Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Keine Ehe für Gift und Galle

We want you, we want you, we want you in the Schnaderhupfer-Crew

Natürlich habe ich eine Meinung zur Ehe für Alle, und die klingt so:

„Liebe schwule Freunde, habt Ihr noch alle Nadeln an der Tanne? Was war so schlecht an den durchtanzten Nächten auf den Boxen im Parkcafe, was war so schlecht am Bad im Brunnen vot dem Justizpalast am frühen Morgen, was war so schlecht an den endlosen Abenden im Morizz – dass Ihr jetzt auch mit diesem Klimbim anfangen müsst und Euch unbedingt wie jeder andere ein heimisches Terrorregime zulegen wollt, das meist nicht mehr darkroomtolerant ist? Wollt Ihr den Spass wirklich aufgeben für eine Ehe, die oft sowieso scheitert? Ihr seid doch auch mal jung und lässig gewesen. Fangt doch jetzt nicht mit sowas an. Ihr seid doch keine liegengebliebenes Apothekersdridscherl.“

Kurz: Die Ehe für Alle ist für einen alten Sac Hahnrei ausgschamten Hallodri echten Libertin immer ablehnenswert, egal wie die sexuelle Orientierung aussieht. Aber gut, natürlich bin ich auch der Meinung, dass der Staat in den Betten der Menschen nichts verloren hat, und wenn es denen Spass macht, sollen sie halt. Und ja, natürlich geht es nicht darum, dass man heiraten muss, sondern dass es einfach die Möglichkeit gibt. Das ist so wie Berlin: Ich will da nicht hin. Aber ich will das Recht haben, da hin zu fahren, mir drei Wohnungen zu kaufen und zu filmen, wie die sozial bewegten Vormieter nach Greifswald umziehen müssen. Das gefällt nicht jedem, aber so ist nun mal die Freiheit der Menschen, die das Gesetz ermöglichen sollte, egal ob bei der Ehe oder bei der Stadtsanierung. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Greifswald ist besser als sein Ruf. Oder zumindest auch nicht schlechter als Berlin.

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Und ich trete dafür ein, obwohl ich den bekanntesten Repräsentanten der Bewegung während der letzten Woche als einen Mobber kennengelernt habe und mich schon frage, ob der nicht auf unsere Kosten was Besseres zu tun haben sollte, als wehrlose Frauen im Netz zu demütigen. An dem und den Grünen, da sieht man mal, wie es ausgeht, wenn man sich dauerhaft bindet, liebe Schwule.

Aber auch der progressive Rest des Landes kommt mit den neuen, aber ihnen nicht ausreichend erscheinenden Rechten für Homosexuelle nicht klar. Und giftet FCK VTKN, um seine ablehnende Haltung gegenüber der katholischen Kirche auszudrücken, die mit erfrischend deutlichen Worten nicht so wie die CDU herumwackelt, sondern das Votum der Iren zur Ehe für Alle knallhart verdammt. Man kann sagen, was man will, aber an Charakter und deutlicher Aussprache fehlt es den Herren in Rom nicht. Damit kommt die Linke im vermerkelten Land der weichen, warmen Hände nicht klar, und hofft einfach darauf, dass die alten Männer irgendwann bald sterben, und mit ihnen Religion, Überzeugung und Vorurteil. Dass man bei mir in Mantua immer noch diverse, längst verstorbene Päpste als Postkarte kaufen kann, wird als schrulliger Witz abgetan. Den Padre Pio, der hier überall herum steht, von den Gärten bis zum autonomen Zentrum, den übersieht man vielleicht. Oder denkt, dass es halt Italien ist und daher anders. Aber bei uns müssen diese alten Männer mit ihren Predigten doch bald ausgestorben sein. Da habe ich eine gute Nachricht. Es gibt wirklich einen schweren Priestermangel, und die Klöster sterben nach all den Jahrhunderten wirklich aus. Es ist vorbei.

Und eine schlechte Nachricht habe ich auch.

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Ihr schaut trotzdem mit dem Ofenrohr ins Gebirge.

Weil, so sieht das aus, wenn FCK VTKN auch beim Verschwinden der Priester nicht hilft. Das ist Gasse, das Dorf neben meiner deutschen Heimat Gmund am Tegernsee. Und dort kommen recht viele aus dem Dorf zu einer Andacht auf der Wiese unter freiem Himmel zusammen. Das organisiert bei uns der Landfrauenbund. Ganz ohne alte Männer im Vatikan. Kommen tun natürlich alle, die Frauen, die Männer, die Kinder, viele kommen in Tracht und das schaut nicht schlecht aus, auf unseren sattgrünen Wiesen mit den leicht im Wind rauschenden Bäumen, wenn unten der Tegernsee funkelt. Das ist keine Kirche, da steht kein Marmoraltar, da sind für die Alten nur ein paar Bierbänke und für alle das Kreuz mit dem, in dem sie den Erlöser sehen. Natürlich werden jetzt immer noch einige Leser vielleicht FCK VTKN murmeln, aber man sollte ruhig mal seine Scheu vor dem Fremden überwinden und sich nähern. Es ist ja schön nicht grad greuslich, und es ist auch nicht unkommod hier am See. Gemma, bewegen wir uns etwas näher, schaumaramoi, ned woah.

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SengaS des? Das sind fei pfeigrod Frauen. Frauen an der Harfe und am Hackbrett, Frauen an der Gitarre und am Bass, eine Frauenmusi ist das und ein Minsitrant ist eine Ministrantin und in der Mitte: Das ist auch eine Frau. Alles Frauen. Sogar ziemlich junge Frauen, so jung, dass sie in der gesunden Bergluft beste Chance haben, jeden FCK VTKN Sager unter uns zu überleben. Da sind keine alten Männer vorn dran und das System, das viele so hassen, weil es ihre Rechte ablehnt, läuft mit Frauen weiter. Das ist für Feministinnen eine schreckliche Vorstellung – aber so ist es. Das ist jetzt nur eine Andacht auf der Wiese, aber sie ist schon recht üppig und ein wenig liturgisch geworden. An dem Tag, da die alten Männer Frauen als Priesterinnen zulassen, machen die hier halt eine richtige Messe, und zwar eine richtig pfundige, aber sonst ändert sich nichts. Weil sich schon alles bis hier her und zu den vorne stehende Frauen geändert hat, übrigens ganz ohne Beihilfe der feministischen Gesellschaftskritik, und der Glaube immer noch da ist. Die FCK VTKN Sager machen Witze über unseren Ministerpräsidenten, der einmal nebennaus gegangen ist. Hier wählen sie ihn trotzdem mit Prozentzahlen, die dafür sorgen, dass die SPD im Bund schon sehr betteln muss, um ein klein wenig etwas an den Rechten der Homosexuellen ändern zu dürfen. Und dafür immer noch geprügelt wird, weil sie so wenig erreicht.

Ich erzähle Ihnen was. Das sind jetzt noch zwanzig Meter von hier und die Leute – ich kenne sie. De san fei ned zwida. Mit denen kann man reden und grad lustig sein. Und die freuen sich auch, wenn man dazu kommt und sie lobt und ein wenig mitsingt. Da könnten Sie jetzt einmal mit ihrem unkommoden FCK VTKN aufhören und hingehen und die etwas loben. Für die schöne Musi und die grünen Wiesen und die stimmungsvolle Andacht. Die tun erst mal nichts Böses, die reden von Glaube, Liebe und Hoffnung, und wer sich auf eine Ehe einlässt, braucht das als Grundbestandteile der Verblendung. Da gibt es also eine gemeinsame Basis. Und geben Sie es zu, an so einer Stelle wäre so eine Ehe für Alle ja auch ganz hübsch, als Feier, oder ebba ned? Man könnte also da rübergehen, weil das da drüben – das sind momentan klar die Mehreren in diesem Land. Und schauen, dass man denen irgendwie nahe bringt, dass wir doch eigentlich alle das gleiche wollen. Liebe, Zuneigung, eine gesicherte Zukunft – das verstehen die schon irgendwie. Und dass sich etwas ändern muss, weil sie sich doch auch geändert haben, und gut ist es geworden. Das kann man doch den anderen auch einmal zugestehen, selbst wenn sie Dirndl und Lederhosen tragen. Wenn es gut geht, sagen die vielleicht sogar in der Partei, dass man sich da doch nicht so haben soll, schliesslich singen die Anderen spontan bei der Andacht so schön mit und und ernst ist es ihnen auch. Eine Ehe für Alle, die auch von Allen mitgetragen wird – dann sind die alten Männer wirklich egal.

ehed

Was ich sagen will: Ich glaube, dass man sich da innerhalb einer Gesellschaft schon verständigen kann, wenn man alte Fronten umgeht. Weil nichts anderes machen die hier bei ihrer Andacht auch – vor hundert Jahren hätte es keine Ministrantinnen gegeben und kein Dirndl ohne Brusttuch. Kommunikation klingt schwierig und es ist so leicht FCK VTKN zu twittern, und Lob gibt es dafür auch, aber schaunS, es is doch wias is: Die schauen sich hier nach einem Partner um, weil dazu macht man das auch ein wenig, gehen zusammen heim, zeugen Kinder und geben denen genau diese Religion und Tradition weiter. Das sind die Leute, die wählen gehen, relativ gebildet sind und die noch überzeugt werden müssen, auf Ihre Seite zu wechseln. Die sind vielleicht ein wenig bodenständig, aber bei denen geht der Diskurs fraglos besser als bei den Rapgesang hörenden Unterprivilegierten oder Flüchtlingen aus Ländern, bei denen Schwulenfeindlichkeit Teil der gelebten Kultur ist. Und es bringt auch mehr als die dauernde politische Selbstbestätigung bei den Patchworkfamilien im städtischen Umfeld, deren Kinder nach all dem genderneutralen Zwangsregeln sich eher nach konservativen Lebensentwürfen sehnen werden, die zu ihren Hormonen passen. Irgendwo muss man realistischerweise bei den anderen anfangen, und hier hat sich schon etwas emanzipiert und entwickelt: Man könnte es ja mal probieren, gleich hier. Nicht über den pseudowissenschaftlichem Umweg eines sexuellen Zwangskoffers in der achten Klasse, denn da werden hier und überall die Eltern rebellisch und freuen sich, wenn alte Männer FCK SCHWLNRCHT sagen. Hier. Auf der Wiese bei Gasse, gleich neben Gmund am Tegernsee. Da muss man das Anliegen nachvollziehen können und den anderen mögen. Lustigerweise geht das bei anderen Bereichen wie Gentechnikverboten und Erhaltung der Natur bzw. Gottes Schöpfung sogar jetzt schon sehr gut.

Aber wenn man denen nur mit FCK VTKN und Gift und Galle und Todeswünschen für ihren Glauben kommt, dann bleibt es halt, wie es ist, und ganz ehrlich, ich weiss auch nicht, ob ich nicht gerade den Grünen eine APO-Wahlperiode zum Nachdenken wünschen würde. Wie das ausgeht, wird in diesem Land jedenfalls nicht bei Twitter entschieden, sondern bei denen, die auch dann kommen und zuhören, wenn eine Frau die Ansprache hält und die Lieder vorsingt. Und die mal so und mal so wählen können und eigentlich schon auch der Meinung sind, dass Leben und Leben lassen wichtig ist.