Wissen Sie denn nicht, dass ein reicher Mann und ein hübsches Mädchen sehr viel gemeinsam haben?
Blondinen bevorzugt
Gottes Schöpfung ist gross, sehr gross und mitunter leider auch etwas zu gross, was man erkennt, wenn man vom glücklichen Süden aus an den Main fährt und dort entdecken muss, wie viel Land sich nördlich davon ausbreitet. Aber das Land ist halt da und dort, wo ohne göttlichen Konstruktionsfehler vermutlich Meeresboden sein sollte, liegt auf dem Elbesumpf das Fischerdorf Hamburg a. d. Elbe. Hamburg hat sogar eine Seite bei Wikipedia und lebt vom Export von Regen, Nebel, juristischen Big-Brother-Teilnehmern, Witzen über die Elbphilharmonie und Presseerzeugnissen, die Zeit oder Spiegel heissen. Und die Zeit wiederum hat diese Woche in reichlich geschmacklosen Farben ein Titelbild mit einer eher dünnen Frau, die Boxhandschuhe, aber kein Dirndl trägt und fragt:
Wer hat Angst vor solchen Frauen? Sie sind jung, gut im Beruf und behaupten sich im Leben. Viele von Ihnen bleiben ohne Partner – und werden ständig gefragt: Warum?
Und ich bin mir sicher, die Zeit hat hochkorrekt Experten so lange befragt, bis das Ergebnis flauschig, tröstend, doch irgendwie partnerversprechend und frei von einer bitteren Wahrheit war:
Das ist so, weil manche, wie es die Schöpfung in ihrer Norddeutschland schaffenden Grausamkeit vorgesehen hat, einsam, frustriert und an ihren eigenen Zielen grandios gescheitert in Altersarmut enden werden.
Nun bin ich natürlich kein Anhänger der reinen Prädestinationslehre. Ich glaube an den freien Willen des Menschen, sich sein eigenes Unglück zu schmieden, und ich denke das alles so gut erklären zu können, dass es niemand mehr nötig hat, an den Kiosk zu rennen und die Zeit zu kaufen. Und für die Dreistigkeit „behaupten sich im Leben“ zu bezahlen, die angesichts des Mimimis bei Twitter und dem ständigen Selfempowerment über Prosecco und Frustshopping von der Realität karikiert wird.
Der Durchschnitt dieser jungen, erfolgsorientierten Singlefrauen und -männer kommt in etwa aus dem, was man gemeinhin als Mittelschicht bezeichnet. Das sind Leute, die mit ihrem Besitz gut auskommen, aber kaum in der Lage sind, dem Kind einen wirklich begüterten Start ins Leben neben dem Studium oder wie man das da mit dem Master heute nennt zu finanzieren. Sie haben also eine Ausbildung und eine halbwegs erträgliche Stelle fern der schmutzigen, körperlichen Tätigkeiten, bei denen die Männer- und Migrantinnenquote in ihren Augen gar nicht hoch genug sein kann. Sie wohnen in einer meist grösseren Stadt zur Miete, und jetzt wollen sie zielstrebig das Projekt Partnerschaft angehen. Dafür gibt es, da machen Mann und Frau keinen Unterschied, zwei vorteilhafte Gruppen: Dynamische Aufsteiger wie sie selbst, oder junge Angehörige der hierzulande absolutistisch herrschenden Oligarchie, die an die Stelle von Prinzen und Prinzessinnen aus dem Märchen getreten sind.
An jedem dritten Tag des Monats geht die Miete weg und verdeutlicht klar den Vorzug der zweiten Gruppe, die sich mit diesen Niederungen des Daseins allenfalls als Geldempfänger mit einem Blick auf das sich füllende Konto herumschlagen muss. Und nach dem ersten Wochenende ist da immer gleich eine Kollegin, die dieses Wochenende natürlich nicht in der Stadt war, sondern bei dem X. am See, was etwas ganz anderes als das selbst bezahlte After Work unter anderen ist, die ihre Angst vor der Nebenkostenabrechnung im Caipi ersäufen. Es bleibt daher nur selten aus, dass der aufstrebende Nachwuchs auf die Idee kommt, das Glück bei den Vermögenden zu suchen, die sich ihre Wohnungen nicht erst mühsam ersparen müssen. Die Aufstrebenden sind gut im Rechnen und bieten als Gegenleistung für die Beteiligung am partnerschaftlichen Vermögen wie im Beruf hohe Leistungsbereitschaft, total Gummitment an die gemeinschaftlichen Zielvorstellungen, ein gutes Aussehen, soziale soft Skills und hohe Verlässlichkeit angesichts der komplexen Herausforderungen so eines auf Wachstum bedachten Projekts.
So wird man vielleicht Vorstandsassistentin, aber das kleine Problem bei uns ist ein anderes: Die Oligarchie pflanzt sich in beiderlei Geschlecht fort, und für jeden Spross gibt es rechnerisch eine Sprössin. Man wächst zusammen auf, lebt im gleichen Viertel, hat die gleiche Sozialisation, kann sich das gar nicht anders vorstellen und ist in aller Regel recht schnell vergeben. Bis dann die Aufsteiger als junge Arbeitnehmer in diesen Markt eindringen, ist der Rahm längst abgeschöpft – und das muss so sein, schliesslich will die Oligarchie weiter bestimmen. Was Aufsteiger beim Markteintritt vorfinden, sind die Reste, bestehend aus Schwerenötern, Geschiedenen, Homosexuellen, Prüden, Spätstartern, Versagern und einem Haufen von sexuell opportunistisch jagenden Überzeugungssingles, die ganz genau berechnet haben, dass es in ihrem Leben an nichts mangeln wird, solange sie sich nicht Partner und Kinder anhängen lassen. Aber natürlich haben sie in der Regel Manieren, beherrschen die Kunst der höflichen Verstellung und tragen die Makel nicht so offen mit sich herum, wie andere den Aufkleber vom Leasingunternehmen an ihrem Golf. Wenn man aus diesen Kreisen kommt, ahnt man meist frühzeitig die Fehler, erfährt die grausigen Details aus dem Umfeld, und achtet nicht auf Besitz, den jeder hat. Aufsteiger sehen zuerst die Chancen und Möglichkeiten und ignorieren völlig den Umstand, dass da irgendwo ein Haken sein muss.
Der Haken aus unserer Sicht ist ein anderer – genau das nämlich, was uns da geboten wird. Es ist eine Option auf einen weiteren Fortschritt, das Versprechen einer noch besseren Zukunft, eine Umsatzentwicklung des Glücks. Hin und wieder versuchen windige Anlageberater etwas ähnliches, das nennt man „grauer Kapitalmarkt“. Man soll in einem unreglementierten Bereich stiller Gesellschafter werden, die kompetenten Initiatoren ruhig machen lassen und langfristig an zumeist gesellschaftlich vorteilhaften Profiten gut verdienen – Prokons rumänische Wälder lassen grüssen. Wenn es schief geht, sind jedoch Nachzahlungen nicht auszuschliessen, und gemeinhin sollte man so etwas nur tun, wenn man auch noch über andere Vermögenswerte verfügt. Man nennt das Risikostreuung. Aber genau das ist in der Kultur der Monogamie nicht möglich, die all die Risiken problematischer Anlageformen mit sich bringt. Sie ist in Sachen seelischer Grausamkeiten und Erniedrigung weitgehend unreglementiert, sie kann enorm teuer werden, und die Kompetenz der Initiatoren solcher Begehren beruht ausschliesslich auf deren Selbsteinschätzung, beziehungsweise dem, was ihnen in der Zeit geschmeichelt wird. This is FAZBlogarta:
Karriere vergeht, Hektar besteht.
Im Ernst: Ein Problem wäre es überhaupt nicht, wenn sich solche Aufsteiger in die Gegebenheiten einfinden könnten. Das Problem sind die boxhandschuhtragenden Zukunftserwartungen, das Hochrechnen früher Erfolge auf das Kommende, und die Unfähigkeit zu akzeptieren, dass es letztlich nur selten so glatt wie erwartet laufen wird. Ich las gestern etwas über angebliche Superkräfte, die „working mums“ in sich selbst entdecken wollen, und damit fängt das schon an – da wird die gefühlte Überforderung in Überlegenheit umgedeutet. Das geht eine Weile, aber irgendwann wird die Distanz zur beruflichen gelebten Realität zu gross, und mündet in eine Krise. Dann muss etwas her, das diese Kluft zu überbrücken in der Lage ist – und als Angehöriger der Oligarchie sollte man an diesem Punkt besser ganz weit weg sein, denn als solcher hätte man hier Nachschusspflichten. Angesichts der realen Bedingungen der Wirtschaft mit dem brutalen Konkurrenzkampf ist so eine Entwicklung ein Risiko für das Gesamtvermögen. Das macht man bei uns nicht, und deshalb pflegen solche Beziehungen dann auch recht früh an unterschiedlichen Auffassungen bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu scheitern.
Für unsereins ist die Geschichte damit eigentlich erledigt, für die anderen geht sie weiter. Es ist nicht so leicht, nach den durchaus angenehmen Erfahrungen mit Vermögenden die Ansprüche zu reduzieren, und sich wieder Partnern zuzuwenden, die anstelle einer Immobilie nur hohe Erwartungen besitzen, die weder über einen Strand noch einen Bergblick verfügen. Auch sie haben nur eine einzige Chance, und die sollte ideale Resultate bringen. Also suchen viele weiter, werden nicht jünger, erfahren erste Rückschläge und sind doch nie in der Lage, die Anforderungen an ihr Leben den schwindenden Gegebenheiten anzupassen. Das Berufsleben zwingt sie im Gegenteil dazu, sich selbst stetig als besonders gut herauszustellen, das behalten sie auch im Privatleben bei, und drängeln sich auf einem sehr kleinen und sehr schwierigen Marktsegment der Liebesökonomie. Manche haben vielleicht Glück, andere sehen das, fühlen sich bestätigt, und sind irgendwann bestätigt Mitte 40, allein, und noch immer nicht im Vorstand.
Deshalb geht das so aus. Wegen der Unfähigkeit, mit Klassenunterschieden umzugehen, wegen einer Fehleinschätzung der Märkte und dem mangelhaften Anpassungsvermögen. Oder ganz kurz: weil sie so sind, wie sie gezüchtet wurden. Jung, gut, behauptend – und voll am Markt vorbei.
Boxhandschuhe OMG WTF. Keiner hat Angst vor denen. Man will sie einfach nicht. Bei uns steckt man die Kinder zur Einschulung in Trachtenjanker und bodenlange Dirndl. So geht Oligarchie.