Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Mülltrennung, Unterdrückung und Widerstand

Tausend kleine Regeln anstelle eines griossen Diktators: Moderne Vorgaben und ihre anonymen Umsetzungsbüttel machen heute selbst das traditionelle Datschibacken zu einem kriminellen Akt

Wir bitten diese Anweisung zu respektieren.
Hausverwaltung M.

Biologische Versuche an lebenden Menschen sind bei uns, sofern es sich nicht um Privat-TV, Gendertrötenblogs und HartzIV handelt, aus historischen Gründen nicht gern gesehen, und so tarne ich derartig sinistre Taten als Einladungen an den Tegernsee, die andere aus ihrem gewohnten Lebensumfeld nehmen. Sind sie dann erst angereist, führe ich Experimente durch, wie „Kann ein Mensch ein Blech Zwetschgendatschi essen“, „Wie schnell gewöhnt sich die Metropolenpflanze an das Dirndl“ und „Was passiert, wenn jemand einfach nur eine Woche auf der Terrasse in der Sonne vor sich hin schimmelt“. Das Ergebnis, nicht gefördert durch die Stiftung barmherziger Brüderles, lautet zumeist, dass sie Farbe bekommen und ein Dirndl gut ausfüllen, aber wie bei jedem Nachwuchs-Frankenstein gibt es auch, sagen wir mal, leicht misslungene Versuchsanordnungen.

Dann erhebt sich so ein Geschöpf gegen die Wissenschaft. Und man merkt es erst, wenn es zu spät ist. Da ist zum Beispiel die warmherzige R., die auf den ersten Blick sanft und mild erscheint, und äusserst unkompliziert ist. Sie kann überdies mit meinen Gehässigkeiten über ihre Heimat, den Reichshauptslum Berlin und seine Asozialen, gut umgehen. Und wartet, wie ich vor kurzem leider feststellen musste, einfach nur ruhig ab, bis der richtige Moment da ist, um mir all die Erzählungen über auf den Strassen herumliegende Matratzen, Bierflaschen, Netzaktivisten, Kühlschränke und Dönerpapiere heimzuzahlen. Nach vier Tagen war es beim letzten Experiment so weit, denn sie entdeckte im Hausgang die Tafel mit den Anschlägen, und darauf steht schwarz auf weiss zu lesen, dass die Hausverwaltung auch unsere hochwohlgeborenen Mülltrennungsgewohnheiten als berlinerisch suboptimal einstuft. Das durfte ich mir dann über die Punschtorte hinweg anhören, und dass es zumindest bei ihr daheim so etwas nicht gäbe. Ich fürchte, die Versuchspersonen lernen schneller Gehässigkeiten von mir, als mir lieb sein kann.

Wie auch immer, die Hausverwaltung ruft uns dazu auf, unser Verhalten zu ändern. Wir sollen hier also mehr Zeit damit zubringen, Müll zu betrachten und zu überlegen, wo der zu deponieren sei. Gibt es nicht auch Berichte über Länder der Dritten Welt, wo Leute so etwas mit Schiffswracks und überflüssigen Elektrogeräten tun? Nun ja. Ein Bekannter der Bekannten P., der sich einmal von seinem persönlichen Sporttrainer ruppige Befehle anhören musste, sagte dann „Ich bin Millionär. Ich muss mir das nicht gefallen lassen.“ Und das erscheint mir generell auch ein guter Umgang mit der Hausverwaltung zu sein. Gar nicht lang überlegen, einfach ersetzen. Ich weiss zwar nicht, welche Trennungstüten ich benötige, aber dass ich nicht am Tegernsee lebe, um mich herum scheuchen zu lassen, das wurde mir beim Nachlesen der Anweisung – Anweisung! Jowosammadenn! – klar.

Zumal hier wirklich ordentliche Leute leben, die sich aus innerer Überzeugung nur Fleisch und Eier aus regionaler Produktion in die mitgebrachten Körbe legen. Allein schon das innere Regiment ist streng, und der soziale Druck tut ein Übriges, dass es hier nicht verlottert aussieht. Meine Räder trage ich auf hüttenbeschuhten Zehenspitzen aus dem Keller hoch, und meine Menschenversuche kündige ich rechtzeitig bei den Nachbarn an, so dass keiner glaubt, hier wohne ein Blaubart mit wechselnden Beziehungen, der sogar vielleicht Geschiedene einladen könnte. So ist das hier und ich glaube inzwischen, dass die Hausverwaltung das einfach aufhängt, um vorzutäuschen, dass sie sich wirklich sogar um die Zusammensetzung des Mülls kümmert. An uns jedenfalls kann das eigentlich nicht liegen, und ich tue die sauberen Kartons auch immer gefaltet ganz unten in die Mülltüten hinein, bevor ich das mit Batterien gefüllte Altglas darüber schichte und dann mit Restmüll bedecke.

Es zeigen sich hier mehr die Folgen des Niedergangs der besitzenden Schichten, denn früher hätte man einfach nichts weggeworfen, und dann kannte man das Personal natürlich auch persönlich, und es lernte einen auch kennen, aber richtig. Damals hätte man das Problem noch dergestalt gelöst, dass das Personal dann eben den Müll nach Vorschrift zu trennen gehabt hätte, und dann hätte es sich auch nicht beklagen können. Aber durch die Vereinfachung der Haushaltsarbeit wird aus der geschwätzige Kammerzofe die ferne, hinterhältige Anschläge an Tafeln machende Hausverwaltung, die sich nur noch um Garten, Garage, die Bäume, die Blumen vor der Tür, den Parkplatz, den Zaun und seinen Neuanstrich und die Hecke kümmert – und eben um die Mülltonne. Den Rest muss man selbst tun. Und bei diesem Rest gibt es Vorschriften und sogar Gesetze, auf die sich so eine Verwaltung mühelos berufen kann. Zum Glück lesen wir so etwas nicht, aber der Besuch tut es und da haben wir den Salat. Gibt es hier überhaupt so etwas wie Biomüll?

Und wie sind wir eigentlich an die Hausverwaltung gebunden? Früher, unter dem Prinzregenten, war eine Kündigung eine eher kleine Sache und jederzeit fristlos, und wenn nötig unter Zuhilfenahme von Handgreiflichkeiten zu machen, weshalb natürlich auch jeder wusste, welcher Einlassung er sich im Zweifelsfall besser enthalten hätte. Es kam also erst gar nicht so weit. Heute gibt es da bestimmt lange Kündigungsfristen und eine Unzahl bürokratischer Hürden, die noch unerquicklicher als jene Anschläge sind, die man gemeinhin zur Erhaltung des guten Verhältnisses erst gar nicht liest. Vermutlich werde ich mich allenfalls bei nächster Gelegenheit zu Worte melden und durchblicken lassen, dass ich mir so einen Ton nicht wünsche. Prangerwürdige Formulierungsschwächen hat das Schreiben nämlich auch nicht weniger als das legendär-g’scherde Waschweib K., das unter dem Prinzregenten bei uns für weisse Wäsche und den Zugang zu schlimmsten Schimpfwörtern aus der Schleifmühl sorgte, wenn es nämlich über anderes Personal, nie aber über die Herrschaft herzog.

Heute erfahre ich weder die schönsten Schimpfwörter des Oberlandes noch welcher Herr zu welcher Feier dem Nachbarn aus Versehen mit dem Drilling den Kamin vom Dach geschossen hat. Auch das kann nach einem Schnapserl schnell passieren und was würde die Hausverwaltung dann erst sagen? Ich erfahre nur, dass ich mein Augenmerk auf die Papiertonne lenken soll, und bitte, wenn sie unbedingt per Befehl wollen, dann lege ich ihnen mein mit klebrigem Zwetschgensaft gesättigtes Backpapier oben drauf und, also, ich, nicht wahr, ich muss mich nicht mit den Wespen herumschlagen. Und jetzt kommt erst noch die Erntezeit mit Tarte Tatin und all dem anderen süssen Bapp – ich würde ja, wir leben hier auf dem Land, wo es haufenweise Flugviecher übelster Sorte gibt, als Hausverwaltung darum betteln, dass dieses süsstriefende Backpapier unten in die Mülltüte gestopft wird, aber na-tür-lich zeuge ich der Bitte auf Anweisung oder so meinen Respekt und deponiere das separat. Oben. Damit die Schmeissfliegen wachsen und gedeihen und sich mehren.

Das Anpflaumen anstelle der informellen Absprachen über dem Zwetschgendatschi – das ist heute halt so. Ich darf nicht mehr die Glühbirnen einschrauben, die mir gefallen, und wer es wagt, im Bundestag eine regional verortbare Kleidung zu tragen, muss sich anhören, die sei „rückständig“. Die Telekom wollte mir gerade wieder ihr widerliches Entertainpaket aufdrängen, und dazu einen Vertrag mit ihrem DREGGADN NOSNRODS VO WOIZ OVAH EIPI. Die gesammelten Unterlagen von einer kompletten Hausrestaurierung Anno 1890 haben in einer schmalen Mappe Platz, deren Umfang ich heute für die einmalige Vermietung einer einzelnen Wohnung benötige. Alle paar Tage kann ich nicht umhin, irgendwelche Verträge einzugehen und AGB zu akzeptieren, auf deren buchstabengetreue Einhaltung dann gepocht wird. Über all das Papier wird Macht ausgeübt, und so kommt es, dass mir eine Sekretärin sagen kann, wie hoch meine prächtige Ramblerrose wachsen darf. Ich aber leiste heimtückisch weiter Widerstand, indem ich mit den Rosen in die unregulierte Tiefe und Breite gehe, und gegen die Hausordnung Nachts um 3 Datschi für den nächsten VerBesuch backe.

HINWEIS:

Den gleichen Beitrag habe ich natürlich auch im Kommentarblog nachgebacken.