Genau genommen ist aber ein Arbeiter, der Kloaken auspumpt, um die Menschen vor gesundheitsgefährdenden Miasmen zu schützen, ein sehr nützliches Glied der Gesellschaft.
August Bebel
Wohnen darf nicht zu einem Luxusgut werden, sagt der Justizminister Heiko Maas und deshalb, unter anderem, kommt es jetzt zu einer Mietpreisbremse.
In den Bundesländern, die mitmachen.
Berlin macht das, aus Bayern ward noch nichts vernommen, und man darf davon ausgehen, dass es für das jeweilige Verhalten gute Gründe gibt. Während Berlin sofort den Vermietern an die Gurgel geht, lief das beispielsweise in München anders: Dort wurden Mietspiegel, auf dem das Gesetz basiert, noch flugs ein paar höchstpreisige Sonderzonen ausgewiesen, wo das Wohnen doch noch Luxus sein darf. Also ich weiss ja nicht, wer woanders etwas gekauft hat, aber uns muss das hier nicht dauern.
Falls aber jemals eine Bayerische Staatsregierung auf die Idee käme, die Freiheit der Besitzenden dem Sozialismus der Mieter zu opfern, ist für unsereins mit den beträchtlichen Steigerungen der letzten Jahre erst mal trefflich gesorgt. Bis das Land das tut und die Kommunen sich dann einfügen – das Verfahren ist komplex und manche Städte haben gar keinen Mietspiegel – läuft noch viel frisches Bergwasser die Isar hinunter. An der Isar ist auch das schöne Bad Tölz und das wiederum sind dann die Lagen, in die die kleinen, aber nicht minder gierigen Spekulanten erst einmal ausweichen: Kommunen ohne Mietspiegel, aber mit einem Regime der Besitzenden und Mietern, die keine Alternative haben. Man nennt das den „Münchner Süden“ und sollte nun jemand in Berlin beim Steigern Probleme bekommen, so sei es eben. Traurig ist, wer dort in Erwartung steigender Einnahmen zu viel fremdfinanziert hat – aber das ist gar nicht unser Problem, und darauf will ich auch gar nicht hinaus.
Nein, ich würde gern noch einmal auf den Herrn Justizminister zurückkommen, der den Mietern sagt, Wohnen dürfe kein Luxusgut werden. Ich finde das bemerkenswert in einer Partei, deren Vorsitzender für das TTIP kämpft, als wollte er bei der nächsten Wahl wie eine Mischung aus FDP und griechischen Sozialdemokraten aussehen. Was hat man uns in Sachen Edathy seitens der SPD nicht alles zugemutet. Und dann stellt sich doch einer hin und sagt es knallhart, wie es ist: Wohnen darf kein Luxusgut werden.
Das kann man wirklich nur zu Mietern sagen, die finden das schick, wenn alles so bleibt, wie es ist: Mitunter teuer, mit hohen Nebenkosten. Aber wenigstens verlangsamt sich jetzt, so hoffen sie, der Anstieg der Mieten, wenn beim nächsten Umzug lediglich für Omas alten Schrank vierstellige Abschlagszahlungen fällig werden, sofern sich denn andere Mieter überhaupt aus ihrem sozialistischen Wohlfühlparadies herausbewegen. Ein etwaiger Wohnluxus für Mieter, das kommt in der Welt der SPD überhaupt nicht vor: Indirekt sagt die SPD damit, dass das, was Mieter jetzt haben, ihnen auch reichen sollte. Keine höheren Kosten, keine grösseren Räume, keine hübscheren Fliessen im Bad, alles wird eingefroren, und damit hat man zufrieden zu sein, wie im real existierenden Sozialismus. Ich jedoch meinte mich düster erinnern zu können, dass Sozialismus dereinst das Versprechen war, dass es zur Sonne und zur Freiheit ginge, statt in die immer gleichen Mietkasernen mit steuerlich geförderter Photovoltaik.
Aber es ist wie so oft: Was der besitzlosen Masse genügt, sieht man am anderen Ende der sozialen Nahrungs- und Vermietungskette gründlich anders. Natürlich ist Wohnen Luxus. Der eigene Garten ist Luxus und der Gärtner ist Luxus und die neue Küche ist Luxus und die junge Dame aus Osteuropa, die die Arbeitsfläche aus Granit poliert, ist auch Luxus. Ein kleiner Luxus zumindest, obwohl, eigentlich könnte sie auch mal wieder das alte Messing polieren. Es ist ein Luxus, für immer bleiben zu können und es ist ein Luxus, jederzeit in die Zweitimmobilie zu reisen. Mehrere deshalb meist ungenutzte Autostellplätze sind ein Luxus und all die Bäder, Fenster und nach Gemälden schreienden Wände sind es auch. Die ganze doppelte Haushaltsführung ist Luxus, purer Luxus, und deshalb macht man es auch. Heute hat man nichts dagegen, wenn andere das zumindest ahnen, früher inszenierte man das sogar überdeutlich mit Stuck, Kronleuchtern, Mätressen und Feuerwerk.
Weil das so überdeutlich ein Luxus war, zogen früher aber auch mitunter unzufriedene Massen zu den Palästen und brandschatzen sie. Gerne hätten sie auch so gelebt, wütend waren sie und heisser als die Flammen loderte ihr Hass: So war das früher und dafür liessen sie sich bisweilen auch von den Bütteln des Staates verfolgen und einsperren. Heute hören sie sich an, dass ihr Wohnen nun mal kein Luxus werden soll, sind damit zufrieden, und dann schalten sie um zur Sendung mit dem Bachelor oder der Frau vom Laufsteg. Nein, Luxus ist das natürlich nicht, das nennt man dann vermutlich soziale Grundsicherung. Grundsicherung vor sozialen Elementen. Dabei bin ich mir eigentlich recht sicher, dass niemand bei uns Herrn Maas dafür bezahlt hat, den anderen unmissverständlich mitzuteilen, dass sie bittschön alle Hoffnung fahren lassen sollen. Nur am Wochenende dürfen sie dann auch fahren, nämlich dorthin, wo die anderen wohnen, wo es schön ist und ein Luxus.
Das geht gar nicht anders, die Plätze an der Sonne sind bekanntermassen begrenzt, und dass man in Europa die Banken rettet und der Staat dafür auch die Rekordeinnahmen aus der Steuer braucht – das ist nun mal so. Recht viel mehr ist in dieser schwierigen Gesamtkonstellation nicht drin, es reicht gerade noch zu etwas Bestrafung der Immobilienbesitzer. Alles andere neben dem Mindestlohn wäre wohl ein nicht finanzierbarer Luxus. Gerne würde ich an dieser Stelle anmerken, dass die Ausgabe von Vergünstigungen an das gemeine Volk meistens damit verknüpft war, dass man danach die Steuer keinesfalls in den Palästen, sehr wohl aber in den Hütten erhob, aber vielleicht täusche ich mich auch, und historisches Fachwissen ist ohnehin Luxus in unserer schnelllebigen Zeit. Oder erinnert sich noch jemand an die Umfragen zum Vermögen der Europäer, bei denen die Deutschen wegen der hohen Mietquote mitten in der Krise besonders schlecht abschnitten? Da schaute man noch dumm aus der Wäsche.
Na also. Die weise Regierung wird Mittel und Wege finden, auch andere Formen des Luxus für Nichtbesitzende angesichts neuer, teurer Unternehmungen für obsolet zu erklären, und wenn der Kassenpatient im Wartezimmer mit Grippe und Masern beseucht wird, könnte ihm vielleicht dämmern, wo die Reise hingeht – nicht dorthin jedenfalls, wo der Arzt später seine Schritte hin wendet. Aber da sind zum Glück auch die Magazine des Lesezirkels, und da kann man nachlesen, wo sich die letzte Bachelorette nackt mit ihrem luxuriösen Körper zeigte.