Wer hat Euch bei der Mietpreisbremse verraten? Die Sozialdemokraten!
Und wer macht mich und meine Leute reich? Der Koalitionsausgleich!
Das beste Buch über die derzeitigen Koalitionsverhandlungen im Reichshauptslum Berlin ist schon auf dem Markt: Es heisst “Kleine Tierkunde Ostafrikas” und darin erzählt Autor Nicholas Drayson unter anderem von den Ränken und Selbstbereicherungen in der kenianischen Politik, wo jeder nur an den eigenen Vorteil denkt – und natürlich daran, wie er diesen Vorteil so darstellt, als hätten alle etwas davon. Da werden Slums von der Polizei niedergemacht und den Bewohnern neue Häuser versprochen, aber verdienen tun dabei nur die Baukonzerne und die Verantwortlichen, und die Wohnungen gehen nur an Privilegierte. Unwillkürlich fühlt man sich da an die vermögenswirksame “Mietpreisbremse” erinnert, mit der SPD, CDU und CSU so tun, als gäben sie den Armen, Bedürftigen und sonstigen Mietern eine Art Nachlass, und würden sich für sie und ihre Belange einsetzen. Man hört von Vermieterseite jedoch keine Klagen, und das liegt daran, dass im Detail wie in Kenia die Kraft und das Vermögen in der Ausführung liegt. Ja, es wird so ein Gesetz geben. Und es wird teuer. Aber nicht für mich, der ich Münchner Vermieter bin.
Gut, man muss das vielleicht ein wenig einschränken. Ich glaube wirklich, dass im Reichshauptslum zur Beruhigung der Armen und Besitzlosen der Anstieg der Mieten gebremst wird. In Berlin will das Land das so haben, in Berlin gibt es Verdrängung und jede Menge junge Leute, die wütend sind, so wütend, dass sie sich in der angeblichen Hauptstadt und Feiermoloch nicht mehr 100 Quadratmeter Altbau für 400 Euro leisten können, die nach Abzug der Döner-und-Wegbierdiät übrigbleiben, und deshalb vielleicht die Linkspartei wählen. Berlin ist eine Mieterstadt und die Menschen haben keine Ahnung, wie es in der zivilisierten Welt so zugeht. Sie tragen bei der Besichtigung keine Anzüge und tun auch nicht die Piercings raus, ja sie glauben sogar, ein Vermieter müsste diese ihre getragene Lebenseinstellung respektieren. Und weil das so viele sind, und die Vermieter sehr oft nicht in Berlin leben und dort auch nicht wählen, kann und wird die Politik dort das Gesetz anwenden. Und dann werden die Mieten in Friedrichshain sinken und die wichtige Sozialstruktur bleibt erhalten! Haha, guter Witz, nein, im Ernst, das wird dann so aussehen, dass sich Mieter mit solventen Eltern im Westen statt zwei doch eher vier Zimmer leisten können und dann über die Wohnungsgrösse jene rausdrücken, die ansonsten von der Miete erdrückt werden. Aber Berlinimmobilien sind ja eh nur was für Griechen, Russen, Schweden und andere Leute, die sich München nicht leisten können. Wir kommen später noch einmal darauf zurück.
Aber wer sich zur Zielgruppe des Blogs zugehörig fühlt, lebt an einem süddeutschen See und weiss natürlich, dass solche plakativen Gesetze das eine sind, und die Ausführung das andere. Das fängt schon damit an, dass es keine allgemeine Mietpreisbremse gibt; vielmehr können nur die Bundesländer diese Regelungen und Eingriffe in den freien Markt in Kraft setzen, wenn es in gewissen Regionen geboten ist. Das hat sich die CSU gewünscht. Die CSU beherrscht Bayern mit Ausnahme des rotgrünvioletten München und Nürnberg, und sie beherrscht dieses Land vor allem dank meiner Artgenossen (nicht wegen mir, ich würde mir eher den Arm abhacken, als die CSU zu wählen). Es ist die Partei der Besitzenden, und auch die Partei der hiesigen Immobilienbarone; kurz, man wählt diese Partei, weil man glaubt, davon etwas zu haben und vor sozialistischen Tendenzen geschützt zu werden. In München und Nürnberg selbst leben dagegen die Mieter, und die wählen mit schöner Regelmässigkeit andere Parteien. Warum sollte die CSU landesweit einen Wohnungsnotstand sehen, der die Wähler anderer Parteien entlasten könnte, und der Kernwählerschaft der CSU empfindliche Gewinnmargeneinbrüche garantiert?
Als erfahrener Bayer kann ich auch sagen, wie die CSU gegen die Bremse argumentieren wird: Die schlimmsten Exzesse in den Innenstadtlagen sind darin begründet, dass sich viele diese Wohnungen problemlos leisten können, denn München ist eine reiche Stadt. Verglichen mit anderen Städten der reichen Champions League – Mailand, Barcelona, Boston, Shanghai, Tel Aviv – ist München sogar spottbillig. Und dann muss man auch sagen, dass das Mieten vin Wohnraum gar nicht zum bayerischen Naturell passt; würde man wirklich die Mietpreise senken, würde auch das Interesse am Erwerb eines Eigenheims nachlassen. Aber sobald der Kaufvertrag unterschrieben ist, hören viele schlagartig auf, die falschen Parteien zu wählen, sondern die richtige. Bei mir am Tegernsee gibt es kaum Mieter und auch kaum Sozis. Logisch, oder?
Aber immerhin, denkt sich vielleicht der Mieter, werde ich den Makler nicht mehr zahlen müssen! Der Mieter wohnt nicht am Tegernsee, wo jede Woche Makler den Briefkasten mit Angeboten verstopfen, sie hätten passende Mieter für mich. Letzte Woche kam ein Brief von Christie’s mit dem Angebot, meine Liegenschaften kostenlos zu schätzen. Man muss, wenn man in den hochpreisigen Lagen besitzt, überhaupt keinen Makler beauftragen, man muss sie wie die Schmeissfliegen verscheuchen, denn sie haben jede Menge solventer Kunden, die gerne hohe Preise zahlen. Niemand kann uns zwingen, Wohnraum einem Makler zu geben. Aber wenn wir das nicht tun, ist das Angebot eben kleiner, und mehr Mieter müssen von sich aus zum Makler, um sich um jene Wohnungen zu prügeln, die wir dann eventuell zur Verfügung stellen. Wer den Makler beauftragt, zahlt – und die Münchner Brücken habe keine Zentralheizung, mit der man sich da irgendwelche Zwischenlösungen einfallen lassen könnte. Energetische Sanierung kann man nicht mehr auf den Mieter umlegen, na egal, die Heizkosten zahlt er selbst.
Bisher ist die ganze Geschichte also nur ein Nullsummenspiel; spannend wird es mit der degressiven AfA bei Mietwohnungsneubau und der Flächenbereitstellung über den Bund in Regionen wie Berlin. Degressive AfA bedeutet, dass der Staat die Vermieterei gleich wieder jenen Gruppierungen überantwortet, denen er zuerst mit der Bremse etwas nehmen möchte: Der freie Markt soll es regeln. 2007 wurde diese AfA als Absetzmöglichkeit für Steuern abgeschafft, unter anderem, weil damit im Bereich des Kapitalanlagebetrugs übel gespielt wurde. Interessant ist es, weil sich Vermögende über die AfA steuerfrei rechnen können; einerseits investieren sie hohe, oft zu niedrigen Zinsen fremdfinanzierte Beträge in derartige Wohungsbaugesellschaften, und können andererseits sofort die Wertminderung auf die Investition durch die Mieter abschreiben: AfA steht für “Absetzung für Abnutzung“, womit sich Mieter auch ein Bild von ihrem Sozialprestige in der Verwaltung machen können. Zugleich aber bekommen die Investoren mit der verminderten Steuerlast die Rendite auf ihre Anteile durch die Mieteinnahmen. Also, der Mieter zahlt die Miete an den Investor, der Staat bekommt weniger Steuern und weil er Geld braucht, nimmt er sie von denen, die kein Geld haben, um in solche AfA-Projekte zu investieren, also vulgo: Mieter. Langsam, da geben Sie mir sicher recht, wird die Mietpreisbremse lukrativ.
Wer sich mit Immobilien auskennt, weiss natürlich, dass das Kernproblem die Flächen sind, die man zur Bebauung braucht. Die sind in Innenstadtlagen exorbitant teuer und entscheidend für die Rendite solcher Fonds. Vor der Vermieterbereicherungsnichtbremse musste man mühsam nach solchen Grundstücken suchen, teuer abreissen und auch noch Mieter vertreiben, jetzt stellt der Bund also freundlicherweise Flächen zur Verfügung. Für den guten Zweck. Damit Mütterchen, der Bäcker und die alleinerziehende Mutter mit drei Kindern auch unterkommen. Und man sagt ihnen nicht, wie dumm das für sie schon wieder ist, denn die Grundstücke gehörten erst der Republik, also uns allen, und dann für kleines Geld den Investoren. Was sich auf die Mietrendite auswirkt. Diese Investoren bekommen also von allen billige Flächen, um zu verdienen und Steuern zu sparen, bis dann das Ensemble irgendwann zu einem dank Inflation gestiegenen Preis an die üblichen Verdächtigen verhökert wird, die dann Renovierungsbedarf feststellen, die Mieter rausdrücken und die Wohnung nach Einhaltung aller Fristen und Auflagen verkaufen.
Also, liebe Berliner, freuen Sie sich auf die kurzfristigen Effekte der Mietpreisbremse und gnadenlose Ausnutzung der Steigerungsspielräume, auf angehobene Mietspiegel und schöne Neubauten und mehr Platz für Sie und Ihre Bedürfnisse. Ein Zimmer mehr, bessere Rohre und mehr Steckdosen mag doch jeder, und dass dem Staat dann Vermögen und Steuern fehlen, merken Sie erst, wenn die Schulbehörde sparen muss und die Sozialarbeiter rausschmeisst, die dafür sorgten, dass der fiese Schüler F. und seine Kumpels mit Ihren Kindern nicht Waterboarding in Guantanamo spielen. Und wenden Sie sich bitte nicht weinerlich an die Profiteure des Deals: Die tun einen wichtigen Dienst an der Gemeinschaft, sagt die kommende grosse Koalition von Kenia, und sie haben wie schon vor 2007, wenn sie an den falschen Anbieter geraten sind, genug zu tun, ihre zwischen Banken, Vertrieb und Baulöwen verjuxten Investitionen wieder zu retten.
Schalten Sie dann wieder die Stützen der Gesellschaft ein, wenn Sie weinende Starnberger Zahnärzte sehen wollen; vorgestern kam bei mir nämlich neben dem üblichen Maklergebettel auch noch das erste Jobangebot für diesen Boomsektor AfA-Steuersparen herein.
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