Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Zerknirscht wegen vergessener Zweitwohnsitzsteuer?

Das muss nicht sein! Vergessen ist gut, Vergeben ist besser, aber am Besten ist immer noch die legale Vermeidung, die Bewohnern der besten Lagen in Fleisch und Blut übergegangen ist.

hihi

Also, der Hofreiter Toni, der wo ja in Berlin bei den Grünen der Fraktionsvorsitzende ist und jetzt diese blöse G’schichde da mit der Steuer hat, kommt aus Sauerlach. Sauerlach liegt südöstlich von München und zwar so südöstlich, dass es zwar schon einen wirklich exquisiten Reitstall besitzt, aber noch nicht südöstlich genug, um das zu sein, was man vollmundig als Münchner Süden bezeichnet. Es ist noch im Landkreis München. Es gehört noch nicht zu den prestigeträchtigen Landkreisen Garmisch mit der Zugspitze, Starnberg mit dem gleichnamigen See, Weilheim-Schongau mit dem blauen Land, Bad Tölz mit der Isar und Miesbach mit dem Tegernsee. Das nächste Dorf von Sauerlach aus heisst Holzkirchen und gilt als das schmutzige Geheimnis des Oberlandes. Wir Tegernseebewohner wissen natürlich, dass Holzkirchen zu unserem Landkreis Miesbach gehört wie die b’suffa Kohlamone zur Familiengeschichte, aber darüber redet man nicht und wenigstens ist es ja nicht Sauerlach. Im Landkreis München. Wo der Hofreiter Toni wohnt.

Ja, also, und weil er eben auf seiner falschen Seite von der Landkreisgrenze wohnt und auf der richtigen, unseren Seite auch keinen Zweitwohnsitz unterhält, kann es schon mal passieren, dass er sich in der Sache mit der Zweitwohnsitzsteuer (ZWS) geirrt hat. Denn man muss das auch ganz ehrlich sagen: In der Oligarchie, in der zu leben wir das Vergnügen und Leute wie der Hofreiter Toni den demokratischen Anschein zu liefern haben, ist die ZWS einfach ein Umstand, den nur wenige aus eigener Ansicht kennen. Deutschland mag reich sein, aber die Zahl derer, die gewohnheitsmässig zwischen diversen Anwesen pendeln, ist nicht wirklich gross. Für viele Pendler ist das eine berufliche Notwendigkeit, aber denen fehlt natürlich das Bewusstsein derer, die schon von Kindesbeinen an mit den Folgen dieser Luxussteuer konfrontiert waren. Wir wissen genau, dass es die ZWS gibt, denn sie entscheidet über unser Schicksal.

Es gibt sie meist in den besonders guten Lagen und sie ist ein Mittel für Gemeinden wie jene, in der ich meinen Wohnsitz habe, Geld aus denen zu pressen, die es sich angeblich leisten können. Im schönen Bayernland gibt es zwar recht weitgehende Ausnahmeregelungen für ärmere Schichten, aber wer nur zwengs der Gaudi und zum Nichtstun an den Tegernsee zieht, gehört kaum zu jenen, die von der ZWS befreit sind. Wer sich bei uns g’scheid zweitniederlassen will, zahlt und zwar nicht nur die lumpigen 5% auf die billige Nettokaltmiete von Berlin. Sondern richig viel. Hier in Gmund einen Höchstsatz von 7200 Euro, wenn die Nettokaltmiete bei 40.000 Euro läge. Das sind rund 3.400 Euro im Monat und wer sich wundert, warum das so viel ist: Das kommt schnell zusammen, auch ohne Breitensportarten wie den eigenen Poloclub. Drei Pferde, drei Lamas und drei Garagen mit einem Bauernhof in Ostin, oder einfach nur ein grösseres Anwesen in St. Quirin, und schon freut sich der Kämmerer der Gemeinde, wenn die Bewohner hier nicht ihren Erstwohnsitz haben.

Und bei uns kann man das auch nicht so verschweigen wie in Berlin, wo es angeblich nur 17.000 ZWS-Zahler geben soll, dazu eine hohe Dunkelziffer und eine wenig fähige Verwaltung. Kommod geht es bei uns zu, ein alpenländisches Holzbankerl haben wir zum Warten im Rathaus und der Pass wird auch noch um 10 nach 12 ausgestellt. Aber melden muss man sich hier schon. Glücklich ist, wer an seinem anderen oder den anderen Wohnorten keine derartige Steuer entrichten muss – derjenige nämlich meldet bei uns seinen ZWS-freien Erstwohnsitz an, und bekommt Privilegien wie das Autokennzeichen MB, einen grünen Landrat und später die Chance auf verbilligte Grundstücke für Einheimische dazu geschenkt. Ich weiss, in Berlin zahlt man Studenten für den dortigen Erstwohnsitz sogar eine Willkommensprämie, aber die bekommen dazu nur Dellen in die Autos, den Wowereit und mit Betteln eventuell ein Zimmer in einer sprachgewaltfreien Verganer-WG. Ohne Berg- oder Seeblick.

Schlecht für Unsereins ist es natürlich, wenn an beiden Wohnsitzen eine ZWS erhoben wird. Aber wer eine Familie hat, findet auch dafür eine Lösung: Dann wird dort ein jüngeres Mitglied freiwillig Miesbacher, idealerweise gleich mit Immobilienschenkung, denn auf diese Weise kann man jetzt schon das Erben ohne die süäter drohende Steuer teilweise vorverlegen. Sind keine Kinder, dafür aber doppelte Einkommen vorhanden, bleibt der eine Ehepartner eventuell mit Erstwohnsitz in der alten Heimat gemeldet und der andere wendet sich dem Oberland zu. Wieder mit MB, grünem Landrat und Einheimischenprogramm und einer weiteren Besonderheit unserer schönen Region – denn es ist so schön, dass man hier lieber Urlaub als Gewerbe macht. Deshalb langen die Gemeinden bei der ZWS sauber hin, und haben auf der anderen Seite sehr niedrige Hebesätze bei der Gewerbesteuer, um die wenigen, die hier noch arbeiten und Steuern zahlen müssen, nicht zu verschrecken. In der Hinsicht gilt der See als Oase vor der Hochsteuerwüste Münchens.

Geschickte können sich also nicht nur eine Steuer umgehen, sondern eventuell mit geschickter Gewerbeverlagerung noch mehr Steuern sparen. Man verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen. Ich – Single, Tegernseeberichterstatter und Baulandschleicher – habe mit solchen Umtrieben natürlich nichts zu tun, aber das ist hier, wie soll ich sagen, Allgemeinbildung. So wie man andernorts weiss, dass die Behörden überfordert sind, kennt man hier die Gestaltungsmöglichkeiten. Darüber redet man im Cafe am See ganz ungeniert, wenn man nicht gerade überein kommt, dass einem der Staat alles nimmt. Und natürlich muss man auch sagen, dass, nüchtern betrachtet, so ein Zweitwohnsitz wirklich unverschämt teuer gemacht wird, denn zum Kaufpreis kommt auch noch die Grunderwerbssteuer und danach die Grundsteuer und obendrauf die ZWS. So ganz fair erscheint mir das wirklich nicht, denn wenn ein Einwohnsitzhaber einen Kasten Bier kauft, um im Trunk der Tristesse seines Wohnungsumfelds zu entgehen, verlangt der Staat nicht eine Zweitalkoholismussteuer, wenn er noch zwei Flaschen Wodka nimmt.

Aber was soll man machen: Die Mehrheit in diesem Lande findet es richtig, dass sie den Anschein haben kann, wir würden wirklich draufzahlen, wenn mal die eine und mal die andere Behausung leer steht. Es ist eine Ventilsteuerung für die Unmut des Volkes, so wie man früher ab und zu einen Beamten im osmanischen Reich erdrosseln liess, um die Massen zu beruhigen. Schaut her, all diese Villen, die ihr nie besitzen werdet, haben enorme Zusatzkosten, die ihr nicht bezahlen werdet, das ist doch auch fein. Das kündet die ZWS den Vorbeifahrenden und wie man das bei uns letztlich gestaltet, darüber reden wir nicht jenseits der Mangfall.

Das alles hilft natürlich dem Hofreiter Toni überhaupt nicht, und auch nicht all jenen, die vielleicht noch ein Problem haben werden. In den besten Lagen hatte man Jahrzehnte, um gegen die ZWS im Scheinangriff erfolglos zu klagen und ihr gleichzeitig erfolgreich über Schleichwege in den Rücken zu fallen. Aber natürlich wären unsere Methoden ein stumpfes Schwert, wenn sie nicht in den besten Lagen, sondern zwangsweise wegen einer beruflichen Tätigkeit in Berlin angewandt werden müssten. So ist es nun einmal in dieser Welt zwischen Sauerlach und dem See, die einen machen politisch Karriere und die anderen sitzen am Ufer und finden es unmöglich, wie der Staat ihnen alles nimmt. Demnächst muss man sich vielleicht auch noch etwas wegen der Immobilienzweckgesellschaft einfallen lassen, wenn die wirklich ihre Mietrechtsreform machen. Es ist wirklich furchtbar, ja, Fräulein, bitte noch eine Erdbeerrolle.

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