we entirely deprecate the idea of entering on a Zulu war in order to settle the Zulu question
Michael Hicks-Beach
Sehen wir den Tegernseer Tatsachen in Auge: Jedes Jahr bescheinigt uns der Reichtumsbericht der Bundesregierung, dass die Schere wieder etwas aufgegangen ist, jedes Jahr winken wir müde ab und lassen unsere Mieter ohne Erhöhung laufen, weil wir keinen Stress wollen und die Nebenkosten ohnehin steigen – Sie kennen das von Ihren Anwesen, ich muss diese Herzensgüte, die sich aus dem Immobilienboom speist, nicht weiter erklären. Die Mieter sind dankbar, wir sind zufrieden, und kleine Reparaturen – wie heute Abend in München – machen wir selbst und bringen Zwetschgendatschi mit. Der Klassenkampf ist längst keiner mehr, die einen zahlen und wir bekommen und beim nächsten Mieterwechsel passen wir uns dem allgemeinen Preistrend an. Früher musste man den Leuten noch mit brutalen Maßnahmen kommen, es gab Geschrei und Missgunst. Heute sind wir Miethaie nur noch grosse Vetter der Goldfische, zufrieden, angesehen und fast schon Wohltäter.
Kein Mensch ausser Frankfurter Antifa, taz-Gewaltverstehern und gewissen ARD-Mitarbeitern würde Verständnis zeigen, wollte man uns deshalb an den Laternen hochziehen, und auch dafür müssten sie sich erst mal Stricke leisten können und Knoten binden und an den Tegernsee kommen. Der Klassenkampf wird vielleicht noch in China ausgefochten, aber wir leben und lassen leben. Zumindest in Bayern. In Berlin jedoch könnte sich das bald enden, und zwar in den Vierteln der grün-iranischen Republik, wo freizügige Werbung mit Frauen einer Zensurbehörde zwecks Fatwa präsentiert werden muss: Friedrichshain-Kreuzberg, bundesweit letzthin wegen der Nachwirkungen des grünen Pädophilieskandals in den Medien, schreitet nun kulturrevolutionär zur Beschlagnahmung von Wohnungseigentum. Die Begründung ist eine aktuelle Notlage. Der Bezirk, in dem Harald Martenstein vermutlich der letzte Dissident ist, der nicht dreimal gegen Moskau gebeugt „Refugees Welcome“ aufsagt – der Vorzeigebezirk den neuen, guten, ja nachgerade wunderbaren Menschen hat weitaus weniger Flüchtlinge untergebracht, als er eigentlich müsste. Derer 70.000 erwartet man insgesamt zum Ende dieses Jahres in Berlin. Kreuzberg hat zwar eine von Flüchtlingen besetzt Schule, ist aber unter anderem deshalb ziemlich pleite und müsste nun etwas tun.
Das Augenmerk haben PDS und Grüne auf das Nobelensemble Riehmers Hofgarten in der Yorckstrasse gerichtet, das Mietern und Artverwandten schon länger mitsamt Besitzern ein Dorn im Auge ist: Die Investoren nämlich lassen nach Ansicht der Politiker weite Teile der Anlage leer stehen, sind froh, wenn Mieter gehen, würden angeblich gern die Anlage gentrifizieren und die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umbauen. Um das zu verhindern, hat der Bezirk schon mit der scharfen Waffe des Milieuschutzes gedroht, und nun sollen dort nach dem Willen der Mehrheit Flüchtlinge zwangszugewiesen werden. Der Besitzer bekäme dann als Entschädigung eine Art Miete und könnte dagegen natürlich klagen – wie schnell und mit welchen Erfolgsaussichten, müssten Juristen entscheiden.
Für die Mehrheit im Bezirk ist das vermutlich so eine Art innere Politbürotagung mit angeschlossenem Schauprozess, trifft es doch Wohnungsspekulanten, und der gemeine Berliner hasst nichts mehr als solche Leute, bis dann die Eltern bürgen und er sich selbst eine Eigentumswohnung mit Stuck und Wertsteigerung kaufen kann, nur zum Schutze des Denkmals natürlich. Aber die Not ist jetzt gross, die gemeinen Bayern wagen es tatsächlich, Züge aus dem Balkan nicht nur aufzunehmen, sondern auch weiter zu schicken, in Berlin schlafen Flüchtlinge, die mit wertlosen Hostelgutscheinen abgespeist werden, auf der Strasse, oder drohen sich am Lageso selbst umzubringen. Ja man könnte fast den Eindruck haben, die Fliehenden versuchten, den Zuständen in Ungarn zu entgehen, kämen ins schöne München – und würden abtransportiert in eine Art Ungarn2.0 mit schöneren Sprüchen bei gleichwertig mieser Behandlung eines failed States: Du kommst als fremder Syrer und bleibst als libanesischer Palästinenser.
Das also ist die Notlage, und während der verhasste Opa der Grünen noch für den Volksgenossen arisierte, ist die heutige Aktion natürlich ganz im Sinne der Willkommenskultur und schadet nur dem Investor. Weil in den milieugeschützten Gärten sicher kein einziger Kreuzberger Mieter ein Problem hat, wenn man stockwerksweise Flüchtlinge hineinpfercht. Ich als Tegernseer kenne solche Praktiken mit neuer Nachbarschaft eigentlich nur als zynische Massnahme zum brutalen Entmieten. In München wird derartiges Vorgehen übelst angeprangert, aber in Kreuzberg hat man wohl einen anderen Zugang zum Menschen, und ausserdem merkt man kulturelle Defizite in der Welthauptstadt der Strassenmatratzen nicht so sehr: Berlin, Bogota, Bukarest, hoch die internationale Solidarität, das renkt sich alles schon multikulturell ein. Obendrein ist Notstand und da kann man nicht lange fragen, was man sich vielleicht am Tegernsee fragen würde: Warum ziehen die Flüchtlinge nicht erst mal in Sozialwohnungen, die zu diesem Zweck von uns allen über Steuern finanziert werden, bevor man gleich zu solchen einseitigen Methoden greift?
Da kommen wir nun zum wirklichen Klassenkampf in Kreuzberg. Es gibt da nämlich ein erfolgreich gestartetes Mietervolksbegehren, das die Insassen des Sozialwohnungsbaus angeregt haben, und das viele Unterschriften bekam. Die regierende SPD hat sich aus Angst vor einer Abstimmungsniederlage darauf eingelassen, und es wird demnächst phantastische Konditionen bieten: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften werden zusammengefasst und sollen satte 55% der Vermietungen an sozial schwächere Menschen geben, die einen Berechtigungsschein haben. Die Mieten werden ans Einkommen gekoppelt und, wenn nötig, vom Land bezuschusst. Niemand darf abgelehnt werden, weil er keinen Einkommensnachweis hat. Es gibt einen schlagkräftigen Mieterrat, und Zwangsräumungen werden erschwert. Für etwas unter 300.000 Wohnungen in Berlin gilt damit ein paradiesisches Sonderrecht. Und auf dass man soziale Notlagen nicht vergisst, muss jede fünfte Vermietung der 55% an besonders bedürftige Gruppen erfolgen. Flüchtlinge etwa. Das sind maximal rund 30.000 Wohnungen, die reserviert sind.
Natürlich jedoch sind diese Wohnungen nicht verfügbar. Es wohnen jetzt schon Leute drin. Was aktuell bleibt, sind diejenigen Bruchbuden, die Lehrstand haben, aber sogar ein Gigant wie die GEWOBAG hat momentan berlinweit nur 47 Wohnungen im Angebot. In Kreuzberg-Friedrichshain gar nur zwei. Das liegt daran, dass so gut wie niemand, der eine derartig begünstigte Wohnung hat, auszieht. Warum sollte man auch, bei solchen Bedingungen. In meiner herzlosen Heimatstadt im tiefsten Bayern hat man dagegen die sozialen Wohnungsbau brutal nach Wohnungen durchforstet, um sie Asylbewerbern zu geben, und räumte einen ganzen Block frei. Im Kaltland Hessen will man nun sogar eine Fehlbelegungsabgabe wieder einführen, die jene trifft, die wegen des zu hohen Einkommens mittlerweile unberechtigt von den Wohltaten des Staates profitieren. Das alles ist in diesem kalten Land möglich. So schafft man auch Finanzmittel für Flüchtlinge und eigenfinanzierten Wohnungsbau. Aber in Berlin wären solche Ideen sozialer Sprengstoff. Begünstigte Junglinke, die nach dem vergammelten Studium doch Geld verdienen, für die Solidargemeinschaft in die Verantwortung mit einbeziehen? Besserverdienende biofreudige Fehlbeleger rausekeln und Flüchtlinge einquartieren? Nicht in einem sozialen Wohnungsbau, in den jeder einziehen will und Randale und Volksbegehren macht, wenn ihm die Miete auf dem Niveau von Thüringer Waldgebieten nicht passt.
Es kommt aber noch besser: Jede fünfte Wohnung aus diesem Kontingent geht eben nicht nur an Flüchtlinge, sondern pauschal an besonders bedürftige Gruppen. Flüchtlinge. Aber auch Langzeitarbeitslose, Obdachlose, Sozialfälle, Armutsmigranten aus Osteuropa oder wer immer sonst Probleme hat, regulär eine Wohnung zu finden. Davon gibt es in Berlin nicht ganz wenige. Und sie alle müssen sich um den Anteil schlagen, der ihnen gesetzlich zugewiesen wird. Ihr theoretisch vorhandener, praktisch jedoch belegter Anteil klang letztes Jahr vielleicht noch generös, aber Berlin ist heute so überlastet, dass es minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge nach Passau abschiebt und die Rechnung dafür nicht begleicht. Trotzdem schüttet die Stadt Milliardenwohltaten über die bestehenden Mietverhältnisse aus, verhindert Räumungen und erlaubt den Mietern viel Mitsprache. Um jede zehnte frei werdende Wohnung dürfen sich dann all diejenigen schlagen, die durch das soziale Raster fallen.
Das ist der sozial-eigennützige Hintergrund der Zwangseinquartierung von Flüchtlingen. All die Mieter landeseigener Vorzugswohnungen, die dort gar nicht sein müssten, könnten nun Platz für die Ankommenden machen und durch eine Wohnungssuche auf dem freien Markt beweisen, wie ernst sie es mit „Refugees Welcome“ meinen. Man kann natürlich auch requirieren, aber nicht jeder Leerstand taugt für Flüchtlinge und nicht alle Flüchtlinge haben dort ausreichend Platz. Da kommt ein grosser Klassenkampf auf Berlin zu. Flüchtlinge, Armutsmigranten, Alkoholabhängige, Leute mit persönlichen Problemen ohne Wohnung gegen jene Profiteure, die ihre warme Wohnung mit einer sozial klingenden, aber real unwirksamen Quote gegen die rapide steigenden Zahl der wirklich Bedürftigen abgesichert haben. Und stolz sind, dass ihr Bezirk etwas gegen die anderen Spekulanten und Ausbeuter unternimmt.
Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, dass viele, sehr viele unsere Somalier und Eritreer in den Turnhallen rund um den Tegernsee genau wissen, dass sie später nach Berlin wollen? Wollen sie. Unbedingt. Davon träumen sie. Und von einer Wohnung.
Und nun zu etwas ganz anderem: Sind Berliner Laternen eigentlich hübsch?