Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Bezahlen mit Geld, Körper und Privatsphäre

Ein weiterer Gastbeitrag zu Lust und Liebe von Despina Castiglione:

Dass man Glück nicht kaufen kann, ist nicht nur eine abgedroschene Binsenweisheit, es dürfte sogar eine sein, die sich für viele Menschen in den letzten Tagen durchaus bestätigt hat. Viel hilft eben nicht immer auch viel, und nach dem weihnachtlichen Konsum- und Fressrausch dürfte mittlerweile die Mehrheit wieder einigermaßen ernüchtert und dankbar sein, wieder auf die Arbeit zu dürfen. Hat man für die Lieben im Grunde sogar nur noch mehr oder weniger viel Verachtung übrig, nutzt auch das schönste Geschenk nicht, Sie kennen das bestimmt, vielleicht ist die Erinnerung an den letzten Versuch auch noch ganz frisch.

Ich habe meiner Kundschaft dieses Jahr wieder davon abraten müssen, der Gattin vermeintlich sexy Unterwäsche zum Fest zu schenken, und ich möchte Ihnen auch verraten, warum. Meine Theorie ist nämlich die, dass, wenn ein Herr diese Frage ausgerechnet mir als professioneller Spenderin für sexuelle Freuden stellen muss, das Problem schon etwas tiefer liegen und sich deshalb nicht mit einer Geschenkpackung von Victorias Secret beheben lassen wird, sei sie auch noch so prall gefüllt. Und Gutscheine für Sitzungen beim Paartherapeuten, die ich in so einem Fall schon eher für angezeigt halte, sollen unterm Weihnachtbaum nicht so der Renner sein, habe ich mir sagen lassen.

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Außerdem kennen die wenigsten Männer die wirkliche Größe ihrer Frauen, in beiderlei Hinsicht, und ein Geschenk das kneift, zwickt und den Beschenkten unter Umständen sogar der Lächerlichkeit preisgibt, kann man zwar machen, aber wenn, dann doch bitte mit Absicht. Insgesamt gibt es halt selten was geschenkt. Manche Frauen lassen sich für sexuelle Gefälligkeiten bezahlen, auch teures Essen macht bei übermäßigem Genuss fett, und selbst schöne Unterwäsche für die holde Gattin kostet einen Haufen Geld, selbst wenn sie noch so schlecht sitzt. Es ist ein Elend, dem so leicht nicht zu entfliehen ist, dass jedes Ding seinen Preis zu haben scheint.

Vertrauen Sie mir ruhig, ich weiss, von was ich hier rede, denn ich habe das mit der Unterwäsche, dem Geld und dem Essen natürlich vorab für Sie ausprobiert. Ein wunderschönes Unterkleid, der Traum meiner schlaflosen Nächte, mit abnehmbaren Strumpfhaltern und im Rücken von oben bis unten mit sehr hübschen Hakenverschlüssen ausgestattet, mit abnehmbaren Trägern und an der Brust von hervorragender Passform liegt, ebenso teuer wie unbenutzt in meinem Kleiderschrank und ich bin jedes Mal ein bisschen, um nicht zu sagen –maßlos- frustriert, wenn es mir in die Finger fällt.

Allerdings, und deshalb lasse ich das gute Stück doch liegen, wo es ist, erinnert mich diese Fehlinvestition regelmäßig daran, dass ich nicht in einer Situation leben muss, in der unpassende, mit eindeutigen Absichten geschenkte Unterwäsche mich an eine dysfunktionale Beziehung gemahnt, sondern einfach nur an meinen fraulichen Becken, das, ob ich mich nun der Völlerei hingebe, oder in monatelanger Entsagung lebe, in dieses Unterkleid nie wirklich bequem hineinpassen wird, und daran, dass ich zu doof war, mir diesen Fakt vor dem Kauf einzugestehen.

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Auf eine Art finde ich das tröstlich. Denn manche Dinge kann man eben nicht kaufen, zum Beispiel die Freiheit, sein Leben so zu gestalten, wie es einem wohl gefällt, genau so wenig wie die Zuneigung eines anderen Menschen, und ich finde es gar nicht schlecht, sich das gelegentlich in Erinnerung zu rufen. Persönlich genieße ich nur wenig so sehr, wie das Privileg, mein Leben unabhängig von Hartz IV oder irgendwelchen ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen zu gestalten, und mir würde der Verbleib in einer Beziehung, die mehr auf der gemeinsamen Hypothek für ein Häuschen im Speckgürtel von Musterstadt gründet, als auf echter Loyalität und Zuneigung, ganz und gar nicht behagen.

Es gibt Leute, das ist mir schon klar, die das anders sehen, und es liegt mir fern, das zu verurteilen. Schließlich bin ich für die Verlockungen eines ehelichen Eigenheimes gänzlich unempfänglich und kann deshalb nicht nachempfinden, wie weit manche zu gehen bereit sind, um wenigstens im Alter, wenn sonst hoffentlich nichts dazwischen kommt, mietfrei leben zu können. Und sei es gemeinsam mit einem Partner, der einem schon lange vor Erreichen des Rentenalters innerlich gekündigt hat.

Es ist eben jeder seines Glückes Schmied, und ich kann verstehen, wenn die Leute keine Lust haben, der Kaste der Immobilienbesitzenden zeitlebens Geld in den Rachen zu werfen. Gerade, weil man heutzutage ja in aller Regel nicht mehr an den Großgrundbesitzer von nebenan zahlt, sondern an mehr oder weniger ominöse Firmen, deren Geschäftsgebaren gerade gegenüber sogenannten „Altmietern“, zumindest als moralisch bedenklich eingestuft werden kann. Trotzdem ziehe die monatliche Mietzahlung ganz entschieden dem tagtäglichen und langfristigen Zusammenleben mit einer Person, mit der ich ohne Not lieber nicht Tisch und Bett teilen würde, klar vor.

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Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit jemandem, der Ihnen ungefähr so sympathisch ist, wie mir Leute, die Rentner zum Zweck der Renditesteigerung aus ihren Wohnungen ekeln, Tag für Tag zusammen wohnen. Mit jemandem, dessen Weltsicht Ihnen fremd ist, dessen Handeln Sie nicht gutheißen, und dessen Argumente Sie nicht mal mehr hören wollen. Fürchterlich, oder? Es ist mir also absolut unverständlich, inwiefern diese Art von Arrangement dem Konstrukt von „Sex gegen Geld“ überlegen sein soll: Ich habe irgendwann Feierabend, dann schalte ich einfach mein Mobiltelefon aus, und schon habe ich meine Ruhe. In aller Regel wird man ja von seinem Vermieter nicht belästigt, so man denn brav seine Miete bezahlt, da gibt es dankenswerterweise klare Regeln.

In einer Partnerschaft ist das alles ungleich komplizierter, da kommt man nicht so einfach aus, und um es sich und allen Beteiligten einfacher zu machen, kann man da schon mal in die Versuchung kommen, sich ein ganz klein wenig in die Tasche zu lügen, oder einfach mal „Ja“ zu sagen, wenn einem einfach nach „Nein“ wäre. Ich will jetzt nicht behaupten, die Prostitution wäre ein Hort der Aufrichtigkeit, der Tugend und des Anstands, aber ich möchte meine Hand nicht unbedingt dafür ins Feuer legen, dass es in der Prostitution so wesentlich schlimmer zugeht, als in vielen Beziehungen. Nicht, dass ich mich gegen Partnerschaft und Ehe aussprechen möchte, im Gegenteil. Ich bin mir nur eben nicht sicher, ob es in von innen in den Beziehungen immer genau so hübsch aussieht, wie es von außen vielleicht scheint.

Ganz sicher bin ich mir aber, was die gefühlte Bedrohlichkeit der ökonomische Falltiefe im Scheidungsfall angeht, die schätze ich nämlich schon als ein verbindendes Element in manchen Ehen ein. Und je höher der Abgrund, umso stärker die Bindungskraft, vermute ich. Ich kann das verstehen, heutzutage sind es Arbeitslosengeld II oder der Kredit fürs Reihenhäuschen, früher war es die allgemeine Moral, die es in so einer Situation verdammt schwer machen, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Und da ist noch mit keinem Wort das emotionale Desaster beklagt, das scheiternde Ehen und Beziehungen, ob nun mit oder ohne Eigenheim, gerne mal so mit sich bringen, und zwar für alle Beteiligten.

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Das ist eben das Problem, je größer die wirtschaftliche Abhängigkeit, desto schlechter die Verhandlungsposition derer, die eh nichts oder eben wenig haben. Das ist ja auch der Knackpunkt in der Armutsprostitution. Deswegen verstehe ich nicht, warum man diesen Leuten das Leben systematisch schwer macht, indem man Straßenstriche schließt und Verrichtungsboxen abreißt, und das damit begründet, dass man die Damen doch nur schützen möchte, schließlich könne es ja nicht sein, dass jemand freiwillig in der Kälte stehe und sexuelle Dienstleistungen anbiete. Als wäre kalt, dunkel und ungeschützt besser. Aber ich schweife ab.

Ohne boshaft sein zu wollen, meiner Meinung nach könnte man ruhig auch mal den Begriff der Freiwilligkeit im Kontext partnerschaftlicher Beziehungen vor dem Hintergrund diskutieren, dass heutzutage Alleinerziehen das Armutsrisiko Nummer eins ist, und Partnerschaftsgewalt laut Familienministerium für jede 4. Frau anscheinend nicht nur theoretisch ein Problem ist. Ich kann mir übrigens auch vorstellen, dass man bei einem Spaziergang über den Straßenstrich oder bei einem Kaffee auf Augenhöhe im Puff viele Geschichten von gescheiterter Liebe, Kindern und HartzIV hören könnte. Wenn man die Frauen denn fragte. Und ich habe auch eine Ahnung, was sie von der Idee, ihre Existenzen einfach fortzuwischen, indem man ihre Arbeitsplätze weggentrifiziert, wie anscheinend heutzutage modern ist, so halten.

Ganz abgesehen davon beobachte ich aus meiner Nische heraus auch, dass mit einer Scheidung die Besuchsaktivtät mancher Kunden deutlich abnimmt, oder gar zum Erliegen kommt. Ob das an verminderter Verfügbarkeit von Geldmitteln oder höherer sexueller Auslastung just ab dem Zeitpunkt der Scheidung liegt, darüber kann ich nur spekulieren, und darüber, ob die Männer nicht lieber verheiratet geblieben wären, natürlich auch. Wenn ich mir all das aber vergegenwärtige, bin ich doch ganz froh, und direkt über eventuell entgangenes Honorar gar nicht mehr traurig, wenn ich mir überlege, dass im Prinzip das Schlimmste, das mir droht, wenn ich meine Ruhe vor einer unliebsamen Kundschaft haben möchte, eine überschaubare Summe an Euro ist, die sich an anderer Stelle wieder entspannter verdienen lässt.

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Meine Freude darüber wird nur getrübt von der Aussicht auf polizeiliche Registrierung meiner Profession, die per Gesetzesvorhaben droht, und mir persönlich eher als Sicherheitsrisiko denn als sinnvolle Schutzmaßnahme erscheint. Denn egal wie hübsch so eine Registrierung als Schutzmaßnahme verargumentiert wird, einen Zettel, der die Gesetzestreue der Liebesdame bestätigt, wird es wohl dann auch geben, und ich würde mich sehr wundern, wenn es für diesen Zettel dann keine Mitführungspflicht gibt, weil wie soll man sonst die legalen von den illegalen Sexarbeitern unterscheiden?

Da ist es dann mit der Ruhe und dem Frieden schnell vorbei, schätze ich, denn wenn die Damen und Herren Zuhälter ihre rumänischen Schäfchen ordnungsgemäß registriert haben, kann jeder noch so widerwärtige Kerl nach Ansicht der Registrierungskarte die Dame seiner Wahl gegen ihren Willen noch mal zuhause besuchen, während die privilegierten Dienstleisterinnen wenn irgend möglich auf eine Registrierung dankend verzichten, und sich Sicherheit durch Illegalität erkaufen werden.

Manches ist halt wirklich mit Geld nicht zu bezahlen, wie zum Beispiel die Freuden wirklich gut sitzender Unterwäsche, einer gesicherten Existenz, oder einer gelingenden Partnerschaft.