die Isar, sondern an jeden See, der irgendwie billig erreichbar ist, idealerweise kostenneutral mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das konnte natürlich keiner ahnen, als vor über 100 Jahren die Eisenbahn an den Tegernsee gebaut wurde, denn damals wusste man sich noch zu benehmen, und München war klein und überschaubar und die Fahrpreise gesalzen wie eine echte bayerische Breze. Aber heute tun die Zugewanderten das Salz herunter, statt die Salzigste zu verlangen (gut gegen den Kropf!), und fahren mit salzlosem Fabrikgebäck in Massen hemmungslos zum erstbesten Strand am See. Und das ist meiner. Weil: Ich wohne da. Und ich bin nicht einer der 15000 Seeanwohner geworden, um mich von 1,5 Millionen Münchnern vertreiben zu lassen.
Zum Glück gibt es hier relativ grosse und offene Liegewiesen, wo sich jene in der knalligen Sonne einen Hautkrebs holen, die die Folgen der ausserordentlich klaren Höhenluft nicht begreifen. Es ist der ideale Ort für Metropolenmenschen, die von Münchens Lärm schon so geschädigt sind, dass ihnen die Lage an Strasse und Bahn nicht als Störung erscheint. Es ist der beste Platz, um von mir nicht als Schadmünchner betrachtet zu werden, denn ich komme von hier und weiss, dass die besten Plätze in der anderen Richtung, entlang einer Perlenkette von kleinen Buchten sind, mit schattigen Bäumen, kleinem Kies und höchstens 10 Meter Breite, fern aller Lärmquellen und zumeist angenehm. Ausser wenn am Wochenende der Schadmünchner mit dem Biertragl kommt.
Der Schadmünchner nämlich ist von der Isar verlottert zu jeder nur denkbaren Schandtat bereit. Unter der Woche radelt hier der Anwohner so weit, bis er eine ihm genehme Bucht gefunden hat, und meistens, eigentlich immer ist es dann so, dass die anderen Anwohner das respektieren und nur ganz selten einmal fragen, ob auf der anderen Seite der Bucht nicht noch ein Platz frei wäre, was man natürlich bejaht, denn die meisten sind ja von hier und es ist dann auch ihr See und wenn noch eine andere Bucht frei wäre, würden sie nicht fragen. Aber der Schadmünchner quetscht sich mit Anhang einfach auf eine freie Flache, stellt das Bier ab und hat sicher auch noch einen kleinen Wegwerfgrill dabei, der hier eigentlich verboten ist. Und einen ebenso dreckigen Köter.. Kurz, er benimmt sich übler als jene, die hier daheim sind, und er weiss: Er kann das. Er fährt am Abend wieder heim, Wir aber müssen mit dem Dreck leben.
Gut, zugegeben, eigentlich haben unsere Gemeindearbeiter den Dreck, die hier alles am Montag Morgen säubern, aber das ändert nichts daran, dass hier die 99% Münchner dem 1% Anwohnern vorschreiben wollen, wie es in ihren Buchten zuzugehen hat. Drüben auf den Liegewiesen ist man ihnen schutzlos ausgeliefert, aber in den Buchten kann man sich wehren. Denn die Buchten sind nicht wirklich gross, und man kann sie zur Alpenseefestung ausbauen, damit die Invasion der Schweine in der Bucht keinen Erfolg hat. Dabei hat sich folgende Ausrüstung bestens bewährt:
Vier Handtücher und Decken.möglichst gross. Strategisch in der ganzen Bucht ausgelegt. Die anderen, kann man sagen, kommen gleich wieder.
Taucherflossen lassen unangenehme sportliche Hektik an dieser Stelle vermuten und nehmen, elegant ausgebreitet, leicht zwei Quadratmeter Platz ein.
Porzellan und Silber für Kuchen und andere Speisen. Das gibt dem Schadmünchner das Gefühl, hier wirklich fremd zu sein.
Ein möglichst grobes, farblich auffälliges Bergrad. Es signalisiert schon von weitem, richtig am Zugang abgestellt, dass hier belegt ist, und erschwert den Zutritt.
Bücher verdeutlichen: Man möchte Ruhe und nicht gestört werden. Das hilft vielleicht gegen den ein oder anderen NichtBildplusabobesitzer.
Einen üppigen Rucksack kann man auch noch an den Zugang stellen.
Auch das Vortäuschen einer gesitigen Tätigkeit, wie ich es hier gerade tue, kann abweisend wirken, und dann sucht sich das Pack ein anderes Opfer, das unvorsichtig genug ist, ihrer Erscheinung mehr zun entsprechen, denn Gleich und Gleich gesellt sich gern.
Generell versucht es der Schadmünchner gern mit der Fraternisierung, deshalb geht er ja auch auf die Waldfeste und erzählt dann am Montag, er hätte am Tegernsee mit dem und jenem über dies und das gesprochen, was dann thematisch besser als seine 1-Zimmer-Wohnung in Milbertshofen und Randale am Flaucher erscheint. Er ist nicht klug genug, das Paradies zu bewahren, aber so blöd, dass er dessen Prestige nicht bis zum Letzten ausschlachtet, ist er auch nicht. Also: Nicht füttern! Nicht helfen. Nicht Möglichkeiten eröffnen. Nie. Auf keinen Fall. Jede Form von Freundlichkeit wäre falsch. Nie “Leider nein” sagen, sondern gleich ganz deutlich “Nah” raunzen; wir sind hier in Bayern, da darf man, da hat man das Gesinde immer so behandelt. Man muss das tun. Der Schadmünchner ist so von der Isar und plumper Bierwerbung mit angeblicher Klassenvermischung im Biergarten sozialisiert, und alles andere würde ihm als indirekte Einladung erscheinen: Er respektiert anderer Leute Buchten nicht und denkt, man würde ihm auf Augenhöhe begegnen, als wäre er hier mitsamt Bierkasten, Grill und später eintrudelndem Rudel erwünscht. Das ist nämlich deren Trick: Erst fragt nur einer und dann kommen noch 10 andere nach. “Ja hallo Jutta, ich habe jetzt hier eine Bucht, der Jens und der Harry sind auch schon da, bring doch die Wiebke mit und noch eine Kasten….”
So sind sie. Weil sie es können, weil man sie lässt, weil sie es als legitimen Akt gegen das spiessige München empfinden und es so am Isarbad gelehrt wird. Und weil sie aus vielen Gründen hierher kommen, aber ganz sicher nicht, um Anstand und Benehmen zu erlernen. Den geschädigten Isaranwohnern würde ein anderer Empfang der Schadmünchner am See übrigens auch nicht helfen: Für jeden, der uns am Wochenende heimsucht, liegen vier andere an der Isar, die dann alle im gleichen Augenblick nicht arbeiten. Weil Wochenende ist und nicht, weil man das mit dem Arbeiten halt nicht tut, wenn man baden gehen will.
HINWEIS:
Nicht weniger schlimm als der Schadmünchner ist überigens das Schadjavascript und das Schadlayout, die hier auch nach 5 Moanten noch immer nicht das tut, was sie sollen – keine Kommentare fressen zum Beispiel. Daher gibt es im Kommentarblog quasi eine Bucht, in der die Kommentare leichter abzugeben sind.